Ein Gespräch im Hause Chruschtschow nach der erfolgreichen Beseitigung des Genossen Stalin

Es war eine dramatische, eine folgenschwere Veränderung, die sich nicht nur auf die Sowjetunion, sondern später auch auf die ganze Welt auswirken sollte, und die vielen erst bewußt wurde, als es schon zu spät war: Mit der Ermordung J.W. Stalins im Jahre 1953 hatte in der Sowjetunion eine Konterrevolution begonnen! Doch nur wenigen war damals so richtig klar, was das für Konsequenzen haben würde, und sie bezahlten es mit ihrem Leben. Nur wenige vermochten es, diese scharfe Kehrtwendung so unmittelbar und so treffend zu beschreiben, wie es der albanische Kommunist und Mitbegründer der albanischen kommunistischen Partei Enver Hoxha tat. Unbeirrt von den Intrigen und Anfeindungen durch die damalige sowjetische Parteiführung setzte die albanische kommunistische Partei ihren marxistisch-leninistischen Kurs fort. Ein sehr aufschlußreiches Gespräch hatten die albanischen Genossen mit dem sowjetischen Chefideologen Michail Suslow…

enver_hoxha_17.10.1971

Enver Hoxha (1908-1985) in seinem Arbeitszimmer
– nur auf wenigen Bildern sieht man ihn derart nachdenklich und betroffen

Kurz nach dem XX.Parteitag der KPdSU begann unter der Anführerschaft von Nikita Chruschtschow allmählich die Zerstörung des ersten sozialistischen Staates der Erde. Und es gab weitere Todesfälle … 1953: Der tschechische Kommunist Klement Gottwald starb in Moskau an den „Folgen einer Erkältung“. 1956: Der polnische Kommunist Bolesław Bierut starb in Moskau nach einem Herzmuskelinfarkt. 1964: Der französische Kommunist Maurice Thorez starb bei einer Überfahrt auf dem Schwarzen Meer. Kurz danach, ebenfalls 1964 starb in Jalta der italienische Kommunist Palmiro Togliatti. (Man muß lesen, was Togliatti kurz vor seinem Tode über seine Mörder schrieb! Siehe: [1] Memorandum) – Ein Zufall? Nein, keineswegs! „Die Umstände ihres Todes sind mysteriös“, schreibt Genosse Kurt Gossweiler, „und bis heute ungeklärt. Gemeinsam ist ihnen jedoch, daß der Tod die Genannten ereilte, als sie die Sowjetunion besuchten oder gerade von einem solchen Besuch zurückgekehrt waren.“ [2] Enver Hoxha beschreibt diese eigenartige Situation wie folgt:

Was geschah nach 1953 in der Sowjetunion?

Schon gleich nach Stalins Tod, bis hin zum XX.Parteitag, operierten die chruschtschowianischen Verschwörer auf füchsische Weise mit der „bürokratischen Legalität“, den „Parteiregeln“, der „Kollektivität“ und dem „demokratischen Zentralismus“, mit Krokodilstränen über Stalins Verlust, um so Schritt für Schritt die Torpedierung von Stalins Werk, seiner Persönlichkeit, des Marxismus-Leninismus anzubahnen. Für den Marxisten-Leninisten ist dies eine sehr lehrreiche Periode, denn sie zeigt den Bankrott der „bürokratischen Legalität“, die für eine marxistisch-leninistische Partei sehr gefährlich ist; sie zeigt die Methoden, mit denen die Revisionisten diese „bürokratische Legalität“ für sich ausnutzten; sie zeigt, wie ehrliche und erprobte Führer, die allerdings den revolutionären Klassengeist eingebüßt haben, den Intriganten auf den Leim gehen und den Erpressungen und der Demagogie der mit einer revolutionären Phraseologie getarnten revisionistischen Verräter Zugeständnisse machen, nachgeben. Wir sahen, wie die Chruschtschowianer während dieser Übergangsperiode, um ihre Macht zu konsolidieren, unter riesigem Spektakel angeblich mit „großer Parteilichkeit“, befreit vom „Alptraum der Angst vor Stalin“, mit „wahrhaft demokratischen und leninistischen Formen“ aktiv zu Werke gingen, wie sie damit beschäftigt waren, die gemeinsten Verleumdungen gegen die Sowjetunion, gegen Stalin und die sozialistische Ordnung überhaupt auszuhecken, wie sie sonst nur der Bourgeoisie zuzutrauen sind.

Eine von langer Hand vorbreitete Demontage

All diese ungeheuerlichen Verleumdungen der Chruschtschow-Revisionisten, ihre ganze zerstörerische Tätigkeit, untermauerten die seit vielen Jahren umgehenden Verleumdungen der reaktionären Bourgeoisie gegen den Marxismus-Leninismus, die Revolution und den Sozialismus und versuchten sie mit angeblich authentischen Dokumenten, mit „Argumenten“ und „Analysen“ in neuem Geist „zu belegen“. … Der opportunistische „neue Geist“, den Chruschtschow im Begriff war zu wecken und zu schüren, zeigte sich schon daran, wie dieser Parteitag organisiert war und ablief. Dieser liberale Geist drückte wie eine schwarze Wolke auf die ganze Atmosphäre, durchzog die sowjetische Presse und Propaganda in jenen Tagen, herrschte in den Sälen und Gängen des Parteitags, spiegelte sich auf den Gesichtern, in den Gesten und in den Worten der Menschen wider.

XXI Parteitag
XXI. Parteitag der KPdSU – nur eine heuchlerische Show

Es fehlte die frühere Ernsthaftigkeit, wie sie eigentlich für ein so außerordentlich wichtiges Ereignis im Leben einer Partei und eines Landes kennzeichnend sein sollte. Auf dem Parteitag sprachen auch Parteilose. In den Pausen zwischen den Sitzungen spazierten Chruschtschow und Genossen lachend in den Sälen und Gängen umher, wobei sie um die Wette Anekdoten erzählten, Geistreicheleien austauschten, sich volkstümlich gaben und an den übervollen Tischen, die überall aufgestellt waren, Getränke in sich hinein stürzten. Mit all dem wollte Chruschtschow den Eindruck nachhelfen, die „drückende Zeit“, die „Diktatur“, die „düstere Analyse“ der Dinge sei nun ein für allemal vorüber, und nun sei offiziell die „neue Zeit“ der „Demokratie“, der „Freiheit“, des „schöpferischen Herangehens“ an die Ereignisse und Phänomene angebrochen, innerhalb wie außerhalb der Sowjetunion. [3]

Der Tisch bog sich unter den Speisen

Man hatte auch Vertreter der Bruderparteien aus den anderen sozialistischen Ländern dazu eingeladen, darunter die Delegation Albaniens unter Leitung von Enver Hoxha. Da spielte sich dann etwa das folgende ab: Während seines Aufenthalts in Moskau anläßlich des XXI. Parteitags der KPdSU wurden er und die anderen albanischen Gäste von einem Politbüro-Mitglied zu einem Mittagessen auf seiner Datscha bei Moskau eingeladen. Es war 10 Uhr morgens, und der Tisch war schon wie in einem russischen Märchen üppig gedeckt. Die Gastgeber tranken Wodka und verschiedene Weine. Die Albaner waren dabei, loszufahren, als ihre Gastgeber ein Mittagessen ankündigten. „Wir waren überrascht und fragten, ob wir denn nicht genug gegessen hatten“, schreibt Enver Hoxha. „O nein, war die Antwort, das war nur ein kleiner Imbiß. Jetzt beginnt aber eine richtige Mahlzeit.“ „Daraufhin wurden wir in den Speiseraum eingeladen. Der Tisch bog sich unter den Speisen. All diese Gerichte wurden auf Kosten des sowjetischen proletarischen Staates für dessen Parteifunktionäre produziert!“, schrieb Enver Hoxha, entrüstet über die sowjetischen Revisionisten. [4]

Ein sehr aufschlußreiches Gespräch mit Suslow

Inzwischen war klar, daß sich die Tito-Clique im Nachbarland Jugoslawien vom Marxismus-Leninismus verabschiedet hatte. Und so hatten auch die albanischen Kommunisten ihre Schlußfolgerungen aus diesem Verrat gezogen. In diesem Zusammenhang berichtet Enver Hoxha von der folgenden Episode: Am Vorabend des 3.Parteitags unserer Partei, der Ende Mai/Anfang Juni 1956 tagte, verlangte Suslow von unserer Führung ungeschminkt, sie solle ihre bisherige Linie „überprüfen“ und „korrigieren“.

„Es gibt nichts, was unsere Partei an ihrer Linie zu überprüfen hätte“, entgegneten wir bestimmt. „Wir haben niemals schwere prinzipielle Fehler in der Linie zugelassen.“
„Die Sache mit Koçi Xoxe und seinen Genossen, die ihr bestraft habt, muß überprüft werden“, sagte Suslow uns.
„Sie waren und bleiben Verräter und Feinde unserer Partei und unseres Volkes, Feinde der Sowjetunion und des Sozialismus“, erwiderten wir entschieden. „Und wenn wir die Prozesse gegen sie hundert Mal überprüfen würden, hundert Mal würde dabei herauskommen, daß sie Feinde waren. Und so haben sie auch gehandelt.“

Nun fing Suslow zu reden an. Er sprach von dem, was in den anderen Parteien und in der sowjetischen Partei selbst gerade vor sich ging, von einer „großzügigeren“, „humaneren“ Betrachtungsweise des Problems.

„Das“, sagte er, „hat großen Eindruck gemacht und ist von den Völkern gut aufgenommen worden. Das muß auch bei euch passieren.“
„Unser Volk würde uns steinigen, wenn wir die Feinde und Verräter rehabilitieren würden, die das Land in die Ketten einer neuen Sklaverei schlagen wollten“, entgegneten wir Chruschtschows Ideologen.

Als Suslow sah, daß er so nicht durchkam, versuchte er es mit einer anderen Karte.

„Gut“, sagte er. „Wenn ihr davon überzeugt seid, daß sie Feinde sind, dann sollen sie es eben bleiben. Aber eines müßt ihr tun: sprecht nicht über ihre Verbindungen zu den Jugoslawen, bezeichnet sie nicht mehr als Agenten Belgrads.“
„Wir sprechen hier über die Wahrheit“, gaben wir zurück. „Und die Wahrheit ist, daß Koçi Xoxe und seine Spießgesellen bei dem Komplott von Kopf bis Fuß Agenten der jugoslawischen Revisionisten waren. Wir haben die gegen unsere Partei und unser Land gerichteten Verbindungen Koçi Xoxes zu den Jugoslawen, die vielen Fakten, die dies beweisen, aller Welt bekannt gegeben. Die Sowjetführung kennt sie genau. Weil sie vielleicht noch keine Gelegenheit hatten, die Fakten kennen zu lernen, und weil Sie auf Ihrer Meinung bestehen, wollen wir Ihnen einige aufzählen.“

Suslow vermochte kaum seine Nervosität zu zügeln. Wir zählten ihm in aller Ruhe einen Teil der wichtigsten Fakten auf und betonten abschließend:

„Das ist die Wahrheit über Koçi Xoxes Verbindungen zu den jugoslawischen Revisionisten.“ „Da da!“ [Russisch im Original: Ja, ja!] sagte er ungeduldig.
„Wie könnten wir dann diese Wahrheit verdrehen?!“ fragten wir ihn. „Und darf eine Partei irgend jemand zuliebe verheimlichen oder verdrehen, was durch zahllose Fakten bewiesen ist?“
„Aber anders lassen sich die Beziehungen zu Jugoslawien nun einmal nicht in Ordnung bringen“, schnaubte Suslow.

Uns wurde nun alles sonnenklar. Hinter Suslows „brüderlicher“ Vermittlung steckten Chruschtschows Schachereien mit Tito. [5]

Doch es kam noch schärfer: „Wir haben uns nie jemandem gebeugt…!“ (Ein Gespräch zwischen dem Spitzbuben und Volksverräter Chruschtschow und Genossen Enver Hoxha)

pdfimage Gespräch Hoxha mit Chruschtschow

Der Revisionismus ist die Idee und die Tat, die die Rückverwandlung eines Landes vom Sozialismus zum Kapitalismus, einer kommunistischen Partei leiten. Er schürt ideologisches Chaos, Konfusion, Korruption, Unterdrückung, Willkür, Instabilität, den Ausverkauf des Vaterlands an den Meistbietenden. Diese Tragödie ereignete sich in der Sowjetunion und in den anderen revisionistischen Ländern. Diese Verhältnisse wurden geschaffen durch Chruschtschow und die Chruschtschowianer, sie wurden geschürt und gefördert durch den amerikanischen Imperialismus und den Weltkapitalismus.
…das schrieb Enver Hoxha schon 1980. [6]

Zitate:
[1] Palmiro Togliatti, Memorandum zu Fragen der internationalen Arbeiterbewegung und ihrer Einheit, Jalta, August 1964, in: P.Togliatti, Ausgewählte Reden und Aufsätze, Berlin 1977, S.778.
[2] Kurt Gossweiler, Die Taubenfußchronik oder Die Chruschtschowiade, Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung, München, 2002, Bd.1, S.383.
[3] Enver Hoxha, Die Chruschtschowianer, Verlag „8 NËNTORI“, Tirana 1980, S.195–226, deutsche Ausgabe. Hier: Kommunisten-online
[4] Stimme Rußlands: Beobachtungen eines albanischen Stalinisten
[5] Enver Hoxha, Die Chruschtschowianer, ebd.
[6] ebd. S.226, Siehe: http://archive.250x.com/hoxha/german/20ptgkpdsu.html

pdfimage  Ein Gespräch im Hause Chruschtschow

Siehe auch:
Ljubow Pribytkowa: Die Demontage der Sowjetunion
Jugoslawien: Die faschistische Tito-Clique „Sie haben mich bespuckt, mit Ihnen kann man nicht reden!“ (pdf-Datei)
Erik Hobsbawm: Zweimal 10 Tage, die die Welt erschütterten
Ist Lynchjustiz ein berechtigtes Mittel?
Enver Hoxha: Begegnungen mit Stalin
Enver Hoxha am 11. April 1985 in Tirana gestorben

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9 Antworten zu Ein Gespräch im Hause Chruschtschow nach der erfolgreichen Beseitigung des Genossen Stalin

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  6. Egon K. schreibt:

    (gelöscht! – Lügen und Beleidigungen werden gelöscht! Admin.)

  7. olivia2010kroth schreibt:

    Chruschtschow war ein Neidhammel. Er war neidisch auf Stalins Intelligenz und Statur. Von beidem besass das ukrainische Bäuerchen nicht allzu viel.

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