Im Jahre 1979 erschien in der DDR ein kleines Büchlein, das heute – nimmt man seine Aktualität – von Anfang bis Ende neu gedruckt werden könnte, ohne daß grundsätzlich etwas daran geändert werden müßte. Von ein paar Kleinigkeiten mal abgesehen. Es geht um die Jugend im kapitalistischen Europa. Roland Bach: „Eine verlorene Generation?“ Mit einem Fragezeichen? Ja. Doch heute müßte man es mit drei Ausrufezeichen schreiben! Die Jugend im Kapitalismus ist (von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen) eine verlorene Generation. Das betrifft vor allem die Bildung, das geistig-kulturelle Niveau und die berufliche und die Lebensperspektive. Was natürlich nicht heißen will, daß sie nicht irgendwie doch noch zu retten wäre.
Im Vorwort schreibt der Autor:
„Bedeutend verstärkt wurde die antikommunistische Propaganda unter der Jugend. Bei der Durchführung von Wahlen in den kapitalistischen Ländern konzentriert sich ein beträchtlicher Teil der Anstrengungen der bürgerlichen Parteien auf die Beeinflussung der jugendlichen Wähler. Große Bemühungen unternimmt auch die Sozialdemokratie, um die Teile der Jugend, die mit dem kapitalistischen System unzufrieden sind, die nach einer gesellschaftlichen Alternative suchen, vom Übergang auf revolutionäre Positionen abzuhalten.“ [1] Das stimmt noch heute. Doch lesen wir weiter. Roland Bach schreibt:
Der Kapitalismus – eine Gesellschaft ohne Perspektiven
In der Mitte der siebziger Jahre kam es in den kapitalistischen Ländern Europas zu einer bedeutenden Verschlechterung der Situation von Millionen Jugendlichen. Die besondere Art und Weise der Verflechtung der allgemeinen Krise, die Immer mehr Bereiche der kapitalistischen Gesellschaft erfaßte, mit der bisher schwersten internationalen zyklischen Überproduktionskrise nach de zweiten Weltkrieg in den Jahren 1973 bis 1975 berührte zutiefst zentrale Fragen des Lebens der jungen Generation ihre sozialen Existenzgrundlagen, ihre Zukunftsaussichten. Die Erschütterung einer ganzen jungen Generation machte wie nie zuvor das Fehlen grundlegender Rechte, die Jugendfeindlichkeit des kapitalistischen Systems und die Notwendigkeit seiner Überwindung deutlich. Zu den Motiven des Protestes, die die Unruhen der Jugend am Ende der sechziger Jahre geprägt hatten, kamen neue hinzu, und zwar solche, die noch stärker das Zentrum der jugendlichen Persönlichkeit betreffen. [2]
Millionenfache Jugendarbeitlosigkeit
Am drastischsten drückt sich die Notlage der Jugend in der Entstehung eines Millionenheeres junger Arbeitsloser aus. Die Jugendarbeitslosigkeit wuchs überproportional an, sie wuchs auch nach Beendigung der zyklischen Krise weiter und kann gegenwärtig in ihren Ausmaßen nur mit der Massenarbeitslosigkeit Jugendlicher in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 verglichen werden. Heute sind mehr oder weniger in allen kapitalistischen Ländern Europas (darüber hinaus jedoch auch in den USA, in Kanada, Australien, Japan und Neuseeland) die Fragen der Jugendarbeitslosigkeit mit zu den vorrangigsten Diskussionsthemen geworden. Immer mehr verschlechtert sich die Aussicht für die Schulabgänger, eine Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz zu erhalten. Besonders schwierig ist die Lage für viele Jugendliche der kapitalistischen Länder Südeuropas geworden, die noch auf einen Arbeitsplatz in der BRD, in Frankreich, der Schweiz oder Großbritannien gehofft hatten. Ihre Chancen, dort einen „Start ins Leben“ zu finden, schmelzen dahin, und die Hoffnungen ihrer Familien, einen Ernährer mehr zu bekommen, werden bitter enttäuscht. [2]
Zunehmender Leistungsdruck
Gleichzeitig wurde in den kapitalistischen Betrieben der Druck auf die von ihnen beschäftigten Jugendlichen erhöht und die Ausbeutung verstärkt. Eine Reihe sozialer Errungenschaften wurde beseitigt oder eingeschränkt. Außerdem versucht das Großkapital, die entstandene Lage zur Einschränkung der demokratischen Rechte der Jugend zu nutzen. Für die Jugendlichen in den Bildungsstätten verstärken sich der Leistungsdruck und die erbitterte Konkurrenz um die Lehr- oder Arbeitsstätte, die nach der Ausbildung erstrebt wird. Unsicherheit und Angst, auf der Straße zu liegen, führen massenhaft zu Überforderungssituationen, nervösen und anderen gesundheitlichen Störungen. Hunderttausende Studenten, die sich ihr Studium selbst finanzieren müssen, suchen vergeblich nach Ferien- und Nebenbeschäftigungen. Und da viele der sonst arbeitslosen Jugendlichen zunächst auf einen Studienplatz auszuweichen versuchen, wächst der Druck auf die Universitäten und Hochschulen, wächst schließlich mit der Jugendarbeitslosigkeit auch das Heer der arbeitslosen Jugendlichen mit Diplom oder ähnlichen Abschlüssen. [3]
Die Wurzel des Übels
Die Kommunisten unterscheiden sich bei der Beurteilung der Situation der Jugend in den kapitalistischen Ländern vor allem dadurch von allen anderen Kräften; daß sie nicht bei der Aufdeckung einzelner Mängel stehenbleiben und das Fehlen grundlegender Rechte der Jugend beklagen, sondern darüber hinaus die Ursachen für die Jugendmisere aufdecken und den Weg zu ihrer Beseitigung weisen. Für viele Stimmen aus bürgerlichen Kreisen und auch aus der Sozialdemokratie ist charakteristisch, daß sie sogar heute noch lediglich allgemein vom „Versagen Gesellschaft“, den „wirtschaftlichen Zwängen“ oder einer „untrollierten Politik“ reden. Sie vermeiden ängstlich, die Schuldigen beim Namen zu nennen, Auch viele Mädchen und Jungen, die kein Wissen über die Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft und speziell die des Kapitalismus besitzen, halten alles für Zufälligkeiten. Sie sind mehr oder weniger geneigt, ihre Lage persönlichem Versagen, dem „Schicksal“ oder höchstens der Unfähigkeit der Regierung zuzuschreiben. Demgegenüber wird in Dokumenten kommunistischer Parteien und Jugendverbände klar hervorgehoben, daß die Wurzel des Übels in der Existenz des kapitalistischen Systems selbst, vor allem in der Herrschaft des Großkapitals, besteht. [4]
Verblödung im Interesse der Ausbeuterklasse
Es liegt durchaus im Interesse der herrschenden Klasse, wenn bei der Beeinflussung der Jugend in den kapitalistischen Ländern die Propagierung von Pessimismus, Unglauben an die eigene Kraft, die Verbreitung der Konsumideologie und die Erzeugung unpolitischer Haltungen mit den Anstrengungen zu Ihrer Aktivierunq für volksfeindliche, reaktionäre Zwecke, zur Verteidigung und Erhaltung des überholten imperialistischen Systems einander durchdringen und eine widersprüchliche Einheit bilden. Die Bourgeoisie verfügt über große Erfahrungen in der massenwirksamen Verbreitung ihrer Ideologie und über enorme Möglichkeiten, diese mit modernsten technischen Mitteln über die Massenmedien zu propagieren. [5]
Methoden der Verführer
Große Massen Jugendlicher in den kapitalistischen Ländern werden auch heute noch durch raffiniert gesteuerte Konsumideologie vom aktiven Kampf gegen den Kapitalismus, durch Sexrummel und Pornowelle von den großen gesellschaftlichen Problemen abgelenkt. Eine nach den neuesten Erkenntnissen der Werbepsychologie aufgezogene Reklame preist ihnen die „Schönheiten“ des Kapitalismus. Angeblich sind sie nicht „up to date“, wenn sie nicht diese oder jene Schallplatte, dieses oder jenes Kleidungsstück, diesen oder jenen Lippenstift besitzen. Auf der Jagd nach dem „neuesten Schrei“ sollen sie die ungelösten Probleme des Alltags vergessen. (…) Nach wie vor ist die Darstellung der sozialistischen Länder in vielen Schulbüchern der kapitalistischen Welt von üblem Antikommunismus und Antisowjetismus geprägt. So heißt es in einem Schulbuch der BRD: »Nachdem die Rote Armee die Sowjetunion nach außen gefestigt hatte, setzte sich das kommunistische Herrschaftssystem gegen alle Gegner mit blutigem Terror durch. Ganze Bevölkerungsschichten wurden ausgerottet. Weite Landstriche schienen entvölkert.« (K.H. Pelzer: Geschichte für die Hauptschule, Donauwörth 1974) Wohlgemerkt, hier handelt es sich nicht um ein Schulbuch aus der Zeit des Faschismus, sondern um eines aus dem Jahre 1974, also nach dem Abschluß der Verträge der BRD mit den sozialistischen Staaten.[6]
Die linksextremistischen Spaltergruppen
Während nach 1968 ein beachtlicher Teil der in Bewegung geratenen Jugendlichen sich in einem kornplizierten Entwicklungsprozeß den Positionen der Arbeiterklasse näherte, andere in Passivität zurückfielen, sahen sich die Kommunisten in den kapitalistischen Ländern gleichzeitig der Tatsache gegenüber, daß sich die Aktivität linksextremistischer Gruppierungen verschiedener Art in der ersten Hälfte der siebziger Jahre verstärkte. Dabei gelang ihnen es auch zeitweise, Jugendliche für ihre sich objektiv gegen die Einheit der Arbeiter- und demokratischen Bewegung richtenden Aktionen zu mißbrauchen. Zu diesem Zweck bedienten sich sowohl trotzkistische wie auch pro-maoistische Gruppen demagogischer Manöver. So gründete eine in der BRD agierende pro-maoistische Gruppe,
die skrupellos für sich den Namen „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD okkupierte, unter anderem folgende Nebenorganisationen: „Kommunistlscher Jugendverband“ (KJV), „Kommunistischer Studentenverband“ (KSV), „Kommunistischer Oberschülerverband“ (KOV), „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition“ (RGO). Ihre Tätigkeit richteten diese „Parteien“, Bünde, Zirkel und Vereine, die insgesamt gesehen keine größere Anhängerschaft erreichen konnten, sondern meist aus kleinbürgerlichen Studenten und Intellektuellen bestanden, nicht auf die Verteidigung der Lebensinteressen der Jugend, sondern auf die lautstarke Beschimpfung des realen Sozialismus und der wirklich kommunistischen Parteien und Jugendverbände. Die bürgerlich-liberale Zeitung „Frankfurter Rundschau“ schrieb über diese Gruppen spöttisch: „Diese ‚Jugendbewegung‘ hat zwar einige Millionäre unter sich, dürfte aber nie Millionen von Lohnabhängigen hinter sich haben.“ [7]
Die Gefahr des Neofaschismus
Die größere Gefahr liegt jedoch in der Tatsache, daß, wie gegenwärtig in der BRD, Hunderttausende und Millionen junger Menschen eine ganze Welle der Verharmlosung, Beschönigung und Rechtfertigung faschistischer Verbrechen erleben. Von der Reinwaschung bis zur Bewunderung der faschistischen Anführer ist es dabei, wie der berüchtigte Film „Hitler – eine Biographie“, die Massenauflagen faschistischer Originalillustrierten und von Erinnerungen der Naziführer oder ihrer Ehefrauen und Gefährten zeigen, nur ein kleiner Schritt: Die Gefahr wächst von soziologischen Umfragen unter Tausenden Schulern exakt nachgewiesen – im faschistischen Denken einer Generation heran, die es nicht besser weiß, weil ihr die geschichtliche Wahrheit nicht vermittelt wurde. (…) Aus dem faschistischen Denken erwachsender Beitritt zu offen und getarnt agierenden rechtsextremen Jugendgruppen, Schändungen jüdischer Friedhöfe, Überfälle auf Jugendheime der demokratischen Jugendverbände, von denen in der BRD·Presse laufend berichtet wird, sind dann kein Zufall mehr, wie es nicht wenigen noch scheinen mag. [8]
Einzige Alternative für eine gesicherte Zukunft: SOZIALISMUS
Der Sozialismus schafft heute durch seine auf das Wohl der Werktätigen, auf das Glück des Volkes gerichtete Politik in wachsendem Maße auch die Voraussetzungen für die umfassende Befriedigung der materiellen und kulturellen Interessen der Jugend im Freizeitbereich. Kultur, Sport und Touristik gehören zum festen Bestandteil des Lebens der Jugend in den sozialistischen Ländern, deren Lebensfreude und -bejahung in nicht wenigen bürgerlichen Publikationen anerkannt werden mußte. [9]
Quelle:
[1] Roland Bach: Eine »verlorene Generation«?, Dietz Verlag Berlin (DDR), 1979, S.8.
[2] ebd. S.32.
[3] ebd. S.32f.
[4] ebd. S.37f.
[5] ebd. S.150f.
[6] ebd. S.151f.
[7] ebd. S.204f.
[8] ebd. S.176.
[9] ebd. S.184
(Hervorhebungen und Zwischenüberschriften von mir, N.G.)
Siehe auch:
Über Perspektiven im gesellschaftlichen Leben
DDR: …und der Jugend eine Zukunft
Warum ist der Kommunismus gut für die Menschen?
Der Sozialismus war und ist lebensfähig!
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