Bürgerliche Weltanschauungen sind fast ausnahmslos widersprüchlich, diffus und realitätsfern. Weder decken sie die Ursachen des gegenwärtigen Zustandes der Gesellschaft auf, noch bieten sie eine realistische Perspektive. Zahlreiche „Experten“ dürfen heute bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Meinungen kundtun, ohne sich über eine wissenschaftliche Begründung Gedanken machen zu müssen. Es reicht aus, als „Experte“ zu gelten. Als Reflex auf den Niedergang der kapitalistischen Gesellschaft verbreiten bürgerliche Analysten, Soziologen, Politologen, Psychologen, Historiker und dergleichen „Fachleute“ alle möglichen abstrusen Erklärungen über den Zustand der Welt und schlagen Lösungsmodelle vor, die mit Wissenschaft nicht das geringste zu tun haben. Ihr Denken ist geprägt von Irrationalismus, Dekadenz, Antihumanismus und Endzeitstimmung. Oft verlieren sie sich in mystische und religiöse Auffassungen. Bürgerliche Ökonomen verbreiten immer neue, abgestandene Theorien, die allesamt nicht anderes sind als Apologetik. Marx nannte das „bezahlte Klopffechterei“. Doch was ist der Ausweg? Wir müssen uns zunächst über folgende Dinge Gedanken machen:
- Die Kriegsproblematik kann und darf keinesfalls ausgeblendet werden. Es ist unübersehbar, daß die aggressivsten imperialistischen Länder immer mehr zu Kriegen drängen und mit aller Macht eine Neuaufteilung der Welt anstreben. Hier geht wie stets in solchen Fällen um Rohstoffquellen und Absatzmärkte. Wie können weitere Kriegsprovokationen und Kriege verhindert werden?
- Die Entwicklung der Produktivkräfte hat in den letzten Jahren zu rasanten Veränderungen geführt. Das betrifft insbesondere die Entwicklungen auf dem Gebiet der Hochtechnologie, der Informations- und Computertechnik, der Chemie- und Pharmaindustrie (um nur einiges zu nennen). Das hat u.a. zu einer deutlichen Veränderung in der Arbeitskräftestruktur geführt. Mittlerweile arbeiten nur noch etwa 2% der Werktätigen in der Landwirtschaft, 18% in der Industrie und der Rest ist im Dienstleistungssektor beschäftigt. Die strukturell in allen Bereichen anwachsende Arbeitslosigkeit führt zu immer mehr Unzufriedenheit und zu Protesten in der zunehmend verarmenden Bevölkerung. Damit ist aber auch festzustellen, daß es ein Industrieproletariat in einer Größenordnung wie zu Lebzeiten Lenins nicht mehr gibt. Es bildet sich ein Lumpenproletariat heraus, und es entstehen massenhaft alimentierte, ungebildete und orientierungslose Bevölkerungsschichten. Sie sind für die faschistische Ideologie besonders anfällig, und das ist eine äußerst gefährliche Entwicklung!
- Ohne eine klare Analyse der beiden vorangegangenen Fragen läßt sich auch die dritte Frage nicht beantworten: Wer gehört heute zur Arbeiterklasse? Wer ist also die vorrangige Zielgruppe? (Klar ist auch, daß man das Nachdenken darüber keinesfalls als Revisionismus abqualifizieren kann!) Ohne eine solche Analyse wird die Verbreitung des Marxismus-Leninismus ins Leere laufen, währenddessen sich die internationale Lage immer mehr zuspitzt. Die Zukunft der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel!
Da die Grundlagen für eine wissenschaftliche Weltanschauung nicht erst im hohen Alter, sondern bereits in der Jugend gelegt werden sollen, halten wir es für sinnvoll, hier einmal die marxistisch-leninistische Theorie aus der Sicht der DDR-Pädagogik zu betrachten. Das Wichtigste ist dabei die zu entwickelnde persönliche Überzeugung, und dann natürlich die Frage: Wovon überzeugen? Klare Antwort: Von der marxistisch-leninistischen Weltanschauung, der Lehre von Marx, Engels, Lenin und Stalin – sie ist ein sicherer Kompaß in die Zukunft der Menschheit!
I. DAS ÜBERZEUGEN
Das Überzeugen ist eine Hauptmethode der marxistischen Pädagogik. Sie ist darauf gerichtet, durch systematische Einwirkung auf das Bewußtsein der Kinder Überzeugungen auszubilden. Dazu wird der Prozeß der Bildung und Erziehung in allen seinen Seiten und Bereichen so organisiert, daß sich die Schüler relativ selbständig von der Richtigkeit bestimmter Kenntnisse überzeugen, durch eigene Erfahrungen und eigenes Denken Überzeugungen erwerben können.
1. Wie entstehen Überzeugungen? Bei der Bildung und Erziehung der Persönlichkeit muß das Überzeugen mit dem Angewöhnen verbunden werden. Das Überzeugen ist nicht ausschließlich dem Bereich der sittlichen Bildung und Erziehung zuzuordnen. Es dient nicht nur der Einwirkung auf die sittliche Person schlechthin, sondern das Überzeugen wird auch im Bereich der ästhetischen, körperlichen, polytechnischen und wissenschaftlich-weltanschaulichen Bildung und Erziehung wirksam und führt zu Überzeugungen niederer oder höherer Qualität, allgemeiner oder spezieller Natur.
2. Der Zusammenhang von Belehrung und eigener Erkenntnis: Bei der Bildung der Kinder werden im Unterricht vielfältige Formen des Belehrens zur Vermittlung von Kenntnissen über Gegenstände und Erscheinungen und ihre Eigenschaften in Natur und Gesellschaft angewendet. Diesen Formen des Belehrens entsprechen auf der Seite der Erziehung die Methoden des Überzeugens von der Richtigkeit bestimmter Zusammenhänge, Gesetzmäßigkeiten und Forderungen an das eigene Verhalten, die sich an die sittliche Person richten.
3. Wozu sind feste Überzeugungen wichtig? Auf der Grundlage der dialektischen Einheit von Bildung und Erziehung geschieht die Entwicklung von Überzeugungen aus Kenntnissen und Erkenntnissen, andererseits sind bereits entwickelte Überzeugungen der Ausgangspunkt zur Aneignung neuer Kenntnisse und Erkenntnisse höherer Qualität. Feste und deutlich umrissene Überzeugungen bilden eine grundlegende Voraussetzung für eine bestimmte Gerichtetheit der Handlungen des Menschen. Besitzen wir klare Grundsätze, von deren Richtigkeit wir überzeugt sind, so sehen wir einen klaren Weg vor uns, der sich zwangsläufig aus unseren Überzeugungen und Grundsätzen ergibt. Wer dagegen keine festen Überzeugungen hat, die ihm eine Richtschnur im Verhalten sind, der schwankt und zweifelt leicht. Überzeugungen spiegeln nicht nur die Wirklichkeit wider, sondern sind Motiv des Handelns, Prinzip der Tätigkeit, Regel des Verhaltens auf der Grundlage der eigenen Beurteilung.
HORST RASCHER
II. WELTANSCHAULICHE BILDUNG UND ERZIEHUNG
Unter Weltanschauung verstehen wir das gesamte System der Meinungen und Überzeugungen, die unsere Beziehungen zur Natur und zur Gesellschaft, sowie unser Verhalten in der Gesellschaft bestimmen. Als Gesamtbild, als allgemeinste Wider-spiegelung der Wirklichkeit, der Natur, der Gesellschaft sowie des Denkens und Handelns der Menschen enthält die Weltanschauung ein System philosophischer Begriffe und Gesetze. Innerhalb dieses Gesamtbildes nehmen Anschauungen vom sittlichen Verhalten des Menschen, moralische Normen und Gesetze der Ethik eine zentrale Stellung ein.
Die wissenschaftliche Weltanschauung – Ziel und Inhalt der weltanschaulichen Bildung und Erziehung aller sozialistischen Menschen – ist der dialektische und historische Materialismus. Er ist die wissenschaftliche Lehre von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Der dialektische und historische Materialismus hat für die Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins grundlegende Bedeutung. Sich seine Lehren anzueignen ist vor allem aus zwei Gründen erforderlich:
- weil der dialektische Materialismus die einzig wissenschaftliche Weltanschauung vermittelt und damit das Rüstzeug gibt, den Sozialismus praktisch aufzubauen, und
- weil er die theoretische Grundlage der sozialistischen Ethik und Moral darstellt.
Die Bedeutung der wissenschaftlichen Weltanschauung für die Jugend wird durch folgende Gedanken besonders betont:
1. Ein gutes Fundament: Indem wir unserer Jugend wesentliche Elemente der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse vermitteln, legen wir ein sicheres Fundament für die freie Entfaltung all ihrer geistigen Kräfte und festigen die Überzeugung, daß sie unter den Bedingungen der Arbeiterklasse mitverantwortlich ist für die Gestaltung unserer sozialistischen Zukunft, die allen Menschen Frieden, Freiheit, Wohlstand und Glück garantiert. Dadurch wird ihr Weg zur politischen Reife, die durch Lebenserfahrung gewonnen wird, stark verkürzt.
2. Nicht dem Selbstlauf überlassen: Weltanschauliche Bildung und Erziehung in der sozialistischen Schule bedeutet, die Jugendlichen so zu bilden und zu erziehen, daß sie sich die theoretischen und methodologischen Erkenntnisse des dialektischen und historischen Materialismus aneignen und sie praktisch anwenden können. Das geschieht nicht im Selbstlauf bei der wissenschaftlichen und politisch-moralischen Bildung und Erziehung in den einzelnen Unterrichtsfächern, sondern erfordert zusätzliche pädagogische Anstrengungen:
- Erstens müssen die Erkenntnisse aus den Einzelwissenschaften philosophisch verallgemeinert werden.
- Zweitens sind alle weltanschaulichen Einzelbeiträge aus den verschiedenen Wissenschaften zu einem systematischen Ganzen zu vereinigen.
- Drittens kommt es darauf an, die weltanschaulichen Einsichten der Heranwachsenden zu Überzeugungen, zu Motiven des Handelns auszuprägen, die eng mit ihren Gefühlen, Willens- und Charaktereigenschaften verbunden sind. Wieweit das gelingt, hängt von der Abstraktions- und Verallgemeinerungsfähigkeit, vom Umfang des Wissens und besonders von der Lebenserfahrung der Schüler ab.
3. Schrittweise Vertiefung: Die Weltanschauung der Jugend ist in jeder Etappe ihrer Entwicklung die Synthese der Aneignung der wissenschaftlichen Kenntnisse von der Natur und der Gesellschaft einerseits und der eigenen praktischen Lebenserfahrung andererseits. Aus diesem Grunde ist es in der allgemeinbildenden Schule auch noch nicht möglich, den dialektischen und historischen Materialismus als philosophisches System insgesamt zu erarbeiten. Den Schülern fehlen die notwendigen umfangreichen wissenschaftlichen Kenntnisse, die Fähigkeit, philosophisch zu verallgemeinern, und vor allem die notwendige vielgestaltige Lebenserfahrung. Die Weltanschauung des Menschen bildet sich hauptsächlich in den Lebensjahren nach der Schulzeit, in denen er verantwortlich an den vielfältigen Aufgaben des gesellschaftlichen Lebens in Wirtschaft, Politik und Kultur beteiligt ist. Die allgemeinbildende Schule kann nur Grundlagen für die wissenschaftliche Weltanschauung legen, Elemente entwickeln, die sich aus dem Unterrichtsstoff und aus dem Verhalten der Schüler Schüler – vor allem außerhalb des Unterrichts – ergeben.
4. Einheit von Weltanschauung und Moral: Die Ziele der weltanschaulichen Bildung und Erziehung in der sozialistischen Schule werden insgesamt durch die philosophischen Lehren des dialektischen und historischen Materialismus bestimmt. Beispielsweise gehören dazu Erkenntnisse über die Materialität der Welt und die dialektische Daseinsweise der Materie mit ihren grundlegenden Gesetzen, über das Verhältnis von Materie und Bewußtsein, über die Erkennbarkeit der Welt und die Rolle der Praxis bei der Erkenntnis sowie bei der Entwicklung der Natur und Gesellschaft, über das Verhältnis von Basis und Überbau, über die Rolle der Volksmassen und der Persönlichkeit in der Geschichte, über die Gesetzmäßigkeit der historischen Entwicklung und den Sieg des Sozialismus. Erkenntnisse über Klassen, Klassenkampf, den Staat und die Rolle der Revolutionen für den gesellschaftlichen Fortschritt, über Recht und Moral.
5. Unerschütterliche Gewißheit über den Sieg des Sozialismus: Jedes Unterrichtsfach und alle Formen der außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung können und müssen ihren spezifischen Beitrag dazu leisten, besonders die mathematisch-naturwissenschaftlichen und polytechnischen Fächer, die im Kampf gegen unwissenschaftliche Anschauungen, Mystizismus und Aberglaube eine grundlegende Rolle spielen. Zu den Zielen der weltanschaulichen Bildung und Erziehung gehört es weiterhin, daß die Schüler die materialistische Dialektik als Methode allen Denkens und Handelns erkennen und schöpferisch anwenden. Und schließlich gilt es, die Heranwachsenden zu lebensbejahenden, optimistischen und revolutionären Marxisten-Leninisten zu erziehen. Einheit von Theorie und Praxis, Parteilichkeit, klarer Blick für das Leben – so wie es ist, mit allen seinen Widersprüchen – Schöpfertum, Kampfentschlossenheit, Initiative und Schwung, Orientierung auf das Neue und unerschütterliche Gewißheit, daß der Sozialismus siegt, kennzeichnen einen solchen Menschen.
6. Denken im Zusammenhang: Der Prozeß der weltanschaulichen Bildung und Erziehung beginnt mit der Vermittlung und Aneignung von Kenntmssen aus den Einzelwissenschaften und mit einzelnen praktischen Erfahrungen in den verschiedensten Lebensbereichen. Exakte natur- und gesellschaftswissenschaftliche Kenntnisse sowie bewußt durchdachte persönliche Erfahrungen sind das Fundament für weltanschauliche Erkenntnisse und Überzeugungen. Doch damit allein sind die Ziele der weltanschaulichen Bildung und Erziehung nicht zu erreichen. Verallgemeinerungen, Begriffen, Regeln und Gesetzen in den einzelnen Fächern müssen weltanschauliche Schlußfolgerungen, Bemühungen um die Ausbildung philosophischer Abstraktionen besonders beigefügt werden. Die Ziele der weltanschaulichen Bildung und Erziehung werden nicht spontan durch die einfache Summierung einzelwissenschaftlicher und praktischer Elemente erreicht, sondern es ist zusätzliche, ergänzende, verallgemeinernde und systematisierende Arbeit des Lehrenden erforderlich, um einzelne philosophische Erkenntnisse – gleichsam als Bausteine, der wissenschaftlichen Weltanschauung – zu gewinnen. Aber auch damit ist es nicht getan…
7. Auf dem Weg zu einer sozialistischen Persönlichkeit: Weltanschauliche Einsichten sollen zu Überzeugung, zu Motiven des Handelns, zum Charakterzug werden. Das ist nur möglich, wenn die Lehrenden vielfältige Mittel emsetzen: Ihre persönliche Autorität, die Macht theoretischer Argumente, fortwährende Bestätigung der Erkenntnisse in der Praxis, viel Beispielmaterial, die Wirkung von Vorbildern und Gewohnheiten der Schüler. Besonders wichtig ist es, daß sich die Schüler weltanschauliche Einsichten und Überzeugungen in der Auseinandersetzung mit unwissenschaftlichen Ansichten erwerben, daß ihre Weltanschauung im Kampf der Meinungcn entsteht, beispielsweise beim Widerlegen irrationalistischer und mystischer Position mit Hilfe der Argumente des dialektischen und historischen Materialismus.
8. Wann ist der Prozeß abgeschlossen? Wenn sich die Schüler Grundlagen der Wissenschaft und Tecnnik, der Künste und Sprachen aneignen und weltanschaulich verallgemeinern sowie ihre Einsichten in der Praxis, beispielsweise in der gesellschaftlich-nützlichen Arbeit anwenden, lernen sie auch dialektische Methode beherrschen und gewinnen die Lebenseinstellung eines Marxisten-Leninisten, wie es das Ziel der weltanschaulichen Bildung und Erziehung fordert. Dieser Prozeß erstreckt sich über die ganze Schulzeit und ist auch dann noch nicht abgeschlossen. Bei der weltanschaulichen Bildung und Erziehung gibt es in der pädagogischen Theorie und in der Schulpraxis noch viele Probleme: weltanschauliche Potenzen der Unterrichtsstoffe, Zeitpunkt und spezifische Qualität weltanschaulicher Belehrungen in den einzelnen Schuljahren, Probleme der Faßlichkeit und die Gefahr, weltanschauliche Erkenntnisse zu vulgarisieren, Erscheinungen des Verbalismus und leichtfertiger Verallgemeinerung zu weniger theoretischer und praktischer Beispiele, Fragen der Planung der weltanschaulichen Bildung und Erziehung über die ganze Schulzeit sowie Fragen der Systembildung aller weltanschaulichen Erkenntnisse im Bewußtsein usw.
KARLHEINZ TOMASCHEWSKY
Quelle:
Pädagogische Enzyklopädie (2 Bde.). VEB Verlag Deutscher Wissenschaften, Berlin, 1963, Bd.2, S.1033-1036 und S.955-959.
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