Der Absturz ins Irreale – oder: Was ist Kunst?

kleckselei

Ist das vielleicht schon Kunst? Dieses Geschnipsel ist ein Ausschnitt aus dem „Werk“ eines bislang unbekannten Künstlers…

Über die Perspektiven von Kunst und Kultur in unserer Zeit

Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiten. Doch was ist Kunst. Wir erleben es immer wieder – inhaltsleere „Installationen“, Plastikfiguren auf grüner Wiese, unverständliche und bizarre Bilder, kitschige Formen, überdimensionale nackte Körper, sexistische „Präsentationen“… oder auch Lieder mit sinnlosen oder anspruchslosen Texten (oft in unverständlichem Englisch), Kunstfertigkeit ohne Ausdruck, Bewegung um der Bewegung willen (L’art pour l’art), Kreativität ohne Ziel und ohne Absicht – der Markt der Sensationen ist überschwemmt von derartigen Dingen. Darunter freilich auch Spaßiges und Unterhaltsames, Großartiges und Einmaliges. Und die Urteile darüber? Sie könnten oft gegensätzlicher und widersprüchlicher nicht sein: von absolutem Verriß bis zu heller euphorischer Begeisterung. Alles ist möglich. Beispiele gefällig – hier sind sie?

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Das Beste unter all den künstlerischen Produktionen sind immer noch diejenigen Kunstwerke, die einfach nur schön sind, harmonisch, oder eben hochemotional und bewegend. Und es gibt sie tatsächlich, diese wirklich großartigen Kunstwerke. Und es gab sie zu allen Zeiten, selbst im finstersten Mittelalter. Sei es in der bildenden oder in der darstellenden Kunst, sei es in der Musik oder in der Poesie. Doch der übergroße Rest ist einfach nur Müll, erdacht und gemacht zum Zwecke des möglichst profitablen Verkaufs. Eine Provokation? Wohl kaum. Wir leben heute in einer „Wegwerfgesellschaft“, wo der Augenblick nur zählt, wo selbst der Preis für Beständiges, für wirklich Wertvolles vom Markt diktiert wird – ausschließlich vom Markt! Und Masse macht nicht besser, was ohnehin nichts taugt. „Kulturinfarkt“? – Nein! Der drohende Infarkt ist viel mehr ein sozialökonomischer, denn ein kultureller! Die vorherrschende kulturelle Dekadenz ist nur ein schwacher Ausdruck der ökonomischen Entfremdung. Wie werden wir diesen allgemeinen Kulturverfall überwinden können? Wann wird auch der Künstler endlich frei sein können, frei vom Gedanken ans Überleben, an seine materielle Existenz? Wann wird die Kunst dem Volke dienlich sein, anstatt dem Mammon? Im Jahre 1965 machte sich ein Kollektiv marxistisch-leninistischer Kunstwissenschaftler in der DDR Gedanken über die Perspektiven einer wirklich freien, einer neuen und großartigen, einer sozialistischen Kultur und Kunst. Wir waren in der DDR Besseres gewohnt, als den Schrott den man uns heute als „Kunst“ verkauft.

Bernsteins Irrtum vom „Hineinwachsen“ in den Sozialismus

Die Leninsche Auffassung von der kulturellen Revolution entfaltete sich in schärfster Auseinandersetzung mit den Theorien und Praktiken des internationalen Revisionismus, besonders Bernsteins und seiner Anhänger. Nach der Meinung Bernsteins hing die Möglichkeit des „friedlichen Hineinwachsens“ in den Sozialismus im besonderen Maße vom Niveau der „Bildung“, der „intellektuellen Reife“ der Arbeiterklasse ab – wobei letztere jedoch nichts mit der Reife des proletarischen Klassenbewußtseins zu tun hatte, sondern mit einem hohen „allgemeinen“, das bedeutet aber bürgerlichen „Kulturniveau“. Im Grunde hat diese Konzeption des Bernsteinianertums nichts anderes zum Inhalt, als von der Stärkung des bürgerlichen Einflusses auf die Arbeiterbewegung die Herbeiführung des Sozialismus zu erwarten. Bernstein selbst machte hinreichend klar, daß diese Anschauung die Verschiebung der sozialistischen Revolution auf den St. Nimmerleinstag bedeutet.

„So wird das nie was, Herr Bernstein!“

In seinen berüchtigten „Voraussetzungen des Sozialismus“ heißt es: „Wir können nicht von einer Klasse, deren große Mehrheit eng behaust lebt, schlecht unterrichtet ist, … jenen hohen moralischen und intellektuellen Stand verlangen, den die Einrichtung und der Bestand eines sozialistischen Gemeinwesens voraussetzen.“ [1] Diese Gedanken wurden zur „theoretischen“ Grundlage einer kulturpolitischen Praxis, die zu allgemeinen „Kulturbemühungen“, zu einer „Bildung um der Bildung willen“ führte – einer „Bildungsarbeit“, die unter kapitalistischen Bedingungen einen bürgerlichen Inhalt hat und die Kraft der Arbeiterklasse im Kampfe gegen die Bourgeoisie lähmt.

Ohne proletarische Revolution gibt es keine wirkliche Kultur

Rückschauend schrieb Lenin über diese Fragen: „Wenn zur Schaffung des Sozialismus ein bestimmtes Kulturniveau notwendig ist (obwohl niemand sagen kann, wie dieses bestimmte ‚Kulturniveau’ aussieht…), warum sollten wir also nicht damit anfangen, auf revolutionärem Wege die Voraussetzungen für dieses bestimmte Niveau zu erringen, und dann schon, auf der Grundlage der Arbeiter- und Bauernmacht und der Sowjetordnung, vorwärtsschreiten .. .“ [2] Schon in seinen Aufsätzen über Tolstoi legte Lenin dar: „Damit seine großen Werke wirklich zum Gemeingut aller werden, ist Kampf und noch einmal Kampf gegen eine Gesellschaftsordnung notwendig, die Millionen und aber Millionen zu Unwissenheit, Unterdrückung, Zwangsarbeit und Elend verurteilt, ist der sozialistische Umsturz notwendig.“ [3]

…und ohne eine kulturelle Revolution gibt es keinen Sozialismus

Lenin lehrte, daß die Frage der Macht die Kernfrage der sozialistischen Revolution ist. Aber zur Ausübung und Festigung der Macht, zur vollständigen sozialistischen Umgestaltung, bedarf es der Verwirklichung der kulturellen Revolution. Das liegt im Wesen der Diktatur des Proletariats – der politischen Herrschaft der Arbeiterklasse begründet. „Die Diktatur des Proletariats“, schrieb Lenin, „ist ein zäher Kampf, ein blutiger und unblutiger, gewaltsamer und friedlicher, militärischer und wirtschaftlicher, pädagogischer und administrativer Kampf gegen die Mächte und Traditionen der alten Gesellschaft.“ [4] Die Durchführung der kulturellen Revolution ist nach der Leninschen Auffassung eine unabdingbare, notwendige Aufgabe, unerläßlich für die Festigung der Diktatur des Proletariats und die Stärkung ihrer proletarischen Klassenbasis, für die Brechung des Widerstands der politisch gestürzten, ökonomisch entmachteten, aber immer noch mächtigen Ausbeuter.

Ein langwieriger kultureller Erziehungsprozeß

Lenin bewies die Notwendigkeit, daß man „in langwierigen Kämpfen, auf dem Boden der Diktatur des Proletariats, auch die Proletarier selbst umerziehen muß, die sich von ihren eigenen kleinbürgerlichen Vorurteilen nicht auf einmal, nicht durch ein Wunder, nicht auf Geheiß der Mutter Gottes, nicht auf Geheiß einer Losung, einer Resolution, eines Dekrets befreien; sondern nur in langwierigen und schwierigen Massenkämpfen gegen den Masseneinfluß des Kleinbürgertums.“ [5] Dazu ist in hervorragendem Maße kulturelle Arbeit notwendig, geradeso, wie sie notwendig ist, um den Widerstand der gestürzten Ausbeuterklassen endgültig zu beseitigen.

Wie soll das geschehen?

Lenin forderte, daß man „unter der Diktatur des Proletariats Millionen Bauern und Kleinproduzenten, Hunderttausende Angestellte, Beamte, bürgerliche Intellektuelle umerziehen und sie alle dem proletarischen Staat und der proletarischen Führung unterstellen…“ muß, wenn man „in ihnen die bürgerlichen Gewohnheiten und Traditionen … besiegen“ [6] will. Auch daraus leitet sich die Notwendigkeit der sozialistischen Kulturrevolution ab.

Für die sozialistische Umgestaltung in der Landwirtschaft

Lenins Werk beweist: es gibt nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats und der Eroberung der Kommandohöhen in der Wirtschaft keine Grundfrage der sozialistischen Umwälzung, die ohne die Revolution auf dem Gebiet der Ideologie und Kultur vollständig gelöst werden könnte. In hervorragendem Maße trifft dies auf die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft zu. Lenin stellte in seiner berühmten Programmschrift „Über das Genossenschaftswesen“ fest, daß eine der wichtigsten Aufgaben des sozialistischen Aufbaus in der „kulturellen Arbeit für die Bauernschaft“ besteht.

„Und diese kulturelle Arbeit unter der Bauernschaft verfolgt als ökonomisches Ziel eben den genossenschaftlichen Zusammenschluß. Bei einem vollständigen genossenschaftlichen Zusammenschluß stünden wir bereits mit beiden Füßen auf sozialistischem Boden. Aber diese Voraussetzung, der vollständige genossenschaftliche Zusammenschluß, schließt ein derartiges Kulturniveau der Bauernschaft (eben der Bauernschaft als der übergroßen Masse) in sich ein, daß dieser vollständige genossenschaftliche Zusammenschluß ohne die ganze Kulturrevolution unmöglich ist.“

„Unsere Gegner“, fährt Lenin fort, „hielten uns oft entgegen, es sei ein sinnloses Beginnen von uns, in einem Lande mit ungenügender Kultur den Sozialismus einführen zu wollen. Aber sie irrten sich, und zwar deshalb, weil wir nicht an dem Ende anfingen, an dem es nach der Theorie (von allerlei Pedanten) hätte geschehen sollen, und weil bei uns die politische und soziale Umwälzung jener kulturellen Umwälzung, jener Kulturrevolution vorausging, der wir jetzt dennoch gegenüberstehen. Uns genügt nun diese Kulturrevolution, um ein vollständig sozialistisches Land zu werden…“ [7] Die historische Entwicklung hat diese Voraussage Lenins glänzend bestätigt.

Für ein hohes Bildungs- und Kulturniveau der Volksmassen

In jeder sozialistischen Revolution trete, schrieb Lenin 1918, nachdem die Aufgabe der Eroberung der Macht durch das Proletariat entschieden ist und in dem Maße, wie die Aufgabe der Expropriation der Expropriateure in der Hauptsache und im wesentlichen gelöst wird, notwendigerweise die Grundaufgabe der Schaffung einer Gesellschaftsformation in den Vordergrund, die höher ist als der Kapitalismus: „…die Steigerung der Arbeitsproduktivität und im Zusammenhang damit (und zu diesem Zweck) die höhere Organisation…“ Diese Leistung setzt, neben der Sicherung der materiellen Grundlagen der Großindustrie, vor allem die „Hebung des Bildungs- und Kulturniveaus der Masse der Bevölkerung“ voraus. [8]

Für eine neue, eine sozialistische Kunst

Schließlich stellte Lenin umfassende Aufgaben, eine sozialistische Kultur herauszuarbeiten und allseitig zu entwickeln, die der bürgerlichen Kultur überlegen ist, und er begleitete mit größtem, aktivem Interesse alle Probleme der Herausbildung einer neuen, sozialistischen Kunst. Er durchleuchtete die neue Stellung des Künstlers in der sozialistischen Gesellschaft, deckte auf, daß in einer Gesellschaft des Privateigentums der Künstler Waren für den Markt produziert, daß er Käufer braucht. „Unsere Revolution hat den Druck dieses sehr prosaischen Standes der Dinge von den Künstlern genommen. Sie hat den Sowjetstaat zu ihrem Schützer und Auftraggeber gemacht.“ [9] Dabei betonte Lenin energisch, daß nur die breiteste Volksbildung und Volkserziehung – gesichertes Brot vorausgesetzt –, daß nur die Befriedigung des Anrechts der Arbeiter und Bauern auf echte, große Kunst jenen Kulturboden zu schaffen vermag, „auf dem eine wirklich neue, große Kunst erwachsen wird, eine kommunistische Kunst, die ihrem Inhalt entsprechend auch die Formen gestaltet“. [10]

Weg von der bürgerlichen Dekadenz!

In scharfer Abwehr aller Tendenzen des Proletkults einerseits, der Einflüsse der Dekadenz und der „konventionellen Kunstheuchelei“ wie des „Respekts“ vor der „Kunstmode im Westen“ andererseits, wies Lenin nach, daß die sozialistische Kultur und Kunst alles wertvolle Erbe der Vergangenheit in sich aufnimmt, verarbeitet und fortführt. „Man soll Schönes erhalten, zum Muster nehmen, daran anknüpfen, auch wenn es ,alt’ ist. Warum sich von wirklich Schönem abkehren und es als Ausgangspunkt weiterer Entwicklung ein für allemal verwerfen, nur weil es ,alt’ ist?“

Wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen…

Und Lenin wies nachdrücklich darauf hin, daß der ganze Prozeß des Aufbaus und der Entwicklung einer neuen, sozialistischen Kunst nur unter der Leitung der Partei erfolgen kann: „…wir sind Kommunisten. Wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen und das Chaos gären lassen, wie es will. Wir müssen auch diese Entwicklung bewußt, klar zu leiten und ihre Ergebnisse zu formen, zu bestimmen suchen.“ [11]

Nur so kann sich eine sozialistische Kultur und Kunst entfalten, die sich alle Ergebnisse der vielhundertjährigen Geschichte der menschlichen Kultur aneignet und sie verarbeitet, sie mit den Erfahrungen des Kampfes der Arbeiterklasse und der Diktatur des Proletariats verbindend. Nur so kann eine sozialistische Literatur und Kunst entstehen, die erfüllt ist von konsequenter leninistischer Parteilichkeit, die sich von der Sklaverei der Bourgeoisie frei macht und mit der Bewegung der fortgeschrittensten, bis zu Ende revolutionären Klasse verschmilzt.

Eine Kunst – frei von Gewinnsucht und Karriere

Die Umrisse einer solchen Literatur und Kunst zeichnete Lenin schon im Jahre 1905 in seinem berühmten Artikel „Parteiorganisation und Parteiliteratur“: „Das wird eine freie Literatur sein, weil nicht Gewinnsucht und nicht Karriere, sondern die Idee des Sozialismus und die Sympathie mit den Werktätigen neue und immer neue Kräfte für ihre Reihen werben werden. Das wird eine freie Literatur sein, weil sie nicht einer übersättigten Heldin, nicht den sich langweilenden und an Verfettung leidenden ‚oberen Zehntausend’ dienen wird, sondern den Millionen und aber Millionen Werktätigen, die die Blüte des Landes, seine Kraft, seine Zukunft verkörpern. Das wird eine freie Literatur sein, die das letzte Wort des revolutionären Denkens der Menschheit durch die Erfahrung und die lebendige Arbeit des sozialistischen Proletariats befruchten und zwischen der Erfahrung der Vergangenheit … und der Erfahrung der Gegenwart… eine ständige Wechselwirkung schaffen wird.“ [12] So wurden im Werke der Klassiker des Marxismus-Leninismus die grundsätzlichen Aufgaben der sozialistischen Kulturrevolution, ihre Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, ihr Platz in der Gesamtheit der sozialistischen Umwälzung und ihre Beziehung zu den anderen grundlegenden Aufgaben der sozialistischen Revolution bestimmt.

Quelle:
Kollektivarbeit unter Leitung von Prof.Dr. Horst Keßler und Dr.Fred Staufenbiel:
Kultur in unserer Zeit, Dietz Verlag GmbH, Berlin (DDR), 1965, S.34-39.
(Zwischenüberschriften von mir, N.G.)

Zitate:
[1] Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899, S. 186.
[2] W.I. Lenin: Über unsere Revolution. In: Werke, Bd. 33, S. 464/465.
[3] W.I. Lenin; L.N. Tolstoi. In: Werke, Bd.16, S. 327.
[4] W.I. Lenin: Der „linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus. In: Werke, Bd.31, S.29
[5] Ebenda, S.103
[6] Ebenda, S.104/105.
[7] In: W.I. Lenin: Werke, Bd.33, S.460/461.
[8] W.I. Lenin: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. In: Werke, Bd.27, S.247 u. 248.
[9] Clara Zetkin: Erinnerungen an Lenin, Dietz Verlag, Berlin 1961, S.16.
[10] Ebenda, S. 21.
[11] Ebenda. S.16.
[12] W.I. Lenin: Werke, Bd.10, S.34

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