Wegschauen oder kämpfen? Diese Frage bewegt viele, die heute mit wachen Augen die Ereignisse in der Welt verfolgen. Man muß mit den Menschen reden… Die Erinnerungen sowjetischer Partisanen aus dem Großen Vaterländischen Krieg haben uns noch manches zu sagen, nicht nur wenn es um Haltungen und Aktivitäten von Menschen in einem Volkskrieg gegen einen imperialistischen Aggressor geht. Die Wende im Kriegsverlauf 1942 und der Übergang der Sowjetarmee zur Offensive wirkte sich auch auf den Partisanenkampf aus. Was diesen Erinnerungsband auszeichnet, ist seine Lebensnähe. Saburow war Kommunist. Überall spürt man die Warmherzigkeit des Autors, die gepaart ist mit kommunistischem Verantwortungsbewußtsein und militärischem Können. Der Generalmajor Alexander Nikolajewitsch Saburow, einer der bekannstesten sowjetischen Partisanenkommandeure berichtete in seinen Aufzeichnungen folgende Begebenheit:
Der Alte schwieg lange. Ich drängte ihn nicht weiterzureden. Ich fühlte, er werde mir schon anvertrauen, was ihn bedrückte. Und wirklich, es dauerte nicht lange, und er taute auf.
«Kennst du beispielsweise das Dorf Simonowitschi?» fragte er.
«Nur auf der Karte.»
«Das solltest du aber wissen: Dort hat ein Strafkommando alle Leute, die nicht mehr rechtzeitig weglaufen konnten, erschlagen und das Dorf völlig eingeäschert. Den Toten haben sie die Köpfe abgeschlagen und auf Pfähle aufgespießt. War das ein entsetzlicher Anblick: Menschenköpfe auf Pfählen. Es sah aus, als ob sie noch lebten. Ihre Augen schauten nach allen Seiten, durch ihre Haare fuhr der Wind. Und weshalb haben die Bestien das getan? Weil die Leute aus dem Dorf keine warmen Sachen abgegeben hatten, wie ihnen befohlen worden war. Es kamen nur zwei Paar alte Filzstiefel und drei oder vier Pelzjacken zusammen. Was haben wir für Menschen!»
Kolos schaute ins Feuer. Sein Gesicht war starr und düster.
«Bei Lojew seid ihr über den Dnepr gekommen?» Ich nickte schweigend.
«Weißt du, wie viele Menschen danach in Lojew von Strafkommandos erschossen wurden, weil sie euch beim Übersetzen geholfen haben? Und so war es überall.»
Großvater Kolos sprach leise und monoton. Aber es schien, als würde er jedes Wort herausschreien. Bis jetzt hatte ich gedacht, daß es die Partisanen viel schwerer hätten als die Leute im Hinterland des Gegners. Erst jetzt begriff ich, daß das nicht stimmte. Wieviel schwerer hatten es die unbewaffneten, schutzlosen Menschen, an denen die gereizten faschistischen Bestien ihre Wut ausließen. Dennoch fürchteten sie sich nicht und halfen den Partisanen.
«Du hast recht, Großvater: Wir haben großartige Menschen», sagte ich.
«Unser Volk ist wirklich heldenhaft. Es erträgt alles. Aber hör trotzdem auf mich alten Mann, Kommandeur!» Kolos stand auf und sah mich streng an. «Es wäre besser, wenn ihr in kleinen Gruppen und in aller Stille kämpftet. Dann zieht ihr nicht so viele Faschisten auf euch. Für euch ist es leichter und für das Volk weniger gefährlich. Sonst heißt es noch: Die Partisanen kommen und gehen. Und wer muß die Rechnung bezahlen? Nimm mir diese offenen Worte nicht übel! Wenn ihr nicht nach Kartenitschi gekommen wäret, hätten wir vielleicht irgendwie leben können, bis die Rote Armee da ist. Mit den Slowaken wären wir schon ausgekommen.»
«Ach, Großvater! Du hast viel auf der Welt erlebt und redest solchen Unsinn. Überleg mal, was du sagst! Mit den Slowaken willst du auf die Rote Armee warten? Wer sind denn die Slowaken? Wem dienen sie denn?»
«Das weiß ich nicht. Einem fremden Menschen schaust du nicht ins Herz. Für uns in Kartenitschi ist jetzt sowieso alles aus. Kommandeur, kümmere dich um die anderen, bring nicht den Tod über sie!»
«Du wiederholst immer dasselbe», sagte ich ärgerlich. «Und wenn die Partisanen die Wälder besetzen und die Sowjetmacht wiederherstellen?»
«Wenn du nicht von hier weggehst, sieht die Sache natürlich anders aus. Aber ob eure Kraft dazu reicht?»
Ich erzählte von unserer Partisanenregion in den Brjansker Wäldern, den wieder-hergestellten Dorfsowjets, den Kolchosen und den Schulen. Der Großvater wurde lebhaft.
«Dann gib mir eine Waffe! Und du kämpfe, wie es sich gehört, für das Volk! Unser Volk ist gut, es wird dir immer helfen. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Was deine Jungs wollen, das wollen auch wir!»
Das Gespräch mit Großvater Kolos dauerte lange, aber ich trauerte der Zeit nicht nach. Der Alte erzählte mir von den hiesigen Menschen, von den unter Naturschutz stehenden Wäldern inmitten der Felder und Wiesen, und er verriet mir, wo wir im Wald unsere Lager aufschlagen konnten.
«Gut, daß wir miteinander gesprochen haben», schloß der Großvater. «In meinem alten Kopf ist es hell geworden. Und das Leben scheint fröhlicher zu werden.»
Der Alte ging hinaus. Vom Fenster aus sah ich, daß vom Hof des gegenüberliegenden Hauses ein Wagen fuhr, der bis oben mit Heu und Hausrat beladen war. …
Quelle:
A.N.Saburow, Partisanenwege, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1982, S.85-87.
Siehe auch:
Soja Kosmodemjanskaja – unvergessene Heldin der Sowjetunion
Pater Pawel – ein sowjetischer Held
Pingback: Aus den Erinnerungen sowjetischer Kommunisten: Partisanenführer „Batja“ | Sascha's Welt