Ohne die Kenntnis einer wissenschaftlichen Weltanschauung (d.h. ohne Marxismus-Leninismus) ist es unmöglich, den Kapitalismus in seiner höchsten und letzten Stufe zu überwinden. Und das wird keineswegs im Selbstlauf geschehen. Darüber gibt es in der Biografie von Friedrich Engels einiges nachzulesen, was auch heute noch aktuell ist, da wir in der gesellschaftlichen Entwicklung nach dem Ende des Sozialismus auf deutschem Boden, nach der offenen Konterrevolution von 1989, um gute 100 Jahre zurückgefallen sind. Der Sozialismus war bei allen Problemen und Widersprüchen die bisher fortschrittlichste Gesellschaftsformation der Geschichte, da sich die entscheidenden Produktionsmittel, die Betriebe und Maschinen, die Banken, Immobilien, Wälder, Seen, Grund und Boden in den Händen der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauern befanden.
So war es jedenfalls in der DDR…
Da lesen wir also folgendes:
Über die Aneigung des wissenschaftlichen Kommunismus
Engels verstand es wie kein anderer außer Marx, die Eisenacher zur Aneignung des wissenschaftlichen Kommunismus anzuspornen „Es wird namentlich die Pflicht der Führer sein, (…) sich mehr und mehr von dem Einfluß überkommener, der alten Weltanschauung angehöriger Phrasen zu befreien und stets im Auge zu behalten, daß der Sozialismus, seitdem er eine Wissenschaft geworden auch wie eine Wissenschaft betrieben, d.h. studiert werden will“ [1], erklärte er und leistete selbst einen entscheidenden Beitrag zur Verbreitung des wissenschaftlichen Kommunismus in den Reihen der Eisenacher Partei. (…)
Friedrich Engels war ein glänzender Publizist
Seine Mitarbeit am „Volksstaat“ machte die Zeitung für die damalige Zeit zu einem der besten Presseorgane nicht nur Deutschlands, sondern der gesamten internationalen Arbeiterbewegung. (…) Er versorgte die Zeitung mit einer Reihe glänzender publizistischer Arbeiten, die sich durch eine teils mit überlegenem Humor, teils mit bissiger Ironie geführte Polemik gegen die der Arbeiterklasse feindlichen Auffassungen auszeichneten. Für die Partei waren diese Beiträge Engels’ sowohl in ihrem Kampf gegen die Ideologie des reaktionären Preußentums als auch gegen den Lassalleanismus, gegen den Vulgärdemokratismus und alle anderen Spielarten bürgerlicher wie kleinbürgerlicher Ideologie von unschätzbarem Wert. Sie waren um so bedeutungsvoller, als seit der Pariser Kommune die herrschenden Klassen in der geistigen Auseinandersetzung ihre Anstrengungen verstärkten, um einen ideologischen Einbruch in die sich formierenden Arbeiterparteien zu erzielen. Unfähig, die fortschreitende Vereinigung des wissenschaftlichen Kommunismus mit der Arbeiterbewegung zu verhindern, traten die bürgerlichen Ideologen als Apologeten der bestehenden Zustände auf und wurden so zu aktiven Propagandisten des Nationalismus und Chauvinismus. Der Antisozialismus nahm organisierte Formen an, die Bekämpfung des wissenschaftlichen Kommunismus wurde zu einem Wesenszug der bürgerlichen Ideologie.
Polemik gegen die bürgerlichen Sozialreformer
Engels’ außerordentliche Fähigkeit, die Polemik mit der Darstellung seines eigenen Standpunktes, die Klärung aktueller Fragen des Klassenkampfes mit der Erläuterung der Grundsätze des wissenschaftlichen Kommunismus zu verbinden, zeigte sich erneut in seiner Artikelserie „Zur Wohnungsfrage“, die vom Sommer 1872 bis zum Frühjahr 1873 im „Volksstaat“ erschien. Engels griff damit in eine Diskussion ein, die damals in der Presse und auf Versammlungen eine große Rolle spielte. Im Gefolge des sprunghaften Aufschwungs der Industrie und der damit verbundenen Zusammenballung des Proletariats in den industriellen Zentren hatte das Wohnungselend der Arbeiterklasse Anfang der siebziger Jahre in Deutschland katastrophale Ausmaße angenommen. In dieser Situation traten Sozialreformer, die sogenannten Kathedersozialisten – eine Gruppe von bürgerlichen Professoren – auf und propagierten verschiedenartige Projekte zur angeblichen Lösung der Wohnungsfrage wie überhaupt der sogenannten Arbeiterfrage. Doch alle diese Projekte ließen samt und sonders das kapitalistische Eigentum und die bürgerliche Gesellschaftsordnung unangetastet.
Engels erkannte sofort, daß der Gegner bekämpft werden muß, ehe ihm auch nur der geringste Einbruch in die Reihen der Partei gelang.
In seiner Polemik mit den Vertretern des Proudhonismus der in den romanischen Ländern die Ausbreitung des Bakunismus gefördert hatte und sich mit den lassalleanischen Auffassungen in mancher Hinsicht berührte, stellte Engels fest, daß die Lehren sowohl Proudhons als auch Lassalles den praktischen Erfordernissen des revolutionären Klassenkampfes widersprachen. Um diese Behauptung zu beweisen, ging er ausführlich auf Marx’ ökonomisches Hauptwerk, auf das „Kapital“, ein. Er erläuterte die Grundgedanken dieser genialen Kritik an der kapitalistischen Produktion und machte den theoretischen Reichtum des „Kapitals“ für die unmittelbaren Bedürfnisse des politischen Kampfes der Arbeiterklasse nutzbar. Auf diese Weise trug er zur Verbreitung der Lehren des „Kapitals“ in Deutschland bei, als hier gerade die zweite Auflage erschien.
Engels entlarvte die Verschleierungstaktiken der Bourgeoisie…
Am Beispiel der Wohnungsfrage demonstrierte Engels, daß jede einseitige Hervorkehrung und Verabsolutierung einzelner soziale Maßnahmen nur dazu führt, die Ausbeutung zu verschleiern. Eben das sei das Ziel jener bürgerlichen Sozialreformer, die sich in der Öffentlichkeit als Arbeiterfreunde gebärdeten. Engels’ Untersuchungen endeten mit dem Nachweis, daß die revolutionäre Klassenpolitik des Proletariats nicht durch eine Politik der Reformen ersetzt werden könne, denn „nicht die Lösung der Wohnungsfrage“, schrieb er, „löst zugleich die soziale Frage, sondern erst durch die Lösung der sozialen Frage, d.h. durch die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, wird zugleich die Lösung der Wohnungsfrage möglich gemacht“ [3].
Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats
Ausgehend von den Erfahrungen der Pariser Kommune, erläuterte Engels seinen Lesern die „Notwendigkeit der politischen Aktion des Proletariats und seiner Diktatur“ [4] – eine Erkenntnis, de Marx und er bereits im „Manifest der Kommunistischen Partei“ formuliert hatten. Für die Eisenacher Partei schlußfolgerte Engels aus den Erfahrungen der Kommunarden: „Da jede politische Partei darauf ausgeht, die Herrschaft im Staat zu erobern, so strebt deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei notwendig ihre Herrschaft, die Herrschaft der Arbeiterklasse, also eine Klassenherrschaft an.“ [5] Der erneute Hinweis, daß die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise und der Aufbau des Sozialismus erst dann möglich sind, wenn die Arbeiterklasse im Staat die Macht in Form der Diktatur des Proletariats ausübt, war für die Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Strategie und Taktik der deutschen Arbeiterpartei sehr wichtig.
Revolutionäre Arbeitereinheit nur auf Grundlage des wiss.Kommunismus
Wenige Monate, nachdem der letzte Artikel über die Wohnungsfrage im „Volksstaat“ erschienen war, entwickelte Engels in einem Brief an Bebel ausführlich seine Ansichten über die von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gegenüber den Lassalleanern einzuschlagende Taktik. Engels trat ebenso wie Marx für eine Vereinigung der beiden Arbeiterorganisationen zu einer einheitlichen Partei ein. Doch stand für ihn fest, daß die revolutionäre Arbeitereinheit nur von Dauer sein konnte, wenn sie auf der Grundlage des wissenschaftlichen Kommunismus zustande kam. Als Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf der Eisenacher Partei um die revolutionäre Arbeitereinheit betrachtete Engels daher die Festigung ihrer eigenen Position in der Arbeiterklasse. Die Partei durfte deshalb ihre politische Aktivität nicht einseitig auf den lassalleanischen Arbeiterverein konzentrieren. Es kam vor allem darauf an, jetzt die Teile des Proletariats, die von der Arbeiterbewegung überhaupt noch nicht erfaßt waren, einzubeziehen.
Engels warnte vor der „Einheit um jeden Preis“
Eindringlich warnte Engels vor den „Einigungsfanatikern“. Am Beispiel der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung erläuterte er Bebel, daß eine Einheit um jeden Preis dem revolutionären Proletariat nur Schaden zufüge und daß es im politischen Kampf Situationen gebe, „wo man den Mut haben müsse, den augenblicklichen Erfolg wichtigeren Dingen zu opfern“ [6]. Engels’ Ratschläge gipfelten in der Feststellung: „Jedenfalls glaube ich, daß die tüchtigen Elemente unter den Lassalleanern Ihnen mit der Zeit von selbst zufallen werden und daß es deshalb unklug wäre, die Frucht vor der Reife zu brechen, wie die Einigungsleute wollen.“ [7].
Engels tat selbst, was er konnte, um die ideologischen und politischen Voraussetzungen für die Herstellung der revolutionären Arbeitereinheit zu schaffen.
[1] Friedrich Engels, Ergänzung zu „Der deutsche Bauernkrieg“. In: MEW, Bd.18, S.517.
[2] ders., Vorwort „Zur Wohnungsfrage“. In: MEW, Bd.18, S.64.
[3] ders., Zur Wohnungsfrage. In: MEW, Bd.18, S.243.
[4] ebd., S.266.
[5] ebd., S.267.
[6] Engels an Bebel, 20. Juni 1973. In: MEW, Bd. 33, S.590.
[7] ebd., S.591.
Quelle:
Autorenkolektiv: Friedrich Engels – Eine Biografie. Dietz Verlag, Berlin (DDR), 1984, S.420-424. (Zwischenüberschriften von mir, N.G.)
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