Jarosław Hałan: Aufstieg und Fall des deutschen Faschismus

Dresden1945

Dresden 1945 – nach den Bombenangriffen der USA und Großbritanniens auf die Zivilbevölkerung

In seinem Bericht über einen der Tage während des Nürnberger Tribunals, wo über die deutschen Nazi- und Kriegsverbrecher Gericht gehalten wurde, schreibt der sowjetische Publizist Jarosław Hałan: „Gemeinsam mit den im Gerichtssaal Anwesenden und den Mitgliedern des Internationalen Gerichtshofs sahen auch die Gangster auf der Anklagebank diesen Film. … Es ist zu bezweifeln, daß dies ihre Stimmung hob. Gewiß glaubte wohl keiner von ihnen, daß er die Möglichkeit haben werde, das Ende seiner Karriere auf der Leinwand zu sehen.“ Nein. Sie endeten am Strang, und ihre Asche wurde in alle Winde verstreut. Die BRD ist der Nachfolgestaat dieses Verbrecherregimes. Dieser Staat begann mit einer Lebenslüge – der Lüge vom vorgeblichen Antifaschismus: Geheimdienstleute (wie Gehlen) gelangten in hohe Staatsämter, KZ-Ärzte (wie Baumkötter) durften in der BRD weiter praktizieren, Massenmörder (wie der Henker von Lwow, Oberländer) wurden in der BRD Minister, Nazi-Juristen (wie der Blutrichter von Prag, Dr.Bellmann) wurden in der BRD Landgerichtsdirektoren. Sie alle prägten das Gesicht der Bonner Staates. Und noch heute tut man sich in diesem Land schwer mit dem grausigen Erbe deutscher Verbrechen. In der DDR hingegen wurde konsequent mit den Nazi-Mördern und ihren Gehilfen abgerechnet. Der Massenmörder und Lagerarzt von Auschwitz Dr. Fischer wurde bspw. in der DDR hingerichtet. Zynisch spricht man heute in der BRD von einem „Schauprozeß“. Nein, es war kein Schauprozeß. Es war die gerechte Strafe für entsetzliche Verbrechen…

Ihre Karriere auf der Leinwand

von Jarosław Hałan

Man muß zugeben, daß Goebbels und seine Helfershelfer keine Mühe gescheut haben, dem Internationalen Militärgericht genügend Beweismaterial gegen den Nazismus und die Nazisten zu liefern. Eines dieser unbeabsichtigt selbstanklägerischen Beweisdokumente sahen wir heute im Verlauf von vollen vier Stunden. Es ist eine Montage von Auszügen aus der Nazi-„Wochenschau“, die die Geburt, die Blütezeit und die kläglichen letzten Monate des deutschen Faschismus wiedergibt. Die Schöpfer dieser Filmstreifen, unter denen sich auch Hitlers Geliebte, Leni Riefenstahl, befand, haben natürlich nicht im entferntesten daran gedacht, daß dieses ihr Produkt einmal gegen die Urheber Zeugnis ablegen werde. Auch Rosenberg hat es sich nicht träumen lassen, daß der von ihm redigierte „Völkische Beobachter“ eines der Hauptanklagedokumente auf dem Nürnberger Prozeß sein werde.

Der Münchner Putsch

'Death-to-Marxism'_1926Hitlers erste Schritte: der Münchener Putsch. In panischem Entsetzen hasten Menschen durch die Straßen und stürzen, von faschistischen Kugeln zu Tode getroffen oder verwundet aufs Pflaster. Sie sind die ersten der Millionen Opfer, die die blutigste Reaktion der Menschheit gefordert hat. Nach der komödienhaften Gefängnishaft ist der gröhlende Adolf Hitler mit dem Stutzbärtchen eines schottländischen Terriers wieder in Freiheit. Herr Krupp von Bohlen läßt ihn nicht fallen und wird Ihn auch m Zukunft nicht fallen lassen. Aufs neue erblicken wir Hitler auf einer Rednertribüne, hören wir sein hysterisches Gebell. Vor unseren Augen ziehen immer zahlreicher Gestalten von Paladinen vorüber. Kein Vergleich mehr mit der unscheinbaren Münchener Rotte.

Aufstieg der nazistischen Verbrecherclique

Die Träume der faschistischen Abenteuerer hören auf, Träume zu sein. Hitler verläßt das Palais des Präsdenten Hindenburg, die Ernennung zum Reichskanzler in der Tasche. Der Dickwanst Göring macht sich Im Sessel des Reichstagsvorsitzenden breit. Das Münchener Häuflein von Banditen hat in Deutschland die Macht an sich gebracht. Durch die Straßen Berlins rasen Autos mit SA-Leuten. Von früh bis spät dröhnt die Stadt vom Johl der entfesselten Pogromhelden. Im Berliner Stadtzentrum gehen Bücher in Flammen auf, verbrennen die letzten Überreste von Deutschlands Vernunft und Gewissen.

HitlerAuf der Leinwand ziehen in langen Kolonnen nazistische Halsabschneider vorüber. Unentwegt sticht das Hakenkreuz in die Augen. Nicht enden wollende Umzüge faschistischer Horden aus verschiedenen Anlässen und in mannigfaltigen Varianten. Nürnberg wird Zentrum der protzigen Schauspiele. Die mit der Patina des Mittelalters bedeckten Mauern dieser Stadt erscheinen den Nazis als geeignetster Inkubator für die „Neuordnung“ Europas. Alljährlich nimmt Hitler auf dem riesigen Nürnberger Stadion die Parade seiner Horden ab. Allmählich verwandeln sich die verschiedenen „Sturmverbände“ in preußische Grenadiere. Nun stehen unmittelbar neben dem „Führer“ die Generale. Hitlers wilde Gestikulationen beim Reden gleichen immer mehr dem Kriegstanz der Indianer. Niemand zweifelt jetzt noch daran, daß dieser Wahnsinnige einen Weltenbrand anzettelt.

Kriegsvorbereitungen

Nun beginnt das Spiel mit offenen Karten. Das deutsche Heer marschiert in das Rheingebiet ein. Die bereits faschisierte Einwohnerschaft Düsseldorfs ergötzt sich am Gänsemarsch dieses Heeres. Die folgenden Filmstreifen zeigen schnurrbärtige Feldwebel, die an der österreichischen Grenze Grenzpfähle niederbrechen. Naziflugzeuge donnern über das Spitzengewebe des Wiener Rathauses hinweg. München. Mit einem einzigen Federstrich läßt Hitler die Tschechoslowakei von der Landkarte verschwinden. Göring reibt sich zufrieden die Hände. März 1938. Zitternd vor Angst schreitet der erbärmliche Gacha die von Hitler herbeizitierte Ehrenformation ab.

107117_originalWenige Stunden später rattern deutsche Panzer durch die in Verzweiflung verstummten Straßen Prags. Klaipeda folgt. Wieder zersplittert ein Grenzpfahl in den Händen uniformierter Fleischergesellen. Alsbald steht Polen auf der Tagesordnung. Jetzt haben deutsche Kanonen das Wort. Görings Bombergeschwader bringen überreiche Todes­ und Ruinenernte ein. Adolf Hitler nimmt die Parade der deutschen „Freiwilligen“ ab, die aus Spanien zurückgekehrt sind, Ein eindeutiger Beweis für die „Neutralität“ Hitlerdeutschlands in der spanischen Frage. Diese Begründer Francospaniens werden ihm in Kürze von Nutzen sein. Frühling 1940. Hitlers Soldaten fallen urplötzlich in Norwegen und Dänemark ein. Zwei Monate später geht das friedliche Rotterdam unter dem Hagel deutscher Bomben in Flammen auf. Es folgt Frankreichs Kapitulation im Wald von Compiègne. Hitler hüpft vor Freude.

Das Programm der „Welteroberung“ rollt weiter ab. Die deutsche Wehrmacht zerstampft den Boden Jugoslawiens und Griechenlands. In den Pausen zwischen den dicht aufeinanderfolgenden Siegen heult sich Berlin heiser: „Sieg heil!“ Schließlich der letzte Akt des blutigen Schauspiels. Das „Herrenvolk“ marschiert gen Osten. Goebbels vor dem Mikrophon der Berliner Rundfunkstation. Seine schrille Stimme treibt die Deutschen augenblicklich aus den Federn. „Der Führer hat abermals Deutschlands Schicksal in die Hände des deutschen Soldaten gelegt.“ Während er das sagt, steckt der deutsche Soldat bereits die ersten Sowjetdörfer in Brand und kehren Görings Luftpiraten schon von ihren ersten Fliegerangriffen auf unsere Städte zu ihren Stützpunkten zurück.

Deutsche Massenmörder in der Sowjetunion

883193_originalEin neuer Filmstreifen. Himmler in der Hauptstadt Sowjetbelorußlands, die in Schutt und Asche gelegt ist. Ein sadistisches Lächeln um die Lippen, schlendert er zufrieden an einem Stacheldraht vorüber, hinter dem gefangene Sowjetsoldaten verhungern und verdursten.
Raschen Schrittes naht die letzte Stunde Hitlerdeutschlands. Verstummt ist das wilde Sieg-heil-Gebrüll. Vergessen sind die geräuschvollen Naziparteitage in Nürnberg. Hitler schneidet zwar vor der Kamera noch fröhliche Grimassen hat aber immer weniger Grund dazu. Ein für allemal sind die Zeiten vorbei, da er mit Paraden mit Singsang und Gloria seinen italienischen Bundesgenossen Benito Mussolini empfangen hat. Jetzt stehen die beiden Räubergesellen in einer ganz anderen Verfassung vor uns. Der durch die SS aus seiner Gefangenschaft befreite Mussolini scharwenzelt auf dem Berliner Flugplatz wie ein verprügelter Hund vor seinem Befreier, der diesmal für den „Duce“ keine Ehrenformation hat antreten lassen können …

Gemeinsam mit den im Gerichtssaal Anwesenden und den Mitgliedern des Internationalen Gerichtshofs sahen auch die Gangster auf der Anklagebank diesen Film, der ihre buntschillernde „Karriere“ an ihnen vorüberziehen ließ. Es ist zu bezweifeln, daß dies ihre Stimmung hob. Gewiß glaubte wohl keiner von ihnen, daß er die Möglichkeit haben werde, das Ende seiner Karriere auf der Leinwand zu sehen. Wohl keiner.

Das Ende

TribunalNuernberg 079

Quelle:
Jarosław Hałan: Nürnberg 1945. Pamphlete. Verlag Dnipro, Kiew 1975, S.27-31.


Der kommunistische Schriftsteller und Journalist Jarosław Hałan war eine der von den ukrainischen Nazis und der katholischen Kirche am meisten gehaßten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Er wurde im Alter von nur 47 Jahren im Auftrag des Vatikans von faschistischen Banditen in Lwow ermordet. Hałan war ein brillanter und scharfsinniger Publizist, ein mutiger und unerschrockener Kämpfer gegen das Unrecht in seiner galizischen Heimat. Stets offen vertrat er seine Meinung und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen die Überreste der galizischen Nazi-Kollaborateure in der Ukrainischen Sowjetrepublik. Als Sonderkorrespondent der Zeitung „Sowjetische Ukraine“ berichtete Hałan 1946 vom Nürnberger Prozeß.

images J.Halan: Aufstieg und Fall des deutschen Faschismus

Siehe auch:
Boris Polewoj: Die Prgonosen des Jarosław Hałan
Jarosław Hałan: SPINNEN IN DER BÜCHSE
Die päpstliche Inquisition und die Ermordung des sowjetischen Schriftstellers Jarosław Hałan

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5 Antworten zu Jarosław Hałan: Aufstieg und Fall des deutschen Faschismus

  1. gunst01 schreibt:

    Frentischer Haß verstellt wie immer den Blick für eine echte Geschichtsanalyse und schafft nichts weiter als eine banale Legende.

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