
Dr.jur Hilde Benjamin (1902-1989)
In der DDR war die Gleichberechtigung der Frauen nicht nur eine leere Phrase, sie war Realität in allen Bereichen der Gesellschaft. Und so war es eine Selbstverständlichkeit, daß auch Frauen als Staatsanwältin, Richterin oder Schöffin tätig wurden. Und dazu bedurfte es nicht erst einer Quotenregelung. In den Jahren 1953-1967 bekleidete Hilde Benjamin das höchste Amt als erster weiblicher Justizminister.
Daß Frauen in solche hohen Positionen kamen, war in der DDR durchaus keine Seltenheit. Auch die Präsidentin der Notenbank war eine Frau: Greta Kuckoff. Und das in einer Zeit, als die Adenauer-Regierung und deren Geheimdienstchef, der frühere Nazi-General Gehlen, nichts unversucht ließen, um unserer Republik massiven Schaden zuzufügen. Ganz im Leninschen Sinne waren gerade diese ersten Schritte von großer Bedeutung für die Herausbildung der Normen für eine künftige sozialistische Gesellschaft. Seine berühmte Prognose über die weitere Entwicklung der Gesellschaft leitete Karl Marx mit den Worten ein: „Das Recht kann nie höher sein, als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.“ [1]
Daran hielt man sich auch in der DDR. Und man begann, im Rahmen der ökonomischen Möglichkeiten und im Einklang mit der kulturellen Entwicklung, in der DDR allmählich den „engen bürgerlichen Rechtshorizont“ eines formalen gleichen Rechts für ungleiche Individuen zu überwinden. Ein neues, den sozialistischen Moralvorstellungen entsprechendes Rechtssystem mußte geschaffen werden. Das alte Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 hatte ausgedient und wurde nach und nach abgeschafft. Daran hatte auch die Juristin Dr. Hilde Benjamin einen bedeutenden Anteil. Über sie schrieb die Dresdner Schriftstellerin Ruth Seydewitz:
Hilde Benjamin – eine mutige deutsche Kommunistin
Die große Aufgabe, ein Ministerium selbständig zu leiten, übertrug die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ebenfalls einer Frau. Dr.Hilde Benjamin steht seit dem Jahr 1953 als Minister an der Spitze des Ministeriums für Justiz. Es ist von größter Bedeutung und bezeichnend für die völlig neue Einstellung zur Mitarbeit der Frauen, daß gerade dieses Fachministerium von einer Frau geleitet wird. Denn auch in der Weimarer Republik gehörte die Justiz zu den Berufen, in denen nach der Weimarer Verfassung nur formal die Gleichberechtigung der Frauen bestand. Wohl konnten die Frauen sich zum Jura-Studium melden, sie konnten auch Prüfungen ablegen. Waren sie dann aber mit dem Studium fertig, wollten sie so wie ihre männlichen Studienkameraden eine Funktion als Richter oder als Staatsanwalt ausüben, wozu sie durch ihr Studium und das abgelegte Examen durchaus berechtigt gewesen wären, dann mußten sie feststellen, daß die Gleichberechtigung nur auf dem Papier stand. Frauen wurden zu diesen Funktionen nur sehr zögernd zugelassen, und die meisten ließen sich deshalb als Rechtsanwältin nieder. Überdies wollten Menschen, die auf der Seite der Arbeiterklasse standen, nicht im Dienst der Weimarer Justiz arbeiten. Sie zogen es vor, als Verteidiger gegen die Klassenjustiz den Arbeitern zur Seite zu stehen. So handelte auch Hilde Benjamin. Bis zur Machtergreifung der Nazis verteidigte sie in Berlin als Anwältin mutig Arbeiter, die zwar von den Faschisten angegriffen worden waren, die dann aber nicht als Zeugen gegen die randalierenden Nazis, sondern als Angeklagte vor dem Gericht standen. Als die Nazis zur Macht kamen, wurde der mutigen Anwältin die Möglichkeit zur Ausübung ihres Berufs genommen.
In den ersten Jahren nach dem Krieg
Es ist kein Wunder, daß diese zielbewußte und aktive Frau sofort mit dabei war, als nach der Niederwerfung des Faschismus durch die siegreichen sowjetischen Armeen mit der Aufbauarbeit begonnen wurde. Der Tod ihres Mannes, des stets hilfsbereiten Arztes Dr.Georg Benjamin, den die Nazis umgebracht hatten, konnte sie nicht hindern, unermüdlich ihre ganze Kraft einzusetzen, um die ersten großen Schwierigkeiten des Neuaufbaus auf dem Gebiete der Justiz zu überwinden. Das war durchaus nicht einfach, denn eine der Voraussetzungen für die Demokratisierung war, daß der gesamte Justizapparat erneuert wurde. Anfangs gab es viel zuwenig Kräfte, die in verantwortlichen Stellen dieses wichtigen Apparats eingesetzt werden konnten.
Mit zu den ersten, die den Aufbau der neuen Justiz begannen, gehörte Dr. Hilde Benjamin. Sie war zuerst von Mai 1945 ab einige Monate Oberstaatsanwalt in Berlin und übernahm dann in der neu errichteten Zentralen Deutschen Justizverwaltung für die sowjetische Besatzungszone die Funktion des Kaderleiters. An dieser Stelle leistete sie einen großen Beitrag für die Ausbildung der neuen Richter und Staatsanwälte, der Volksrichter und Volksstaatsanwälte. Neben ihrer fachlichen Berufsarbeit beteiligte sie sich mit nie erlahmender Aktivität an den Beratungen, die der Demokratische Frauenbund Deutschlands über Fragen des Familienrechts durchführte, und sie gab dafür und für die neu zu behandelnden Fragen der rechtlichen Stellung der Kinder nicht nur sehr wertvolle Anregungen, sondern arbeitete auch eine Broschüre: „Vorschläge zum neuen Deutschen Familienrecht aus. Das war die Grundlage für die in weiten Kreisen der Bevölkerung und im DFD geführten Diskussionen und Beratungen über diese wichtige Frage.
Eine neue Herausforderung
Es war nach dieser Bewährungsprobe im Beruf und bei ihrer die Frauen aufrüttelnden Tätigkeit durchaus verständlich, daß Hilde Benjamin nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik gewählt wurde. Wann hatte jemals in der Geschichte Deutschlands eine Frau eine solche Funktion übertragen bekommen? Sicher gab es viele, die zweifelten, daß sie die Anforderungen einer solchen Aufgabe erfüllen könnte. Vielleicht glaubte so mancher Mann, schon morgen würde die in eine so wichtige, große Kenntnisse, sehr viel Verantwortungsbewußtsein und Mut erfordernde Funktion eingesetzte Frau versagen und abtreten müssen. Aber Hilde Benjarnin versagte nicht.
Im Kampf gegen die Feinde unserer Republik
So sehr die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere viele Frauen, Vertrauen zu der Frau haben, die auf die Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Rechtswissenschaft und die Schaffung eines neuen deutschen Familienrechts so großen Einfluß genommen hat, so sehr hassen die Feinde unserer Republik die Frau, die wachsam, unbestechlich und unnachgiebig dafür sorgt, daß Feinde, Agenten und Saboteure ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
Quelle: Ruth Seydewitz: Wo das Leben ist, Kongress Verlag Berlin, 1956, S.91-94.
Die DDR-Justiz im Kampf gegen die Konterrevolution
Damit man sich mal eine Vorstellung davon machen kann, vor welchen gewaltigen Herausforderungen die DDR-Justiz in jener Zeit des Kalten Krieges stand und mit welcher Art von Gesindel sich die Richter, Staatsanwälte und die Sicherheitsorgane der DDR „herumzuschlagen“ hatten, seien hier zwei Beispiele genannt, die das verbrecherische Werk dieser Feinde unserer Republik charakterisieren:
1. Der DDR-feindliche „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen“ (UfJ). In der kleinen Stadt Belzig in der Mark Brandenburg erschien im Sommer 1945, wenige Wochen nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus ein Mann, der sich „Doktor“ Erdmann nannte. Wer war dieser Mann? Es ist „ein typischer Vertreter des politischen Gangstertums, ein ausgemachter Bandit, der kaltrechnend mit allen Mitteln der Intrige, mit Bestechung, Urkundenfälschung, Verleumdung, Nötigung und Erpressung zu Werke geht. Daß er dann trotzdem von seinen Hintermännern abgeschoben wird, liegt weder an seinen Verbrechen, noch ist es das Verdienst seiner Auftraggeber. – Diese Marionette des kalten Krieges, der Hochstapler Horst Erdmann, der unter dem Namen »Dr. Theo Friedenau« bekannt ist, wurde von den demokratischen Kräften Deutschlands vor aller Welt entlarvt.“ [2]
Die Verbrechen im Dienste der Unterwelt – einer politischen wie kriminellen Unterwelt – aber wurden auch weiterhin betrieben. Die von diesem Mann gegründete und jahrelang geleitete Verbrecherzentrale unter der scheinheiligen Bezeichnung „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ)“ existierte auch später noch in einer streng bewachten Villa des „vornehmen“ Westberliner Stadtteils Zehlendorf. Dort brüteten die Spießgesellen und Nachfolger der Nazis neue Verbrechen aus und schürten den kalten Krieg gegen die DDR. Dazu gehörten: Wirtschafts- und Militärspionage, Erpressung, ideologische Diversion, Versenden von Drohbriefen und Hetzschriften (1954 wurden beispielweise 2.410.000 Hetzblätter versandt, wie sogenannte „juristische Fachblätter“ (z.B. „Recht in Ost und West“ „Deutsche Fragen“, „Informationen aus der sowjetischen Besatzungszone“). Dies alles wurde durch die DDR-Justiz entlarvt!
2. Die militante antikommunistische „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU). „Ein gewisser Rainer Hildebrandt hatte Anfang 1948 einen »Suchdienst« in seiner damaligen Westberliner Wohnung in der Höhmannstraße aufgezogen, nachdem eine von ihm herausgegebene Jugendzeitschrift nicht den erhofften Effekt gezeitigt hatte. Angeblich forschte der »Dienst« nach ehemaligen Kriegsverbrechern, und diese Tätigkeit schien internationales Interesse auszulösen. Ende November 1948 wurde der sogenannte Suchdienst in »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit« umbenannt – die Spitze des Eisbergs erschien über Wasser. Die riesige Villa in Nikolassee, Ernst-Ring-Straße 2-4, in der Hildebrandt seit dem 1. August 1949 amtierte, war von einem Amerikaner gemietet worden, der die Unkosten großzügig für ein halbes Jahr im voraus entrichtet hatte, und Hildebrandt wiederum machte kein Hehl daraus, daß es sich bei den Amerikanern um eine »Behörde« handelte.
Gemeint war das Counter Intelligence Corps, das man gemeinhin unter der Abkürzung CIC kennt. Hildebrandt gilt den Amerikanern bis heute als verläßlich und wertvoll – seit Jahren als Leiter der sogenannten Arbeitsgemeinschaft 13. August.“ [3] Diese „KgU“ entwickelte sich zu einem umfangreichen Agentennetz, auf deren Konto mehrere Morde, Sabotageakte und andere skrupellose Verbrechen kamen, die sich gegen die DDR richteten. Wir hatten in der DDR „tausend gute Gründe, dem schändlichen Spiel mit der Vertrauensseligkeit der Menschen, mit ihrer Unerfahrenheit und ihren Schwächen ein Ende zu bereiten und die massenhafte Erpressung und verbrecherische Verführung unmöglich zu machen.“ [4]
Zitate:
[1] Karl Marx: Kritik des Gothaer Programm, in: MEW, Bd.19, S.21.
[2] …im Dienste der Unterwelt, Dokumentarbericht über den „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen“ – Verein kraft Verleihung – Berlin-Zehlendorf-West, Limastr.29, Kongreß-Verlag Berlin (DDR), 1960, S.5
[3] Eberhard Heinrich/Klaus Ullrich: Befehdet seit dem ersten Tag, Dietz Verlag Berlin (DDR), 1981, S.99.
[4] ebd. S.130.
Die DDR-Juristin Dr.Hilde Benjamin
Siehe auch:
Die DDR war ein Rechtsstaat
Der Schriftsteller Hansgeorg Stengel und die DDR
Hilde Benjamin – Kommunistin und Volksrichterin der DDR
DDR-Justiz: Der Mörder von Oradour wird verurteilt
Manfred Liebscher: Die DDR-Staatssicherheit deckt Nazi-Verbrechen auf
Wie gelang nach 1945 die Säuberung der Justiz in der DDR vom faschistischen Ungeist
Hat dies auf Die Trommler – Archiv rebloggt und kommentierte:
Hier ein Beitrag aus „Sascha´s Welt“ zu Hilde Benjamin.
Biographie und Lebensleistung dieser großartigen deutschen Frau und Kommunistin sind wirklich beeindruckend.
Wie erbärmlich, verkommen dagegen fast alle heutigen Politik-Darstellerinnen aller bürgerlichen Systemparteien.
Ihr Andenken muss unbedingt bewahrt werden, sowohl für uns Heutige als auch spätere Generationen.
Ihre „Umstrittenheit“ bei den meisten aller bürgerlichen Gossen-Schreiberlinge und Tintenkulis des Kapitals, allen möglichen Revisionisten sollte uns nur ein müdes Lächeln kosten.
Beste soz. Grüße
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