Geschichte: Die Räterepublik in Ungarn

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Maifeier 1919 in Budapest

Auf dem Weg zur sozialistischen Revolution hatten die ungarischen Kommunisten 1919 versucht, eine „Räterepublik“ nach dem Vorbild der Sowjetunion zu errichten. Dieser Versuch mußte jedoch scheitern, da die ungarischen Kommunisten bei der Einschätzung der Lage entscheidende Fehler machten. Die ungarische „Sozialistische Revolution“ vom März 1919 und die ungarische „Räterepublik“ vom März/August 1919 waren nicht echt. Leider wiederholten sich diese Fehler auch 1949. Allerdings kam die Sowjetunion während der Konterrevolution 1956 Ungarn zu Hilfe und machte dem Spuk vorerst ein Ende. Doch auch die Sowjetunion war nach dem Tode Stalins und der verbrecherischen Rede Chruschtschows auf dem XX.Parteitag der KPdSU bereits vom Revisionismus durchdrungen, so daß die Niederschlagung dieses faschistischen Putsches 1956 inter dem Marschall der Sowjetunion, Iwan Stepanowitsch Konew, mehr als chaotisch verlief und auf halben Wege stehenblieb. Sie fand mit der (angeblich) „revolutionären Arbeiter- und Bauernregierung“ Kádárs ein revisionistisches Ende. Warum? Klar, man hatte die Lehren Stalins aus dem Scheitern der ungarischen „Räterepublik“ von 1919 einfach „vergessen“…

Ungarische Räterepublik: vom 21. März bis 1. August 1919 in Ungarn errichtete Herrschaft der Arbeiterklasse. Durch den Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution im Okt. 1918 war die Monarchie in Ungarn beseitigt, die Republik errichtet und der Krieg beendet worden. Das ungarische Volk hatte demokratische Rechte und Freiheiten und seine nationale Unabhängigkeit erkämpft.

Die reaktionäre Koalitionsregierung

Während aber die bürgerlich-sozialdemokratische Koalitionsregierung unter Mihály Graf Károlyi mit allen Mitteln jede revolutionäre Weiterentwicklung zu verhindern suchte, wuchs bei den Werktätigen die Erkenntnis, daß ihre Wünsche und Forderungen nur durch die proletarische Revolution erfüllt werden konnten. Unter dem Druck der von den Kommunisten und linken Sozialdemokraten geführten revolutionären Massen sowie angesichts der durch die räuberischen Forderungen der Entente in breiten Schichten des ungarischen Volkes hervorgerufenen Empörung trat am 21. März 1919 die Regierung Károlyi zurück.

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Gründung der Ungarischen Räterepublik

Zur gleichen Zeit vereinbarten die Führer der Kommunisten und der Sozialdemokraten, beide Parteien zu vereinigen und die Staatsmacht zu übernehmen. So entstand auf der Grundlage des kommunistischen Parteiprogramms die Sozialistische Partei Ungarns. Noch am 21. März 1919 wurde die Ungarische Räterepublik [1] proklamiert. Unter der Führung hervorragender Kommunisten wie Ottó Korvin, Béla Kun, Tibor Szamuely und linker Sozialisten wie Jenő Landler und Béla Szántó errichteten Arbeiter, Soldaten und werktätige Bauern im ganzen Land die Herrschaft der Räte.

Verwirklichung der Interessen des Proletariats

Gestützt auf diese Räte, nahm die Räteregierung. der Revolutionäre Regierungsrat, mit Kun an der Spitze umfassende soziale Umgestaltungen in Angriff wie die Vergesellschaftung der großen und mittleren Betriebe, der Gruben und Banken, der großen und mittleren Güter; die Bildung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften; die Einführung des Achtstundentages und des Prinzips des gleichen Lohns für gleiche Arbeit, die Erweiterung der Sozialfürsorge; die Brechung des bürgerlichen Bildungsprivilegs. Es wurde mit der Schaffung einer Roten Armee begonnen.

Begeisterte Zustimmung der revolutionären Arbeiter

Die Ungarische Räterepublikfand bei den revolutionären Arbeitern der anderen Länder, so auch in Deutschland, begeisterte Zustimmung und Unterstützung. W.I. Lenin,der sich von Anfang an um die größtmögliche Hilfe für die Ungarische Räterepublik bemühte, gab in seinem Brief vom 27. Mai 1919 [2], „Gruß an die ungarischen Arbeiter“, der jungen Rätemacht wichtige Hinweise: die unbedingte Notwendigkeit, die Massen zu erobern, die Hegemonie der Arbeiterklasse zu sichern sowie schonungslos gegen Verräter und Feinde vorzugehen.

Sieg der Konterrevolution und weißer Terror

Mitte April 1919 begannen die Imperialisten und ihre Satellitenstaaten Rumänien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien den konzentrischen Angriff auf die Ungarische Räterepublik, die in heldenhaftem Kampf gegen die Heere der ausländischen Interventen und die innere Konterrevolution schließlich unterlag. Am 1. August trat die Räteregierung zurück und machte einer Gewerkschaftsregierung rechter Sozialdemokraten platz. Die Konterrevolution stürzte diese Regierung schon am 6. August und entfaltete unter dem Schutz der rumänischen Okkupanten und der Entente-Mächte einen zügellosen Terror gegen die Kämpfer der Räterepublik, besonders aber gegen die Kommunisten.

Quelle: Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung (2 Bände). Dietz Verlag Berlin, 1970, Bd.2, S.667-669.


Wie konnte das geschehen?

Die ungarischen Kommunisten machten einen entscheidenden Fehler. Lenin hatte in seinem Brief an die ungarischen Arbeiter bereits davor gewarnt, den Widerstand der Bourgeoisie zu unterschätzen. Was er aber damals noch nicht wissen konnte: auch in Ungarn tarnten sich die Kapitalisten als Anhänger der Revolution, und wurden dabei durch die Sozialdemokraten unterstützt. Stalin erkannte: Eine sozialistische Revolution hat es auch in Ungarn nicht gegeben! In seiner Rede auf der ersten Unionskonferenz für Funktionäre der sozialistischen Industrie am 4. Februar 1931 [3] und vor dem Ersten Kongreß der Stoßarbeiter der Kollektivfarmen im Februar 1933 [4]  kam Stalin zu der unausweichlichen Schlußfolgerung, daß die ungarische „Sozialistische Revolution“ vom März 1919 und die ungarische „Räterepublik“ vom März/August 1919 nicht echt waren.


Anmerkungen:
[1] Ungarns Sozialistische Räterepublik (ung. Magyarországi Szocialista Szövetséges Tanácsköztársaság)
[2] W.I. Lenin: Werke, Bd.29, S.376-380. Darin schreibt Lenin:

„In der ganzen Welt kann es heute keine andere von den Werktätigen und dem Proletariat an ihrer Spitze unterstützte Macht geben als die Sowjetmacht, als die Diktatur des Proletariats. Diese Diktatur setzt die schonungslos harte, schnelle und entschiedene Gewaltanwendung voraus, um den Widerstand der Ausbeuter, der Kapitalisten, Gutsbesitzer und ihrer Handlanger zu brechen. Wer das nicht verstanden hat, der ist kein Revolutionär, den muß man seines Postens als Führer oder Ratgeber des Proletariats entheben.
Aber nicht in der Gewalt allein und nicht hauptsächlich in der Gewalt besteht das Wesen der proletarischen Diktatur. Ihr Hauptwesen besteht in der Organisation und Disziplin der fortgeschrittensten Abteilung der Werktätigen, ihrer Avantgarde, ihres einzigen Führers, des Proletariats. Sein Ziel ist, den Sozialismus zu errichten, die Teilung der Gesellschaft in Klassen aufzuheben, alle Mitglieder der Gesellschaft zu Werktätigen zu machen, jeglicher Ausbeutung des Menschen durch den Menschen den Boden zu entziehen. Dieses Ziel kann nicht auf einmal verwirklicht werden, es erfordert eine ziemlich lange Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, einmal deshalb, weil die Neuorganisierung der Produktion eine schwierige Sache ist, dann auch deshalb, weil man für radikale Änderungen auf allen Gebieten des Lebens Zeit braucht, und schließlich deshalb, weil die gewaltige Macht der Gewöhnung an kleinbürgerliches und bürgerliches Wirtschaften nur in langem, beharrlichem Kampf überwunden werden kann. Deshalb spricht Marx auch von einer ganzen Periode der Diktatur des Proletariats als der Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus.

[3]  J. Stalin: Über die Aufgaben der Wirtschaftler. In: Werke, Dietz Verlag, Berlin, 1955, S.30.

„Was ist noch erforderlich? Es ist noch erforderlich, daß diese Staatsmacht die Unterstützung der Millionenmassen der Arbeiter und Bauern genießt. Genießt unsere Staatsmacht diese Unterstützung? Ja, die genießt sie. In der ganzen Welt werden Sie keine andere Staatsmacht finden, die eine solche Unterstützung der Arbeiter und Bauern genießt wie die Sowjetmacht.“

[4]  J. Stalin: Rede an den Ersten Kongreß der Stoßarbeiter der Kollektivfarmen. Ebd. S.215/219.

„Erst die Oktoberrevolution hat es sich zum Ziel gesetzt, jegliche Ausbeutung abzuschaffen und alle und jegliche Ausbeuter und Unterdrücker zu beseitigen.“ (S.215) „Nennen Sie mir ein Land, wo die Regierung nicht die Kapitalisten und Gutsbesitzer, nicht die Kulaken und die anderen Reichen, sondern die werktätigen Bauern unterstützt. Ein solches Land gibt es in der Welt nicht und hat es niemals gegeben.“ (S.219)

(Ja, Stalin hatte völlig recht, als er sagte: „Ein solches Land gibt es in der Welt nicht und hat es niemals gegeben.“)


Siehe auch:
Der angebliche „Volksaufstand“ in Ungarn 1956
Kurt Gossweiler: Die Konterrevolution in Ungarn

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2 Antworten zu Geschichte: Die Räterepublik in Ungarn

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