Bertolt Brecht: Mit Dank für eine Friedensgabe…

brecht_bEin Dank an die Sowjetunion. Im Jahre 1955, zwei Jahre nach Stalins Tod wurde Bertolt Brecht in Moskau der Stalin-Preis „Für die Festigung des Friedens zwischen den Völkern“ überreicht, der ihm im Jahr zuvor verliehen worden war. Im Präsidium saßen damals B.Brecht, N.S.Tichonow, N.P.Ochlopkow und E.N.Gogoljowa sowie der vorübergehende Geschäftsträger der DDR in der UdSSR, Seitz und andere. Tichonow verlas den Beschluß  und überreichte Brecht die Medaille und die Urkunde. Doch bereits im selben Jahr wurde der Preis dann umbenannt in Lenin-Friedenspreis. Kein Zweifel – Brecht war Kommunist. Obwohl nie Mitglied der SED. hatte er einen klaren Klassenstandpunkt. Und das ist auch in der folgenden Rede nachzulesen…

BERTOLT BRECHT
Rede anläßlich der Verleihung des Stalin-Preises
„Für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern“ Moskau 1955

Es ist eine der erstaunlichen Gepflogenheiten Ihres Staates, der Sowjetunion, alljährlich einige Leute mit einem Preis für Bemühungen um den Weltfrieden auszuzeichnen. Ein solcher Preis scheint mir der höchste und meist erstrebenswerte von allen Preisen, die heute verliehen werden können. Was immer man ihnen einreden will, die Völker wissen: der Friede ist das A und O aller menschenfreundlichen Tätigkeiten, aller Produktion, aller Künste, einschließlich der Kunst zu leben.

Ich war 19

Ich war 19 Jahre alt, als ich von Ihrer großen Revolution hörte, 20, als ich den Widerschein des großen Feuers in meiner Heimat erblickte. Ich war Sanitätssoldat in einem Augsburger Lazarett. Die Kasernen und sogar die Lazarette leerten sich. Die alte Stadt füllte sich plötzlich mit neuen Menschen, in großen Zügen aus den Vorstädten kommend, von einer Lebendigkeit, welche die Straßen der Reichen, der Ämter und Kaufleute, nicht kannten. Einige Tage lang sprachen Arbeiterfrauen in den schnell improvisierten Räten und wuschen jungen Arbeitern in Soldatenkitteln die Köpfe, und die Fabriken hörten die Befehle der Arbeiter. Einige Tage, aber was für Tage! Überall Kämpfer, aber zugleich friedliche Leute, aufbauende Leute!

Die wichtigste Lehre

Die Kämpfe führten, wie Sie wissen, nicht zum Sieg, und Sie wissen warum. In den folgenden Jahren der Weimarer Republik waren es die Schriften der Klassiker des Sozialismus, die durch den großen Oktober neu belebt worden waren, und die Berichte von Ihrem kühnen Aufbau einer neuen Gesellschaft, die mich diesen Idealen verpflichteten und mit Wissen versahen. Die wichtigste der Lehren bestand darin, daß eine Zukunft für die Menschheit nur „von unten her“, vom Standpunkt der Unterdrückten und Ausgebeuteten aus, sichtbar wurde. Nur mit ihnen kämpfend, kämpfte man für die Menschheit.

Es herrscht die Gewalt

Ein riesiger Krieg hatte stattgefunden, ein riesigerer wurde vorbereitet. Von hier aus, von unten aus, waren die versteckten Ursachen dieser Kriege zu erkennen; diese Klasse hatte sie zu bezahlen, die verlorenen und die siegreichen. Hier, in der Tiefe, hatte auch der Friede einen kriegerischen Aspekt. Zuinnerst der Sphäre der Produktion und allüber der Sphäre der Produktion herrschte die Gewalt. Sei es die offene des Flusses, der die Dämme zerreißt, oder die geheime der Dämme, die den Fluß niederhalten. Es handelte sich nicht nur darum, ob Kanonen hergestellt wurden oder Pflüge – in den Kriegen um den Brotpreis sind die Pflüge die Kanonen. In den immerwährenden unerbittlichen Kämpfen der Klassen um die Produktionsmittel sind die Zeiten verhältnismäßigen Friedens nur die Zeiten der Erschöpfung.

Der Kampf um die Existenz

Nicht so ist es, daß ein zerstörerisches, kriegerisches Element immer wieder die friedliche Produktion unterbricht, sondern die Produktion selbst gründet sich auf das zerstörerische kriegerische Prinzip. Das ganze Leben kämpfen die Menschen im Kapitalismus um ihre Existenz – gegeneinander. Die Eltern kämpfen um die Kinder, die Kinder um das Erbe, der kleine Händler kämpft um seinen Laden mit dem anderen kleinen Händler, und alle kämpfen sie mit dem großen Händler. Der Bauer kämpft mit dem Städter, die Schüler kämpfen mit den Lehrern, das Volk kämpft mit den Behörden, die Fabriken kämpfen mit den Banken, die Konzerne kämpfen mit den Konzernen. Wie sollten da am Ende nicht die Völker mit den Völkern kämpfen?

Wem nützt der Sozialismus?

Die Völker, die sich eine sozialistische Wirtschaft erkämpft haben, haben eine wunderbare Position bezogen, was den Frieden betrifft. Die Impulse der Menschen werden friedlich. Der Kampf aller gegen alle verwandelt sich in den Kampf aller für alle. Wer der Gesellschaft nützt, nützt sich selbst. Wer sich selbst nützt, nützt der Gesellschaft. Gut haben es die Nützlichen, nicht mehr die Schädlichen. Der Fortschritt hört auf, ein Vorsprung zu sein, und die Erkenntnisse werden niemandem mehr verheimlicht, sondcrn allen zugänglich gemacht. Die neuen Erfindungen können mit Freude und Hoffnungen empfangen werden, anstatt mit Entsetzen und Furcht.

Die Hoffnung auf Frieden

Ich selbst habe zwei Weltkriege erlebt. Jetzt, an der Schwelle des Alters, weiß ich, daß von neuem ein ungeheurer Krieg vorbereitet wird. Aber ein Viertel der Welt ist jetzt befriedet. Und in anderen Teilen befinden sich die sozialistischen Ideen im Vormarsch. Der Friedenswunsch der einfachen Menschen allüberall ist tief. In den intellektuellen Berufen kämpfen viele, auch in kapitalistischen Staaten, mit verschiedenen Graden des Wissens für den Frieden. Aber es sind die Arbeiter und Bauern in ihren eigenen Staaten und in den Staaten des Kapitalismus, auf denen unsere beste Hoffnung für Frieden beruht.

Es lebe der Friede! Es lebe Ihr großer Staat des Friedens, Staat der Arbeiter und Bauern!

Quelle:
…aber die Welt ist verändert.  Ein Almanach, Herausgegeben vom deutschen PEN-Zentrum Ost und West, 1959. Verlag der Nation, Berlin, S.361-363. (Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)

Anmerkung:
Der Stalinpreis war in den Jahren 1940-1953 eine Form der Ermutigung für Bürger der UdSSR hervorragende schöpferische Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Technik, der Literatur und der Kunst zu vollbringen bzw. grundlegende Verbesserungen der Methoden der Produktionsarbeit. Er wurde im Dezember 1939 von J.W. Stalin begründet. Am 1. Februar 1940 wurdenn auf Beschluß des Volkskommissars der UdSSR 4 Preise (zu je 100.000 Rubel) vergeben. 1949 wurde erstmals der Internationale Stalinpreis „Für die Festigung des Friedens zwischen den Völkern“ vergeben. 1956 erfolgte die Umbenennung in den Internationalen Leninpreis. Die Stalinpreise wurden jährlich verliehen und waren ein Zeichen der Anerkennung für die hohe wissenschaftliche, kulturelle, ingenieur- oder organisatorisch-technische Leistung des Preisträgers. Besonders sorgfältig wurden die Kandidaten für den ersten Preis ausgewählt, der im Jahre 1941 vergeben wurde. Ein absoluter Rekordhalter in der Gesamtzahl der verliehenen Preise war Flugzeugkonstrukteur S.W.Iljuschin, der sieben Preise bekam. Seschsfache Preisträger wurden die Filmregisseure I.A.Pyrjew und J.J.Rajsmans, der Dichter und Schriftsteller K.M.Simonow, der Flugzeugkonstrukteur A.S.Jakowlew. 1966 wurde der Staatspreis der UdSSR eingeführt.
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12 Antworten zu Bertolt Brecht: Mit Dank für eine Friedensgabe…

  1. Rotfront schreibt:

    Brecht war ein ganz grosser, was man auch sehr schön anhand dieser tollen Rede sieht. Sehr empfehlenswert auch „Der Gute Mensch von Sezuan“. Das Stück zeigt klar, wie im Kapitalismus dem Menschen die wahren Werte, wie Güte nichts nützen und nur das Kapital zählt.

    Danke für diesen Artikel!

  2. Pingback: Hewlett Johnson – der rote Dekan von Canterbury | Sascha's Welt

  3. Georg Schmied schreibt:

    Ihr Heuchler. Stalin war der größte Massenmörder aller Zeiten, und der Sozialismus hat 100 Mio Menschen das leben gekostet. Und als Humanist nimmt man keinen Preis entgegen, der von einem Massenmörder gestiftet worden ist.

    • sascha313 schreibt:

      Sie irren – es waren 25 Milliarden Menschen und zehn Millionen auf dem Mond! … und Sie sind ein Dummkopf, der jeden Scheiß glaubt, nur weil er in der BLÖD-Zeitung stand!

      • Harry56 schreibt:

        Hallo Genosse Sascha, einfach super, deine kurze Antwort, mit solchen Vögeln diskutiert man nicht mehr!

      • Atomino schreibt:

        Ich halte es für unsinnig, solchen Menschen noch mit spitzer Zunge zu kommen. Auch wenn es in den Fingern kribbelt … die sind auf Krawall gebürstet und frei von jeglicher Ambition, alles in einen geschichtlichen Kontext zu setzen. Stalin ist nicht unumstritten, aber ohne ihn hätte der Verein „Lebensborn“ vermutlich ein Problem gehabt, alles von Kiew bis Kamtschatka schnell genug einzudeutschen.

      • Atomino schreibt:

        Es ist ein zweifelhaftes Vergnügen, einen eigenen Blog zu moderieren. Je mehr Verwerfungen der Kapitalismus aufwirft, desto mehr antikommunistische Hetze ist zu erwarten. Dabei ist es mittlerweile fast schon egal, was in der Vorstellungswelt der einzelnen der Begriff „Kommuninsmus“ überhaupt bedeutet. Es ist ein No-Go, das ziemlich elegant mit dem Faschismus verknüpft wurde. „Mein Kampf“ haben einige „Volksgenossen“ vielleicht noch auf irgendeiner Art Schrein sorgfältig ausstaffiert, aber wer hat sich denn wirklich mit dem Inhalt des kommunistischen Manifestes auseinandergesetzt ? Die etablierte Meinung ist doch jene, dass einem die Kommunisten einen Reichtum nicht gönnen, den man eh nie erreicht.
        Und die dabei übersehen, dass es *gerade* die Kommunisten sind, die für eine Welt ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ( und damit für ein auskömmliches Leben für alle ) eintreten. Dieser uns alle eingeimpfte Sozialdarwinismus ist einfach unerträglich ! Im Mittelmeer ersaufen täglich! Menschen auf der Flucht in ein besseres Leben und der Deutsche gönnt ihnen ihr Smartphone nicht. In welchem Anspruchsdenken sind eigentlich Leute wie Georg Schmied verhangen ?
        Denen geht es einfach nur noch nicht beschissen genug, um die Hintergründe von Reichtum und Armut zu hinterfragen. Aber gut genug, um von der Kanzel zu predigen.

        Lass uns darüber reden, Georg !

    • Erfurt schreibt:

      als Humanist nimmt man keinen Preis entgegen, der von einem Massenmörder gestiftet worden ist.

      Also Bundesverdienstkreuz usw. Hier eine Liste der Auszeichnungen
      https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_deutschen_Orden_und_Ehrenzeichen

      die allesamt von Verbrechern gestiftet sind. Die Liste ist lang!

      MFG

  4. sascha313 schreibt:

    …und an einer Kirchenmauer heißt es unter einem Gedenkstein (frisch restauriert!): „Gedenket der Söhne unserer Stadt, die als Helden starben fürs Vaterland 1914-1918“ – gemeint sind damit diejenigen, die unter Kaiser Wilhelm II. als Kanonenfutter zu Zehntausenden in den Krieg geschickt wurden und nicht zurückkehrten! Als „Helden“ für den Schlieffenschen Blitzkrieg gefallen? Nein. Sie waren nicht Helden, sondern von skrupellosen Monopolherren in den sinnlosen Tode getriebene junge Menschen; auf die Schlachtbank geführt von einem mörderischen System, dem es um die Eroberung fremder Gebiete ging. Der Bruder meiner Großmutter war eines der ersten Opfer 1915, ihr Sohn (mein Onkel) fiel 26 Jahre später im Alter von 21 Jahren an der Ostfront in einem weiteren Aggressionskrieg. Wer auch nur ein einziges Wort zur Entschuldigung für diesen deutschen Massenmord vorbringt, indem er dafür andere grundlos beschuldigt, der macht sich diesen deutschen Mördern gleich.

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