War Hitler schuldig am Massenmord?

Der 2. Weltkrieg. Allein in der Sowjetunion: 42 Millionen Tote, 1.710 zerstörte Städte, über 70.000 geplünderte und verwüstete Dörfer, 6 Millionen Gebäude, geplünderte und zerstörte Kultureinrichtungen, Schulen, Theater, Krankenhäuser, 25 Millionen Menschen obdachlos, 31.850 zerstörte Industriebetriebe, 98.000 geplünderte und zerstörte landwirtschaftliche Kollektivwirtschaften, 7 Millionen beschlagnahmte, geschlachtete oder nach Deutschland getriebene Pferde, 17 Millionen Stück Rindvieh (Molotow 6.1.1945)

HitlerKlangvollere Namen, bekanntere Gestalten standen im Mittelpunkt: der Chef der Heeresleitung, General von Seeckt, der General Ludendorff oder der starke Mann Bayerns, Herr von Kahr. Mit Hitler konkurrierten solche Abenteurertypen wie der Kapitänleutnant Ehrhardt, Chef der geheimen Mordorganisation Consul, der General von Lossow, ferner die Pöhner, Rossbach, Heydebreck, von Gräfe, Mayer und wie sie alle hießen. Bis zur Weltwirtschaftskrise hatte sich schon die Spreu vom Weizen gesondert. Immerhin hatte das Monopolkapital noch die Auswahl und setzte nacheinander auf Brüning und den Klerikalfaschismus, auf den konservativen Herrenreiter von Papen und auf den General von Schleicher, ehe es sich definitiv für Adolf Hitler und die Nazipartei entschied.

Sie hatten sich für Hitler entschieden

Die meisten Monopolherren taten das nicht, weil sie vielleicht fanatische Hitleranhänger gewesen wären, obwohl es auch solche unter ihnen gab, zum Beispiel Fritz Thyssen und Emil Kirdorf, die zusammen mit Stinnes, Borsig, dem Klavierfabrikanten Bechstein und dem britisch-holländischen Ölkönig Sir Henry Deterding Hitlers Partei seit 1923 finanziert hatten. Die meisten Monopolisten taten das, weil die anderen sogenannten starken Männer der Krise nicht Herr geworden waren und die Nazipartei samt ihrem Führer der letzte Rettungsanker zu sein schien.

Warum geschah das alles?

Diese Entwicklung war nicht von vornherein zwangsläufig, denn die demokratischen Kräfte im deutschen Volk waren an sich stark genug, den Faschismus nicht durchkommen zu lassen. Nur die Uneinigkeit im demokratischen Lager vor allem infolge der Spaltungspolitik der Opportunisten ermöglichte es dem Finanzkapital, seinen Drang nach Gewalt und Reaktion in der extremsten Ausprägung, der faschistischen Diktatur, wirksam werden zu lassen.

Warum ausgerechnet Hitler?

Es bleibt also die Frage, warum konnte damals ausgerechnet ein Adolf Hitler zum Diktator aufsteigen? Unwillkürlich erinnert man sich dabei an den unvergessenen Arbeiterdichter Erich Weinert, der die Millionen fanatisierter, grenzenlos gläubiger Hitleranhänger fragte: „…aber ausgerechnet den?“ Von brennender Aktualität ist die Schlußstrophe seines Gedichts aus dem Jahre 1941. Sie lautet:

Später einmal unsere Kinder
Sehn ihn im Panoptikum.
Um den ausgestopften Schinder
Stehn sie dann verwundert rum.
Und sie werden von euch sagen:
Alles könnte man verstehn,
Was das Volk in frühem Tagen
An Gestalten schon ertragen …
Aber ausgerechnet den?

War das deutsche Volk zu blöd?

Diese Frage stellen heute nicht nur unsere Kinder. Jedem, der dieses Tausendjährige Reich bewußt miterlebt und miterlitten hat, erscheint es heute unfaßbar, was damals geschehen ist. Wer heute „dies Friseurmodell auf schön“, wie Erich Weinert treffend sagte, im Bild sieht, schüttelt verwundert den Kopf darüber, daß Erwachsene und ansonsten geistig ganz normal entwickelte Men­schen, Männer und vor allem Frauen, bei seinem Anblick in Verzückung geraten konnten. Wer heute auf Bandaufnahmen die gequetschte, mißtönende Stimme hört, die sich so oft zum Bellen steigert, der fragt sich, was daran wohl einst Millionen von Hörern in ihren Bann ziehen konnte. Wer gar die Bewegungen und Gesten dieses „tristen Hampelmannes“, um wieder mit Erich Weinert zu reden, im Film oder Fernsehen verfolgt, der findet es unbegreiflich, daß dieser drittklassige Schmierenkomödiant bei jedem seiner öffentlichen Auftritte die Massen in Ekstase versetzen konnte.

Die führende Personnage in der Politik ist egal…

Viele von denen, die das alles heute unbegreiflich finden, finden sich selbst unbegreiflich; denn sie waren damals unter den Millionen, die dem Massenwahn des Führermythos verfallen waren. Das liegt nicht in erster Linie an den Menschen, sondern an den Zeiten und ihren Umständen. In seiner Schrift über Napoleon III. weist Karl Marx, wie er selbst im Vorwort betont, nach, „wie der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personnage das Spiel der Heldenrolle ermöglichten“.

NSDAP: Aus dem Nichts zur mächtigsten Partei

Die Nazibewegung konnte innerhalb. von zehn Jahren aus dem Nichts zur mächtigsten Partei der imperialistischen Bourgeoisie aufsteigen, weil sie in ihrer Ideologie, Politik, Kampfmethodik und Organisation dem Drang des Finanzkapitals nach Gewalt und Reaktion besser entsprach als alle anderen bürgerlichen Parteien und Organisationen. Ein Adolf Hitler konnte Führer dieser Partei sein und konnte der Diktator über Deutschland werden, weil er genau den Typ des starken Mannes verkörperte, den die Umstände und Verhältnisse der Niedergangszeit der imperialistischen Bourgeoisie erheischten.

Der Zustand des Bürgertums

Hitler war nicht nur eine Person, er war ein deutscher Zustand, genau genommen der Zustand des Bürgertums, des Kleinbürgertums und des Lumpenproletariats. Hierbei ist eine weitere Einschränkung nötig, denn das Hitlermenschentum repräsentierte nur die reaktionäre Seite des Kleinbürgertums und des Bürgertums. Nur waren eben damals in der ersten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus Umstände und Verhältnisse gegeben, unter denen die Masse dieser Schichten reaktionär und nicht fortschrittlich war.

Wer hatte Hitler gewählt?

In Hitler fanden sich Millionen durch Krieg und Wirtschaftskrise deklassierte oder von der Deklassierung bedrohte Unternehmer und Einzelhändler, Intellektuelle und Offiziere, Beamte und Angestellte, mittlere und kleine Bauern wieder. Alles, was fürchtete, nach unten geschleudert zu werden, und mit aller Macht nach oben wollte, fand in Hitler seinen Interpreten. Er war es, der ihre Furcht und ihre Hoffnungen, ihren Haß und ihre Sehnsüchte artikulierte, die schlummernden dunklen Instinkte zu wecken verstand, ihren Haß in die Bahnen lenkte, die den wahren Schuldigen an Weltkrieg und Wirtschaftskrise genehm waren.

Die Dialektik des Klassenkampfes

Wer die komplizierte Dialektik des Klassenkampfes nicht begriff oder nicht begreifen wollte, weil dazu die Anstrengung des Denkens und der Mut zur revolutionären Arbeit nötig waren, der fand um so einleuchtender die simple Parole Hitlers, daß die Juden und die Kommunisten an allem schuld wären. Wer vor Opfern und Entbehrungen zurückscheute, die der Sturz der alten und der Bau der neuen Gesellschafts­ordnung erforderten, der berauschte sich an den fünfundzwanzig Punkten des Naziprogramms, die ihm alles versprachen, falls er nur die Juden, die Kommunisten und die anderen Demokraten vernichtete.

Millionen Handlanger und Vollstrecker

So fanden die Monopolherren, Militärs und Naziführer unter dem deutschen Kleinbürgertum Millionen Handlanger, die diesen drei das Dritte Reich tragenden Gruppen die Ausübung ihrer Macht überhaupt erst ermöglichten. Dazu zählten in erster Linie die Mitglieder der NSDAP, der SA, der SS und der anderen faschistischen Massenorganisationen. Nun hat zwar neuerdings ein bürgerlicher Historiker aus der Bundesrepublik als Entdeckung verkündet: Der Nationalsozialismus sei Hitler gewesen und Hitler der Nationalsozialismus. Demnach hat es also nur einen Nazi gegeben. Aber diese Absurdität hat wohl selbst in Westdeutschland keine Chance, geglaubt zu werden. Zu vielen Deutschen ist die Existenz der kleinen und großen Nazis, der Zellenleiter, Blockwarte, Amtswalter, SA-Schläger, SS-Banditen und der braunen Bonzen, der Goldfasanen, wie das Volk sie damals nannte, in zu bitterer Erinnerung, als daß sie sich einreden ließen, es hätte diese unzähligen kleinen Komplicen der großen Verbrecher gar nicht gegeben.

Nein – es wurden nicht alle zu Verbrechern!

Allerdings setzen wir diese Mißbrauchten und Verführten nicht den Verführern gleich. Nicht jeder von diesen kleinen Nazis, von denen viele nur Mitläufer gewesen sind, ist ein Verbrecher geworden. Und es hat nichts mit der unsinnigen These von der angeblichen Kollektivschuld des deutschen Volkes zu tun, wenn wir feststellen, daß viele Deutsche, weil sie mitgelaufen, mitschuldig geworden sind. Das betrifft auch jene angeblich Unpolitischen, die, wie besonders viele Beamte in Verwaltung und Justiz, vom ersten Tage an der faschistischen Diktatur dienten, indem sie ihr Gewissen ihrer Karriere opferten.

Ein zynischer Massenbetrug

Hitlers Erfolg, durch die Umstände und Verhältnisse bedingt, beruhte ferner auf einer ausgefeilten Technik der Massenbeeinflussung, des zynischen Massenbetrugs. Gerade darin war er nllen seinen rechtsradikalen Konkurrenten überlegen. Die Reichswehr sah von Anfang an gerade in ihm den geborenen Agitator, den Trommler, der der Konterrevolution wenigstens einen Teil der Massen zuführen konnte – als der moderne Rattenfänger von Hameln.

Hitler verstand es auch unter allen reaktionären Politikern am besten, die soziale Demagogie zur Irreführung von Arbeitern und Kleinbürgern einzusetzen. Die Nazipartei war weder national noch sozialistisch, noch hatte sie etwas mit dem deutschen Arbeiter gemein. Mit diesen Begriffen tarnte sie ihr antinationales, antisozialistisches und arbeiterfeindliches Wesen.

Führermythos und Widerstandskampf

Unter dem Kern der Arbeiterklasse hatte Hitler mit seiner nationalen und sozialen Demagogie bis 1933 keinen Erfolg. Als jedoch die antifaschistischen Kräfte durch Terror weitgehend mundtot gemacht waren, als die Stimmen der illegalen Widerstandskämpfer nur noch wenige erreichen konnten, als andererseits die Aufrüstung zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit führte, gelang es den Faschisten mit einer Lügenpropaganda sondergleichen. die Herzen und Hirne auch vieler deutscher Arbeiter mit ihrem ideologischen Gift zu verseuchen. Der bewußt gesteuerte Führermythos um Adolf Hitler spielte dabei keine geringe Rolle.

Indem die Propagandaorganisationen des deutschen Monopolkapitals dem deutschen Volke einredeten, „der Führer weiß alles, kann alles, macht alles“, verschafften sie ihm die uneingeschränkte Autorität und die Gläubigkeit, deren er bedurfte, um ein ganzes Volk auf die Schlachtbank des zweiten Weltkrieges zu führen.

Ein gutes Pferd und seine „Mängel“…

Als Gustav Krupp von Bohlen und Halbach im Jahre 1945 auf die zahllosen Verbrechen der von ihm seit dem 20. Februar 1933 vorbehaltlos unterstützten Nazis und insbesondere Hitlers hingewiesen wurde, erwiderte er zynisch: „Wenn man ein gutes Pferd kauft, muß man ein paar Mängel hinnehmen.“ In Wirklichkeit betrachteten die Monopolisten die Naziverbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit keineswegs als „Mängel“, sondern als einen notwendigen Bestandteil ihrer eigenen Politik. Die Nazidiktatur war ihre Diktatur, Hitler war ihr „Pferd“, und die Verbrechen, die er und seinesgleichen begingen, waren ihre Verbrechen.

Quelle:
Günter Paulus: Die zwölf Jahre des tausendjährigen Reiches. Streiflichter auf die zeit der faschistischen Diktatur in Deutschland. Deutscher Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik., 1965, S.79-84. (Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)

pdfimage  Paulus: Hitler und der 2.Weltkrieg

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6 Antworten zu War Hitler schuldig am Massenmord?

  1. Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt und kommentierte:
    Der 2. Weltkrieg: allein in der Sowjetunion: 42 Millionen Tote, 1.710 zerstörte Städte, über 70.000 geplünderte und verwüstete Dörfer, 6 Millionen Gebäude, geplünderte und zerstörte Kultureinrichtungen, Schulen, Theater, Krankenhäuser, 25 Millionen Menschen obdachlos, 31.850 zerstörte Industriebetriebe, 98.000 geplünderte und zerstörte landwirtschaftliche Kollektivwirtschaften, 7 Millionen beschlagnahmte, geschlachtete oder nach Deutschland getriebene Pferde, 17 Millionen Stück Rindvieh (Molotow 6.1.1945)

  2. Blogger schreibt:

    Aus der Sicht der Wallstreet:

    Neben einer Kolonialisierung Europas war gegen Ende des 1.WK die Vernichtung der noch jungen Sowjetunion das Hauptziel reaktionärer Kreise. Dazu musste die Weimarer Republik beseitigt werden, der Kapp-Putsch 1920 war der erste Versuch hierzu.
    Die Erfahrung des Kapp-Putsches war jedoch die, daß eine Beseitigung der Weimarer Republik einer soliden Finanzierung bedarf, denn ein Generalstreik setzte dem Kapp-Putsch ein schnelles Ende. Aufgrund des Versailler Friedensvertrages zu zahlende Reparationsleistungen kamen erschwerend hinzu und schmälerten die Profite der Deutschen Großindustrieellen. Also musste eine Finanzierung her die in Form des Dawesplan ab 1924 kam und hauptsächlich die NSDAP finanzierte. Im selben Jahr wurde Hitler aus der Haft entlassen und natürlich ist das auch kein Zufall. Heute lesen wir, daß der Hitlerputsch am 9.11.1923 niedergeschlagen wurde, daß ist natürlich Käse. In Wirklichkeit war das Spektakel vor der Münchener Feldherrnhalle ein Theaterstück erster Klasse bei dem man den Tod Beteiligter billigend in Kauf nahm.
    Nun fehlte nur noch das Parteiprogramm um den Mythos Hitler zu schaffen — Hitler bekam seine Auszeit auf der Landsberger Feste und schrieb Mein Kampf.
    Aus den Erfahrungen des Dawesplan und Youngplan heraus wurde die Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, 1930, Basel) gegründet, die bis heute tätig ist und genau dieselben Ziele verfolgt wie die ESM die ihren Sitz in Luxemburg hat.
    Wesentliche Ziele waren und sind bis heute das Unterlaufen von Friedensverträgen und damit verbunden die Unterdrückung von Reparationszahlungen sowie das in wirtschaftliche Abhängigkeit bringen von Entwicklungsländern. Letzeres trifft aber auch für die EU Länder des Balkan zu.

    Was dieser kleine Abriß der Geschichte der Weimarer Republik zeigt: Hitler war nur die Generalprobe für das was heute in der ganzen Welt stattfindet.

    MfG

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