Jede Gesellschaftsordnung benötigt zu ihrer Absicherung ein bestimmtes gesellschaftliches Bewußtsein und bringt dieses auch hervor. Wir leben im Kapitalismus – das dürfte bekannt sein. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich in den Händen einiger weniger Leute eine immense wirtschaftliche, politische und militärische Macht konzentriert. Auch die Massenmedien haben sich weiterentwickelt und vervollkommnet, Meinungen werden manipuliert wie nie zuvor. Doch das ist den meisten Menschen heute kaum bewußt. Die jüngere Generation hat kaum noch eine Vorstellung davon, welche fatalen Folgen die Massenverführung in der Nazizeit hatte, sie kennen nicht die Schrecken des Krieges, ihr Geschichtsbild ist getrübt und das Interesse an einer Veränderung der gegenwärtigen Situation hält sich stark in Grenzen. Ein dummes Volk läßt sich eben leichter regieren. Als 1967 zum Tag der Republik in der DDR ein Buch erschien über die „Manipulation – Die staatsmonpolistische Bewußtseinsindustrie“ hätten die Autoren es sich wohl kaum vorzustellen gewagt, daß ihre Erkenntnisse nach über 40 Jahren immer noch von höchster Aktualität sein könnten…
„Mainstream“ – das gleichgeschaltete Denken
Bedeutende Teile der westdeutschen Bevölkerung glauben nach wie vor, daß die Pressefreiheit gesichert sei. Unter den Eingeweihten indes, jenen, die aus eigenem Erleben um das komplizierte Räderwerk der staatsmonopolistischen Gleichschaltung der öffentlichen Meinungsbildung wissen, mehren sich Unbehagen und Kritik. Gösta von Uexküll steht mit seinem Urteil nicht allein:
„Teils aus Bequemlichkeit…, teils aus Lust am Geldverdienen…, teils aus eigener Urteilslosigkeit hat sich die bundesdeutsche Presse in den letzten Jahren mit wenigen rühmlichen Ausnahmen betragen, als ob Goebbels ihr noch immer im Nacken säße. Der bundesdeutsche Konformismus ist die Fortsetzung der Gleichschaltung mit anderen Mitteln.“ [1]
Ein System, das schwer durchschaubar ist…
Diese „Gleichschaltung mit anderen Mittel“ umfaßt mannigfache Aspekte – ökonomisch-finanzielle, politisch-publizistische, ideologische. Sie entwickelte sich zu einem System besonderer Art, charakteristisch für die gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik, kennzeichnend für das Machtsystem staatsmonopolistischer Prägung. Dem normalen Bundesbürger ist es nahezu unmöglich, den Mechanismus der Informationsgebung, der öffentlichen Meinungsmache, der Manipulierung seines Bewußtseins zu erfassen. Denn als Zeitungsleser, als Rundfunkhörer, als Fernsehzuschauer erlebt er lediglich die letzte Phase eines vielschichtigen Prozesses. Er konsumiert, er wird zum Konsumieren animiert, aber ihm ist die Einsicht in das komplizierte Getriebe, das der letzten Phase vorgeschaltet ist, verwehrt. Oft genug sogar glaubt er sich informiert. Er ist sich nicht einmal dessen bewußt, was Schoenberner wie folgt ausdrückte:
„Die Chancen des einfachen Bürgers, sich ausreichend zu informieren, sind gering.“ [2]
Wie funktioniert die Meinungsbildung?
Die Chancen sind deshalb überaus gering, weil durch die herrschenden gesellschaftlichen Kräfte, durch den Staat, die Monopole, ihren Machtapparat, in den Massenmedien und um die Massenmedien mindestens drei „Verteidigungslinien“, drei Ebenen der Gleichschaltung errichtet wurden. Nirgendwo sind diese verbindlich fixiert, aber sie sind da. Und sie funktionieren mit geradezu atemberaubender Präzision.
ERSTE EBENE DER GLEICHSCHALTUNG
Eine erste und in der Mehrzahl der Fälle bereits ausreichende Gleichschaltung erfolgt innerhalb der Redaktionen, häufig genug im Kopf der Journalisten. An die Stelle der von Goebbels verabfolgten Sprachregelung trat die Denkregelung. Sie wird bedingt durch verschiedene, mehrfach genannte Faktoren. Ihre wichtigsten Merkmale sind:
- Die Schere im Kopf: Eine in der sozialen Stellung des Journalisten begründete fehlende politische Verantwortlichkeit und Verantwortungsbereitschaft. Durch vielfältige Formen materieller wie ideeller Korruption – gleich ob dem Journalisten subjektiv bewußt oder nicht – wird dieser Status des Journalisten zementiert.
- Reaktionäre Weltanschauung: Eine unzureichende politische Bildung der Masse der Journalisten, die sie der Möglichkeit einer eigenen, schöpferischen Analyse des gesellschaftlichen Geschehens beraubt.
- Wes Brot ich eß, des Lied ich sing! Eine Ausschaltung des Journalisten von der Verantwortung für sein Produkt, hervorgerufen dadurch, daß die personelle Besetzung und die politische Linie einer Redaktion vom Verleger oder einer mit seinen Befugnissen ausgestatteten Instanz bestimmt wird.
Das Ergebnis dieser „ersten Gleichschaltung“ kleidete Erich Kuby in die rhetorische Frage:
„Wo hört man bei uns unter den öffentlichen Meinungsbildnern noch den Ton der Unbefangenheit? Wer schielt nicht nach rechts und links, bevor er den Mund aufmacht? Wer schreibt sozusagen nicht für den Inseratenteil? Wer nicht für den Bischof, für die Versicherungsgesellschaft oder für andere Autoritäten unserer Gesellschaft?“ [3]
Kritik als „demokratisches“ Feigenblatt
Ausdruck dieser „Denkregelung“ ist die Respektierung bestimmter Tabus, gesetzt durch Regierung, Parteien, Unternehmerverbände, Revanchistenorganisationen, Kirchen und andere bundesdeutsche Autoritäten, von der überwiegenden Mehrzahl der Journalisten. Das schließt Kritik keineswegs aus. Im Gegenteil, Kritik bewirkt Interesse, findet Applaus, fördert den Umsatz. Aber als unabdingbare Grenze, zumindest in den Massenmedien, gilt das System. Die Kritik hat systemimmanent zu bleiben.
…der Rauswurf
Sobald ein Journalist die Tabus nicht respektiert – siehe „Panorama“-Sendungen des Fernsehens –, muß er mit seiner Entfernung aus der Redaktion rechnen. Er wird weder, wie zu Zeiten des Faschismus, in ein KZ eingeliefert noch erhält er Schreibverbot. Aber die Publikationen mit Großauflagen, die Fernsehsendungen mit einem Millionenpublikum bleiben ihm fortan in der Regel verschlossen. Er wird zumeist abgedrängt an die Peripherie der öffentlichen Meinungsbildung – mit finanziellen Einbußen und eingeengter Wirksamkeit. Das meinte Kuby, als er seine Fragen nach der Unbefangenheit so beantwortete:
„Man zeige mir die Beispiele, und ich werde sagen, wo sie gefunden wurden: in Verstecken. In Blättchen mit kleinen Auflagen. Oder im Nachtstudio, gesendet um 23.30 Uhr, wenn das Volk schläft und nur die aus Kummer Schlaflosen noch wach sind.“ [4]
Die anonymen Souffleure
Passiert es nun aber doch einmal, daß ein Verleger, ein sich selbständig etablierender Journalist oder eine Journalistengruppe die ihnen unsichtbar gesetzten Tabus mißachten, so tritt eine zweite „Verteidigungslinie“ in Aktion. Die anonymen Souffleure im Hintergrund demonstrieren ihre Macht; die mannigfachen Kontroll- und Lenkungsinstitutionen schlagen zu.
ZWEITE EBENE DER GLEICHSCHALTUNG
Aus einer Fülle bekannt gewordener Einzelbeispiele leiten sich die folgenden Grundmethoden ab:
- Eine Rufmordkampagne, gekennzeichnet durch eine öffentliche Diffamierung und Diskriminierung des betreffenden Publikationsorgans oder des betreffenden Journalisten. Ihren Ausgang nimmt sie zumeist von Institutionen der „Öffentlichkeitsarbeit“; für entsprechende Lautstärke und nachhaltigen Druck sorgen die monopolistisch dirigierten Massenmedien. Als immer wieder strapazierte Methode bietet sich – wenn moralische Verunglimpfungen ausscheiden – die Abstempelung als kommunistisch oder zumindest kryptokommunistisch an.
- Eine in vielen Fällen mit dem Rufmord einhergehende ökonomische Pression gegenüber dem inkriminierten Objekt, sei es in Gestalt eines Inseratenboykotts, einer Behinderung des öffentlichen Vertriebs oder in Form eines vernichtenden Konkurrenzkampfes, der dem Betroffenen durch übermächtige Kontrahenten aufgezwungen wird.
DRITTE EBENE DER GLEICHSCHALTUNG
Sollte selbst diese „zweite Ebene der Gleichschaltung“ nicht den gewünschten Erfolg zeitigen, so steht als letztes und drakonisches Mittel die Strafjustiz bereit. Abgesehen vom „Spiegel“ und etlichen anderen bürgerlich-kapitalistischen Organen und Journalisten, richtet sich die Spitze der Exekutive fast ausnahmslos gegen „links“. Objekt des Polizeiterrors und der Strafjustiz sind in der Mehrzahl aller bekanntgewordenen Fälle demokratische Publikationen und Publizisten, die einer Nachfolgetätigkeit für die verbotene KPD beschuldigt werden. Summierte sich das Vorgehen der Exekutive im Laufe der Jahre auch zu einer nicht unbeträchtlichen Zahl, so handelt es sich – gemessen am Gesamtumfang der journalistischen Produktion – doch nur um einen geringen Prozentsatz. Derartige Eingriffe in die grundgesetzlich verbriefte Pressefreiheit werden zudem nur selten in der Bevölkerung bekannt. Die Illusion über Presse- und Meinungsfreiheit bleibt also gewahrt. Das Wissen der Zuständigen um diese dritte und letzte „Verteidigungslinie“ der Gleichschaltung genügt völlig, um die verbliebenen nonkonformistischen Publikationen und Publizisten unter permanenten Druck zu setzen.
Der politisch unwissende und unmündige Bürger
Das Ergebnis dieses, allen Übergangs- und Mischformen keineswegs gerecht werdenden Modells mehrschichtiger Ausrichtung und Regulierung der Massenmedien ist die westdeutsche journalistische Wirklichkeit. Der Schriftsteller Gerhard Schoenberner kleidet sie aus seiner Sicht in die Form folgenden Resümees:
„Wo Abhängigkeit oder politischer Druck, wo unzureichende Einsicht, bewußte Parteinahme oder Korruption den Ausschlag geben – vom Journalisten über den Redakteur bis zum Verleger, wie die ökonomischen, politischen, personellen und psychologischen Faktoren auf den verschiedenen Ebenen sich durchdringen und wiederum untereinander zusammenwirken, läßt sich im Einzelfall kaum prüfen. Es läßt sich auch schwer feststellen, welchen Einfluß die gezielte Verteilung der Millionenbeträge aus geheimen Regierungsfonds an einzelne Personen, Organe oder Verbände hat, welche politischen Abhängigkeiten bei den Zeitungen das große Anzeigengeschäft schafft, welche Rolle bei den Sendern die Herrschaft der meist von Regierungsanhängern majorisierten Programmräte spielt und wie hier wie dort die Rücksicht auf eine von den Verbänden repräsentierte öffentliche Meinung sich auswirkt.
Festhalten läßt sich dagegen das Resultat, daß unsere Massenmedien trotz aller Meinungsvarianten und Qualitätsunterschiede in der Anpassung an die Grundlinie eine weitgehende Übereinstimmung zeigen.“ [5]
Das Resultat ihres Wirkens, das drängt sich als Fazit auf, ist der durch Massenmedien manipulierte Mensch. Es ist der politisch unwissende und unmündige, weil uniformierte und desinformierte Bürger. Es ist eine Gesellschaft, weit entfernt von dem Beiwort informiert.
Zitate:
[1] Gösta von Uexküll: Können wir überleben?, S. 414.
[2] Gerhard Schoenberner: Meinungslenkung contra Information. In: Information oder Herrschen die Souffleure?, S. 57.
[3] Erich Kuby: Das Volk ist seine Presse wert. In: Information oder Herrschen die Souffleure?, S. 93.
[4] ebd.
[5] ebd. S.58.
Quelle:
Autorenkollektiv, Manipulation, Die staatsmonopolistische Bewußtseinsindustrie, Dietz Verlag Berlin (DDR), S.294-298. (Zwischenüberschriften von mir, N.G.)
Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt.
Genau getroffen !!!
……aber wen interessierts…….???
Schon möglich, daß nicht Tausende gleich zustimmen werden. Doch immerhin – es festigt sich die Überzeugung. Und da, wo der Boden nach so langer Dürre ausgetrocknet ist, muß erst mal ein Gewitterregen das Wachstum wieder ermöglichen…
Und wer sich weigert lugens zu verkaufen wird umgebracht.http://achterdesamenleving.nl/gekochte-journalisten-nu-nederlands-beschikbaar/#.W77xgNczbMx
>>Die Scheinaufklärung anspruchsvoller Medien
dient der Ernüchterung und Einschüchterung;
Hauptsache, verunsichert sind die
Aufgeklärten<<
Bert Papenfuß
genau auf den punkt gebracht!