Der faschistische Massenmord und der Profit der deutschen Konzerne

noc a mlha„Nacht und Nebel“ – so lautete der Originaltitel des 1958 in Prag erschienen Buches der beiden tschechischen Autoren Ota Kraus und Erich Kulka. Beide hatten die Hölle von Auschwitz-Birkenau überlebt. 1963 erschien dieses Buch in deutscher Sprache – in der DDR – Wo sonst! Es war nicht der erste Bericht über die Verbrechen des deutschen Faschismus, der in der DDR erschien, Hunderte von Büchern wurden gedruckt, in den Tageszeitungen wurde darüber berichtet, lange bevor in Westdeutschland überhaupt so etwas derartiges erscheinen durfte. Besonders hervorzuheben an diesem Dokument ist jedoch nicht allein seine Authentizität – die Autoren waren Zeugen der Verbrechen der faschistischen Henker und Massenmörder –, hervorzuheben ist vielmehr der Zusammenhang zwischen den Untaten der Nazis und dem Profit, den deren Hintermänner in den Großkonzernen kassierten. Kraus und Kulka schrieben:

Dieses Buch mußten wir schreiben!

Wir mußten es schreiben, weil uns die Entwicklung im Nachbarlande, in der deutschen Bundesrepublik, dazu gezwungen hat. Wir haben den Nazismus, diese Abart des Faschismus und Kulmination des Imperialis­mus, in mehreren Gefängnissen und fünf Konzentrationslagern kennengelernt. Zwei volle Jahre verbrachten wir in Birkenau bei Auschwitz. Auch daraus ergibt sich unsere Verpflichtung.

Die faschistische Gefahr

Wir überschätzen nicht die Gefahr, die aus der sehr regen Tätigkeit der rehabilitierten Militaristen und Faschisten entspringt. In der Welt haben heute die Friedenskräfte das Übergewicht. Die Situation ist eine andere als zu der Zeit, da der Faschismus in Deutschland herrschte, sie ist ganz anders als vor dreißig Jahren, als das internationale Kapital die Nazis für den Kreuzzug gegen die Sowjetunion engagierte.

In der deutschen Bundesrepublik wurde die Kommunistische Partei verboten. Die Verbreitung nazistischer, militaristischer und revanchisti­scher Literatur ist dort jedoch erlaubt. Über das Thema „Nationalsozia­lismus“ schreiben Feldmarschälle, Generale und bürgerliche Publizisten aller Schattierungen. Manche schreiben gegen Hitler, manche für den „Führer“, doch alle fälschen oder beschönigen bestenfalls die historische Wahrheit. Sie alle sind sich einig, daß man gewisse unangenehme Er­eignisse des zweiten Weltkriegs verschweigen muß.

Reinwaschung der Nazis in der BRD

Man kann lange blättern, ehe man eine bescheidene Erwähnung über Auschwitz in den westdeutschen offiziellen Publikationen findet. Dagegen wird die Offiziersverschwörung vom 20. Juli 1944 lang und breit beschrieben. Zweck dieser Propaganda ist es, die schwer angeschlagene Legende von der Unfehlbarkeit der deutschen Generalität, von der Stärke des deutschen Militarismus aufzupolieren und von den Verbrechen des Fa­schismus reinzuwaschen, das deutsche Volk und seine Jugend für einen neuen Krieg vorzubereiten.

18774_2_bigIndem wir den ökonomischen und politischen Hintergrund von Auschwitz enthüllen, indem wir die Entwicklung der Technik des Mas­senmordens von Bernburg bis Auschwitz schildern, decken wir die Ur­sachen des größten Verbrechens in der Geschichte der Menschheit auf. Wir sind uns dessen bewußt, daß unser Standpunkt zu dieser Frage auf Grund der langjährigen Haft subjektiv erscheinen könnte. Um den Ungläubigen und Mißtrauischen, namentlich aber den Gegnern dieses Argument zu nehmen, haben wir uns größtenteils auf historische Do­kumente zu diesen Problemen gestützt.

Was Dokumente bezeugen…

Auf den Seiten dieses Buchs sprechen häufig Generale, SS-Offiziere und andere Nazis. Ihr dokumentarisches Zeugnis ist nicht nur das Spie­gelbild ihrer Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart. Manche Schilderungen werden das menschliche Gefühl tief erschüttern. Dennoch muß man weiterlesen, um den Faschismus zu erkennen. In Nürnberg und in anderen westdeutschen Städten fand eine Reihe von Prozessen gegen die Nazi-kriegsverbrecher statt.

Wollten wir ein Diagramm über die Höhe der Urteile zusammenstellen, so bekämen wir eine eigenartige Kurve, die nach dem Jahre 1946 stark ansteigt, während sie im Jahre 1951 plötzlich abfällt. Kriegsverbrecher werden rehabilitiert, und zum Tode verurteilte Massenmörder werden aus der Haft entlassen; als „Ostspezialisten“ üben sie teilweise sogar ihre alten Funktionen wieder aus.

Lächerlich geringe Strafen

In diesen Prozessen wurde viel verschwiegen, und die Verhandlungen wurden so geführt, daß lächerlich geringe Strafen ausgesprochen wur­den oder auch im zunehmenden Maße Freispruch für berüchtigte Mas­senmörder erfolgte. In den Prozessen gegen die Kriegsverbrecher war eine gewisse Zwiespältigkeit zu spüren, die in den unehrlichen Motiven begründet lag, mit denen man den Krieg gegen den Nazismus geführt, aber auch Hitler zur Macht verholfen hatte. Für die Beurteilung der Schuld reichten die üblichen Maßstäbe und Begriffe nicht aus.

Was für eine Strafe kann man sich überhaupt für einen Menschen ausdenken, der für den Mord an Tausenden Kindern verantwortlich ist? Deshalb ist auch die Höhe der einzelnen Urteile zweitrangig. Wichtiger ist es, bis zum Beginn der Verbrechen vorzudringen und die Ursachen zu ergründen, die die Entwicklung bis zu den unglaublichen Ungeheuerlich­keiten von Auschwitz ermöglichten.

Der schwarze Rauch von Auschwitz

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Als wir in Birkenau bei Auschwitz dem dichten schwarzen Rauch nachblickten, der sich den ganzen Tag lang aus den Schornsteinen der Krematorien wälzte, hatten wir nicht die leiseste Ahnung, daß es sich um ein vollendetes System der Massenvernichtung von ungeheuren Ausmaßen handelte. Wir wußten damals nichts von den Geheimanstalten in Bernburg, Hadamar, Sonnenstein und anderswo in Deutschland, wo Hitler schon lange vor Auschwitz deutsche Frauen, Männer und Kinder tötete. Das war die Vorbereitung der Nazis für den geheimen Gaskrieg, der bald zur Lösung des Hauptproblems der Nazis wurde: die „minderwertigen“ Rassen, vor allem die slawischen Völker, zu liqui­dieren. Dieser Gaskrieg gegen wehrlose Männer, Frauen und Kinder spielte sich in den heute noch wenig bekannten Vernichtungslagern auf polnischem Territorium ab. Auschwitz – das war die Naziperspektive, die technische und materielle Vorbereitung der „Umsiedlung“ von 30 Millionen Angehörigen der slawischen Völker nach dem „siegreichen“ Krieg.

Eine Todesfabrik…

Alle übrigen Konzentrationslager stellen nur bloße Handwerksbetriebe dar im Vergleich zum Kombinat des Todes in Auschwitz. Es ist gerade das Auschwitzer System, das die faschistischen Ziele und Methoden am unverblümtesten enthüllt. Es waren Ökonomen und Wis­senschaftler, die den Betrieb des mechanisierten Todes am Fließband schufen, vervollkommneten, ausdehnten und leiteten; gleichzeitig sorg­ten sie für die Beseitigung der Spuren ihrer Verbrechen.

Nicht nur in der Uniform von Himmlers SS-Bande steckten die Ver­brecher. Sie trugen auch Zivilkleidung aus bestem englischem Stoff. Sie saßen nicht nur in den Behörden, Ministerien oder in Hitlers Reichs­kanzlei, sondern vor allem in den prunkvollen Direktionszimmern der internationalen Monopole in Frankfurt, Essen und anderen Städten. Diese Industriekapitäne, die Finanziers Hitlers, waren, auch wenn sie vielleicht nie im Leben einen Häftling selbst gesehen haben, die Haupt­urheber, die Profitmacher der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Auschwitz war ein Mittel zur Erlangung ihrer großen Ziele: Prag, War­schau, Kiew, Moskau und schließlich die Beherrschung der Welt…

…die Sowjetunion „ausbluten“ lassen

Sie kalkulierten zynisch die unermeßlichen sowjetischen Opfer auf demselben Konto ein, auf dem die Zahlenkolonnen der Profite und Opfer aus Auschwitz immer größer wurden. Während die Sowjetsolda­ten die Riesenlast der längsten Front in der Geschichte aller Kriege trugen, sahen die verantwortlichen Männer des Westens gleichmütig den Flammen aus den Auschwitzer Krematorien zu, indem sie durch ihre Absicht, die Sowjetunion ausbluten zu lassen, jahrelang die zweite Front hinauszögerten und dadurch den blutigsten aller Kriege, damit auch Auschwitz verlängerten.

In diesem Lichte müssen wir die Rolle der siegreichen Sowjetarmee, der Befreierin, sehen, die die Auschwitzer Drohung der physischen Ver­nichtung von der tschechischen und der polnischen Nation und von anderen Nationen abwendete.

An die Nachgeborenen!

In diesem Buche geht es nicht allein um die jüdische Frage. Hitler kannte auch die tschechische, polnische und slawische Frage. Uns geht es um die faschistische Frage. Die Faschisten haben ihre Hände mit dem wertvollsten Blut befleckt, mit dem Blute von Kindern! Die Kinder aber gehören der Menschheit und ihrer Zukunft. Dafür schrieben wir dieses Buch.

Quelle: Ota Kraus/Erich Kulka „Massenmord und Profit. Die faschistische Ausrottungspolitik“, Dietz Verlag GmbH, Berlin, 1963. Vorwort. Bilder: dieselben: „Noc a mlha“ („Nacht und Nebel“). Prag 1958. (Zwischenüberschriften eingefügt. N.G.)

Anhang:

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Quelle: Neues Deutschland, 30. Mai 1979, S.6.


Siehe auch:
BRD (1959): Alte Nazis – neue Uniformen

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8 Antworten zu Der faschistische Massenmord und der Profit der deutschen Konzerne

  1. Henk Gerrits schreibt:

    Danke fur diesen besonderes artikel.

  2. Atomino schreibt:

    stammen die Bilder aus besagtem Buch „Massenmord und Profit“ ? In ihrer Deutlichkeit sind sie ja kaum zu überbieten. Man müßte dieses Buch unseren Betriebsnazis (aus Ruhm, Ehre und Überzeugung Holocaustleugner) unter die Nase zu reiben. Mich verstören nur die polnischen Bildunterschriften.

    • sascha313 schreibt:

      Die Bilder sind aus dem originalen tschechischen Buch (Texte daher in tschechisch!); sicher entspricht das der deutschen Ausgabe. Ein wichtiges, wertvolles Buch!

  3. Atomino schreibt:

    „Wir haben den Nazismus, diese Abart des Faschismus und Kulmination des Imperialis­mus…“
    Auch eine sehr gute Definition ! Heutzutage gibt es ja auf ZDF-Info und anderswo reichlich Sendungen zu Nazideutschland. Tenor : Der Hitler wars, Deutschland ist da nur reingeschlittert. Und die AfD brütet derweil als NPD-Nachfolgeorganisation ziemlich erfolgreich die neuen Faschisten von morgen aus. Aber im Gegensatz zu 1918 /1945 sind die Deutschen anno 2019 alles andere als kriegsmüde. ich sage nur „absaufen, absaufen!“ … mich fröstelt !

  4. Pingback: Irina Kusnezowa: Diese massenhaften Zwangsimpfungen sind ein Verbrechen! | Sascha's Welt

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