„Wahrer Humanismus kann nur der Humanismus des Proletariats sein, das sich ein großes Ziel setzt: die Änderung aller Grundlagen des sozial-ökonomischen Daseins unserer Welt.“ (Maxim Gorki) [1]
(Bild: W.L. Sujew – Subbotnik, 1950)
Der sozialistische Humanismus gibt die prinzipielle Antwort auf die Frage
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nach dem Wesen des Menschen,
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nach dem Sinn seines Lebens,
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nach dem Weg seiner Persönlichkeitsentfaltung im Sozialismus,
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nach den Ursachen für seine Entfaltungsmöglichkeiten und
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nach der Möglichkeit und der Notwendigkeit seiner ständigen Höherentwicklung.
Der Mensch der sozialistischen Gesellschaft „ist bestrebt, ein wissender Mensch, eine allseitig gebildete Persönlichkeit zu werden, bewußt das Leben zu gestalten und in der Entwicklung unserer sozialistischen Demokratie schöpferisch teilzunehmen. Für ihn gehören Menschenwürde und Gerechtigkeit zu den Grundsätzen des neuen Lebens.“ [2]
Damit gehen seine Elemente auch in die sozialistische Pädagogik ein. Der sozialistische Humanismus durchdringt das Erziehungs- und Bildungsziel in der sozialistischen Gesellschaft und gibt grundlegende Gesichtspunkte für die allgemeine Methodik des sozialistischen Bildungs- und Erziehungsprozesses, die allgemeinen Richtlinien für die Löung der Aufgabe, den sozialistischen Menschen zu erziehen. Er bestimmt das Menschenbild des Sozialismus.
ZUR GESCHICHTE DES HUMANISMUS
Die marxistische Auffassung vom Wesen des Menschen ist das Ergebnis eines langen historischen Entwicklungsweges, den das Wissen des Menschen über sich selbst gegangen ist. Die Geschichte des Humanismus kann aufgefaßt werden als ein Prozeß der Selbsterkenntnis der Menschheit, als Prozeß der Entwicklung des Wissens um die eigenen Möglichkeiten und um die Verpflichtung vor sich selbst. Deshalb ist der sozialistische Humanismus nur als Teil und als Ergebnis dieser Entwicklung zu verstehen.
Der Humanismus der Antike
Das Leben der Freien in der griechischen Polis, Lebensstil, Lebensgefühl und Philosophie der herrschenden reichen Oberschicht der städtischen Demokratie ließen jene stolze Erkenntnis gewinnen, daß für den Menschen eben dieser Mensch das Maß aller Dinge ist. SOPHOKLES spricht das menschheitsbewußte Wort: Vieles Gewaltige gibt es, aber nichts ist gewaltiger als der Mensch. Zwar ist es ein exklusives, nur einen kleinen Teil der Menschen betreffendes Ideal, nicht die kleinen Händler, Handwerker oder gar die Sklaven sind gemeint, sondern nur die Angehörigen der reichen herrschenden Schicht.
Sie sind nicht gezwungen zu arbeiten, sondern können sich edleren Tätigkeiten widmen: Gymnastik und Wettkampf entwickeln körperliche Schönheit, Dialoge mit Philosophen lehren das Denken, sie sind der wohlgesetzten Rede mächtig, genießen und schaffen Kunstwerke. Ein aristokratisches Ideal, aber ein in seiner gedanklichen Substanz so fruchtbares, daß ganze Jahrhunderte ihre pädagogischen Zielvorstellungen danach ausrichteten. … Dieses antike Bild vom Menschen gab in den kommenden Jahrhunderten immer wieder Anlaß, die diesseitsfeindlichen, auf ein besseres Jenseits gerichteten Vorstellungen zu überprüfen. Die Gedankentiefe der griechischen Philosophie, ihr Menschenbild wirkt bis in die heutigen Tage.
Der bürgerliche Humanismus
Die Rückbesinnung, die Wiederentdeckung dieser Gedanken leitete in der Renaissance den bürgerlichen Humanismus ein. Die Rückbesinnung jener geistigen, literarischen und wissenschaftlichen Bewegung auf das klassische Altertum, der man die Bezeichnung Humanismus gab, war ein ideologischer Ausdruck des neuen Selbstbewußtseins der aufsteigenden bürgerlichen Klasse, die neben den ökonomischen auch die ideologischen Fesseln des Feudalismus sprengte und in den Schriften der griechischen und römischen Klassik Bestätigung und Legitimation für ihre eigenen Ansichten, Wünsche und Zielsetzungen suchte und fand. In Deutschland erlebte der bürgerliche Humanismus in der klassischen bürgerlichen Nationalliteratur seinen Höhepunkt. Mit der Gestalt des Nathan schuf LESSING das Hohelied des Sieges der Menschlichkeit über dogmatische Engstirnigkeit und zelotischen Eifer. Im Werk GOETHEs findet der Sieg der Menschlichkeit über alle menschlichen Gebrechen seinen höchsten Ausdruck.
Der bürgerliche Humanismus ist durch folgende Wesenszüge gekennzeichnet:
- Der Humanismus erkennt den Menschen als den Maßstab des Menschen, als den Sinn- und letzten Bezugspunkt seines Lebens, wobei für ihn das Individuum im Vordergrund steht, sein Verhältnis zur Gesellschaft wird nicht richtig gesehen.
- Er bemüht sich, das eigentliche Wesen des Menschen, nicht mehr oder weniger zufällige Äußerlichkeiten zu erfassen und durch die Erziehung harmonisch und allseitig zur Entfaltung zu bringen.
- Er erkennt das Primat der Vernunft über das Chaotische, Irrationale, Ungezügelte, Romantische und vertritt das Edle, Aufrechte, Schöne, Beherrschte.
Die menschenfeindliche Ziele des Imperialismus
Die heutigen ideologischen Vertreter der deutschen Großbourgeoisie haben sich entschieden vom Humanismus losgesagt, weil sich ihre menschheitsfeindlichen Ziele mit keiner Form des Humanismus vertragen. Nicht einmal mehr als Tarnung kann er ihnen dienen. Bereits 1959 schrieb der westdeutsche Pädagoge Fritz Blättner:
„Wir müssen lernen, die Grenzen der Menschenbegeisterung zu erkennen, müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Humanisten (wie wir die Menschenbegeisterten zu nennen gewohnt sind) die Welt verengt haben auf den Menschen und seine Schöpfungen, daß sie darauf verzichtet haben, über ihn selbst hinaus zu fragen nach dem Woher dem Wohin nach Schöpfung, Geburt und Tod, nach dem Ursprung und dem Sinn jener Kräfte, die sie hymnisch preisen. Erst jenseits der Menschenbegeisterung bekommen die alten Worte von der Gnade, der Sünde, der Erlösung, der Heiligung, der Prüfung, der Erwählung, der Verdammnis ihren tieferen Sinn.“ [3]
Ein religiös verbrämter Anti-Humanismus
In diesen Worten kündigt sich bereits jene „Revision des Humanismus vom Glauben her“ an, die Ende 1960 von Bernhard Hanssler, geistlicher Direktor im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, auf dem kulturpolitischen Kongreß der Adenauer-CDU vollzogen wurde.
„Wie wir den Menschen denken“, so sagte er, „so werden wir die Schule entwerfen. Unsere Schule darf nicht mehr die alten schwärmerischen Träume weiternähren vom edlen Menschen, vom aufrechten Menschen, vom autonomen Menschen, vom naturangepaßten Menschen, vom prometheischen Menschen, vom homo faber, vom sach- und funktionsbestimmten Menschen, vom schicksalhaft milieubestimmten Menschen, vom triebbestimmten Menschen.“ [4]
Vertröstung auf ein „besseres Jenseits“
Es ist Demagogie, in diese Abwertung auch den milieu- und triebbestimmten Menschen einzubeziehen, gedacht als Irreführung der Menschen, denen Glauben noch ein echtes Anliegen ist. Als wäre der triebbestimmte Mensch je Gegenstand schwärmerischen Menschheitstraumes gewesen. Hier wird der Kampf all jenen angesagt, die für den edlen, den aufrechten Menschen eintreten, denen Prometheus zum Sinnbild wurde. Was an die Stelle des humanistischen Erziehungszieles gesetzt wird, bleibt in Unbestimmtheit.
Hansslers Gegenprogramm ist, „daß der Mensch sich versteht als Geist bestimmt, was zumal die Freiheitsberufung einschließt, und daß er sich versteht als den zur Mitmenschlichkeit berufenen“. Aber um ja nicht mißverstanden zu werden in seiner Verneinung des Humanismus fährt er fort: „…was etwas sehr anderes ist als alle Humanitätsschwärmerei und alle Altruismus-Ideale vergangener Zeiten…“ Ja, er versteigt sich zu der perfiden Behauptung: „Wer sich der religiösen Begegnung verschließt, ist ein defekter Mensch, und wer einen autonomen welt-immanenten Humanismus in der Bildungstheorie vertritt, der vertritt eine defekte Menschenlehre.“ [5]
Jeder Humanismus ist in diesem Sinne autonom, weltimmanent, denn es gibt keinen Humanismus, dem nicht der Mensch, das Menschsein im wirklichen, im diesseitigen konkreten Leben, der Sinn und der Maßstab ist. Das ist gerade ein wesentliches Merkmal des Begriffs Humanismus, und diese Auffassung wird als defekt beschimpft.
Der sozialistische Humanismus in der DDR
So wie die deutsche Arbeiterklasse sich durch ihren heroischen Kampf für die Belange des ganzen Volkes als führende Klasse der Nation legitimierte und alle Errungenschaften und fortschrittlichen Gedanken der Vergangenheit übernahm und weiterführt, hat sie auch die progressiven Elemente des bürgerlichen Humanismus bewahrt. Deshalb konnte ihr Staat, die Deutsche Demokratische Republik, zur Heimstatt aller humanistischen Gedanken und Kunstwerke werden.
Walter Womacka – Wandbild Haus des Lehrers (1964)
Humanismus aus marxistischer Sicht
In der Auseinandersetzung mit Hegel und Feuerbach hat MARX die Grundzüge der dialektisch-materialistischen Sicht vom Menschen herausgearbeitet, den realen Humanismus, wie er ihn selber nannte, begründet. Die grundlegende Marxsche Erkenntnis über die Entstehung des Menschen ist eine Umstülpung der Hegelschen Ansicht von der Entstehung des Menschen als dialektischen Entwicklungsprozeß des objektiven Geistes.
„Das Große an der Hegelschen Phänomenologie … ist also einmal“, sagt Marx, „daß Hegel die Selbsterzeugung des Menschen als einen Prozeß faßt, die Vergegenständlichung als Entgegenständlichung, als Entäußerung und als Aufhebung dieser Entäußerung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eigenen Arbeit begreift … (Hegel) erfaßt die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen des Menschen.“ [6]
Schöpferischer Humanismus
Marx stellt aber auch hier Hegel „vom Kopf auf die Füße“, indem er dessen Ansicht von der Arbeit, diese nur als abstrakt-geistige Arbeit zu fassen, vertieft, indem er die praktische, produktive Tätigkeit, die Veränderung wirklicher, sinnlicher Gegenstände, als Arbeit erkennt, die das Werden und die Entwicklung des Menschen bestimmt.
„In der gewöhnlichen materiellen Industrie … haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher Gegenstände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten Wesenskräfte des Menschen vor uns.“ [7]
Der Sinn des Lebens – im Sozialismus verwirklicht
Durch die Arbeit, und eben nicht nur durch die abstrakt-geistige Arbeit, sondern die praktische Tätigkeit, die Produktion materieller Güter, schafft sich der Mensch, entwickelt er sein Wesen, umgibt er sich durch die Veränderung der Natur, mit dem – durch die Arbeit entstandenen – vergegenständlichten Wesen seiner selbst. Dadurch auch schafft er sich selbst, seine menschlichen Sinne. Karl Marx schrieb:
„Wie erst die Musik den musikalischen Sinn des Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik keinen Sinn hat … , weil der Sinn eines Gegenstandes für mich … gerade so weit geht, als mein Sinn geht, darum sind die Sinne des gesellschaftlichen Menschen andere Sinne wie die des unqesellschaftlichen, erst durch den gegenständlich entfalteten Reichtum des menschlichen Wesens wird der Reichtum der subjektiven menschlichen Sinnlichkeit, . . . werden erst menschlicher Genüsse fähige Sinne … teils erst ausgebildet, teils erst erzeugt. Denn nicht nur die fünf Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc.), mit einem Wort der menschliche Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegenstandes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der fünf Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte … Die Vergegenständlichung des menschlichen Wesens“, also die Arbeit, die Produktion materieller Güter, „gehörte dazu, sowohl um den Sinn des Menschen menschlich zu machen als um für den ganzen Reichtum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen.“ [8]
Ein qualitativ neues Menschenbild
Vereinfacht zusammengefaßt wird hier festgestellt, daß der Mensch durch die Arbeit Dinge schafft, die seinem Wesen entsprechen, die sein Wesen vergegenständlichen, gleichzeitig schafft er sich damit Sinne, bildet er in sich die Möglichkeit aus, diese Ergebnisse seiner Arbeit, eben sein vergegenständlichtes Wesen, in seinem Wesen entsprechender Weise aufzufassen, sie sich in menschlicher Weise anzueignen. Es ist einsichtig, daß diese neue, wissenschaftliche Auffassung über Entstehung und Entwicklung des Menschen nicht nur zu einer völlig neuen, geradezu entgegengesetzten Auffassung der praktischen Arbeit führen mußte, als sie dem bürgerlichen Humanismus eigen war, sondern daß damit auch ein qualitativ neues Bild vom Menschen geschaffen ist.
,,Im sozialistischen Gemeinwesen, das auf dem sozialistischen Gemeineigentum an den Produktionsmitteln beruht, tritt das freigesetzte Individuum wieder mit der verdinglichten Totalität seiner Produktivkräfte, Fähigkeiten und Bedürfnisse zusammen und gewinnt die freie allseitige Individualität.“ [9]
Deshalb ist der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus die größte Revolution in der Geschichte der Menschheit.
„Sie führt zur Erneuerung aller sozialen und politischen Existenzformen. Sie führt zur Umwälzung der Ideologie und der Kultur, zum Entstehen eines neuen Menschenbildes.“ [10]
Das Wesen des sozialistischen Humanismus
Der sozialistische Humanismus wird durch folgende Wesenszüge gekennzeichnet:
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Für den sozialistischen Humanismus ist der Mensch, der sich selbst geschaffen hat und der sich ständig weiterentwickelt, das höchste Wesen, Sinn und Richtpunkt aller ethischen Grundsätze. Hieraus ergibt sich der humanistische Charakter der sozialistischen Moral und Ethik.
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Er geht aus von der ständigen Weiterentwicklung vom Niederen zum Höheren auch in der menschlichen Gesellschaft und erkennt die aktive Teilnahme an dem Kampf für den Fortschritt als oberste humanistische Pflicht.
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Da er wesentlicher Bestandteil der Politik des Proletariats ist, das die Ausbeutung überhaupt abschafft und mit seiner Befreiung die Befreiung der ganzen Gesellschaft vollzieht, wird er für alle Menschen Wirklichkeit. Im Gegensatz zum bürgerlichen Humanismus ist er nicht für eine kleine Zahl von Auserwählten, sondern für alle Mitglieder der Gesellschaft Realität.
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Er erfordert eine allseitige Entwicklung der Wesenskräfte des Menschen, die nicht mehr durch eine klassenbedingte Borniertheit eingeschränkt ist, sondern in der produktiven Tätigkeit, in der Arbeit, den wichtigsten Teil des Menschen sieht. Auf der Grundlage der Befreiung des Individuums von der Abtrennung seines Wesens kann sich der Mensch die Totalität des menschlichen Wesens aneignen. Ihm fällt diese Möglichkeit mit der Notwendigkeit der Allseitigkeit zusammen.
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Der sozialistische Humanismus hebt durch die proletarische Revolution, durch die Diktatur des Proletariats, durch den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung die kapitalistische Entfremdung des Menschen auf. Er beendet die Trennung des Menschen von seinem Wesen. Damit hebt er eine Reihe von Gegensätzen auf, die für die Klassengesellschaft typisch waren und die vom bürgerlichen Humanismus nicht beseitigt werden konnten, obwohl dieser das versuchte. Und es ist deutlich, daß diese Versuche des bürgerlichen Humanismus das Vermächtnis darstellen, das vom realen, sozialistischen Humanismus übernommen und weiterentwickelt wurde, so daß wir sagen können, daß erst im Sozialismus die progressiven Forderungen des bürgerlichen Humanismus verwirklicht werden können.
Welche Gegensätze werden verschwinden?
Zu diesen Gegensätzen, die der sozialistische Humanismus aufhebt, gehören folgende:
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Der Gegensatz von Individuum und Gesellschaft. Das Individuum befindet sich im Sozialismus nicht mehr im Gegensatz zur Gesellschaft, weil seine Entäufierungen seines Wesens ihm nicht mehr als feindliche, ihn beherrschende Macht gegenübertreten, sondern seinen Teil zum Gesamtreichtum der Gesellschaft darstellen, den es sich als freier Mensch in der Gemeinsamkeit mit den anderen freien Individuen aneignet. Damit hören seine Interessen auf, den Interessen der Gesellschaft entgegenzutreten, sie fallen zusammen, stimmen überein.
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Der Gegensatz von Produzent und Produkt. Im Sozialismus wird der Produzent nicht mehr von seinem Produkt, seinem Arbeitsergebnis getrennt. Sein vergegenständlichtes Wesen, das einen vorher nie gekannten Reichtum und eine vorher nie erreichte Vielfalt annimmt, bleibt in seinem Besitz, gehört ihm mit der ganzen Gesellschaft. Damit ist er nicht nur in seinen tierischen Funktionen er selbst, sondern in der hauptsächlichen Sphäre der menschlichen Entäufierung, der produktiven Arbeit, entfaltet sich sein nicht mehr von ihm getrenntes menschliches Wesen. Das ist die Grundlage dafür, daß die Arbeit ihren Zwangscharakter verliert und zum ersten Lebensbedürfnis des Menschen werden kann.
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Der Gegensatz von Volksmassen und Herrschaft. Da im Sozialismus die Ergebnisse der Arbeit nicht mehr von einer Klasse angeeignet werden, sondern Besitz der ganzen Gesellschaft bleiben, entfällt die Notwendigkeit der Unterdrückung der Mehrheit durch eine Minderheit. Die Leitung der Gesellschaft kann der politischen Herrschaft, der Unterdrückung entbehren, sie wird immer mehr zu einer Verwaltung von Sachen, sie wird zur Planung und Leitung der Produktion der freien Produzenten. Das verlangt die Teilnahme aller an dieser Aufgabe.
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Die Trennung der Werktätigen von Kunst und Wissenschaft. Die Produzenten der sozialistischen Gesellschaft eignen sich den gesamten Reichtum der Gesellschaft an und damit auch die Ergebnisse der geistigen Arbeit, deren Gegensatz zur körperlichen Arbeit aufgehoben wird. Damit wird Kunst und Wissenschaft, bislang Privileg einer kleinen Minderheit der Gesellschaft, zum Allgemeinbesitz aller Menschen. Das führt zu einer gewaltigen Bereicherung nicht nur des Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft. Das menschliche Wesen erfährt damit eine schnelle weitere Differenzierung und Höherentwicklung.
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Der Gegensatz von Moralnorm und tatsächlichem Verhalten. Was unter den Bedingungen der kapitalistischen Entfremdung des‘ Menschen nur Idealbild und Wunschtraum der besten Geister der Menschheit bleiben konnte, wird zur Wirklichkeit. Die dem Wesen des Menschen entsprechenden Moralnormen können zur Richtschnur des tatsächlichen Verhaltens der Menschen werden. Es wird geradezu erforderlich und notwendig, dafi sich das praktische Verhalten nach Normen richtet, die dem eigentlichen Wesen des Menschen entsprechen. Das führt zu einer schnellen Höherentwicklung des Menschen, weil damit alle Behinderungen wegfallen, die seiner Entfa]tung in der Klassengesellschaft entgegenstanden.
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Der Gegensatz von Macht und Geist. Im Sozialismus, im Kampf der kommunistischen Arbeiterbewegung ist die Macht das Werkzeug des Geistes, ist sie die Kritik der Waffen, die die Waffe der Kritik ergänzt. Damit hört der Humanismus auf, hilfloser Appell an die Einsicht zu sein, er wird zur weltverändernden Gewalt, die das Leben der Menschen menschlich gestaltet. Der sozialistische Humanismus durchbricht damit eine Schranke des bürgerlichen Humanismus, die immer von den bürgerlichen Humanisten schmerzhaft empfunden wurde.
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Der Gegensatz von Politik und Privatleben. Die Politik hört auf, eine Erscheinung zu sein, die von der Produktion scheinbar unabhängig ist. Die Produktion selbst wird Politik, jener Bereich menschlichen Lebens also, der zum Mittelpunkt geworden ist für die Entfaltung des menschlichen Wesens. Da die Produktion aufgehört hat, vom privaten, freier Tätigkeit gewidmeten Bereich getrennt zu sein, wird damit auch die Politik einbezogen in die Gesamttätigkeit des Menschen, sie rückt ins Zentrum seines Menschseins, indem sie eine menschliche Politik wird.
GÜNTER SCHULZE
Quelle:
Pädagogische Enzyklopädie (2 Bde.), VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1963, Bd.2, S.883-890 (gekürzt u. bearbeitet, Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)
Zitate:
[1] Maxim Gorki: An den Kongreß zum Schutze der Kultur. In: Maxim Gorki: Für Frieden und Demokratie. Skizzen, Pamphlete, Artikel, Reden, Briefe, Berlin, 1954, S.346.
[2] Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. In: Neues Deutschland, Jg.17, 1962, Nr. 322, S.6.
[3] Blättner, F.: Geschichte der Pädagogik, Heidelberg 1959, S.243.
[4] Erziehung – Bildung – Ausbildung. In: Neue Deutsche Schule, Jg.13, 1961, H.1, S.4.
[5] Ebenda.
[6] Kurella, A.: Der Mensch als Schöpfer seiner selbst. Berlin 1958, S.38.
[7] Marx/Engels: Kleine ökonomische Schriften. Berlin 1955, S.135.
[8] Ebenda, S.133 f.
[9] Kurella, A.: a.a.0. S.74.
[10] Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, a.a.O., S.1.
Zusammenfassend:
Humanismus: Streben nach Menschlichkeit (Humanität) und menschenwürdiger Daseinsgestaltung, im weiteren Sinne die Gesamtheit jener Ideen und Bestrebungen in der die Geschichte der Menschheit, die von der Bildungs- und Entwicklungsfähigkeit des Menschen, von der Achtung seiner Würde und Persönlichkeit ausgehen und auf die allseitige Ausbildung, die freie Betätigun und Entfaltung seienr schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten auf die Höherentwicklung der menschlichen Gesellschaft, auf immer größere vervollkommnung und Freiheit des Menschengeschlechts gerichtet sind.
Zuzustimmen in jeder Hinsicht !
Wieviel Zuversicht, Erkenntnis und Wahrhaftigkeit finde ich in diesem Text. Der fehlte im Studium der Pädagogik/Psychologie an einer von zwei Universitäten wo der marxistische Ansatz wirklich studiert werden konnte. Gegen sehr viele Widerstände der altehrwürdigen Lehrenden haben wir Studierende genau das durchgesetzt. Mit was für einer Leidenschaft wurde Makarenko, besonders wichtig für die Sozialarbeit/Sozialpädagogik studiert. In Arbeitsgruppen ging es im wahrsten Sinne des Wortes ins „Eingemachte.“
Tatsache ist aber auch, dass ohne die wissenschaftliche Literatur der DDR und der Sowjetunion es so nicht möglich gewesen wäre, allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass wichtige Passagen in vielen Büchern in der Alt BRD einfach nicht gedruckt wurden, meist handelte es sich um die Quellennachweis von Marx, Engels und Lenin. Ob es mit dem Verbot der KPD von 1956, also mit dem Verbot des Marxismus/Leninismus zusammenhängt will ich nicht ausschließen, denn sie „arbeiten“ gründlichst, wenn es darum geht fortschrittliches Gedankengut mit Stumpf und Stil ausrotten zu wollen. Eine schwierige Zeit, eine Zeit der Umbrüche auch in den Wissenschaften. Ständige Auseinandersetzungen die einen daran hindern sollten den Dingen auf den Grund zu gehen, einen neuen Begriff in den Erziehungswissenschaften zu bestimmen, sich von der Vereinzelung zu verabschieden und den Kampf für eine humane Pädagogik/Psychologie zu kämpfen auf Grundlage der Forschungen und Ergebnisse der DDR Literatur, als auch mit den sowjetischen Wissenschaftlern und auch den Wissenschaftlern die in der Alt BRD in diese Richtung forschten, wie Jantzen, Holzkamp , Osterkamp u.a. Wolfgang Jantzen: Arbeit, Tätigkeit, Handlung, Abbild – Zu einigen Grundfragen der Entwicklung materialistischer Psychologie
Forum Kritische Psychologie Bd. 9, 1981
Jantzen: Bedürfnis, Emotion, Motiv: Zum Instrasystemzusammenhang sinnbildender Strukturen im Aufbau der Prozesse des Psychischen in der Tätigkeit. In: Studien in der Tätigkeitsttheorie III, Materialien über die 3. Arbeitstagung zur Tätigkeitstheorie , Bielefeld 1986
Jantzen: Gesundheit als Lebenswert in der sozialistischen Gesellschaft, in Jahrbuch der für Psychopatholgie und Psychotherapie 8, 1988
„Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit, Zitat Ende (Jantzen)
Die kompromisslose Bejahung der menschlichen Entwicklung unter kapitalistischen Verhältnissen war nur mit einem Fundament möglich, dass jeder Erschütterung standhalten konnte. Mit dem Mut zum Fortschritt, der in den Lehrplänen, in der praktischen Sozialarbeit, in der Sozialpädagogik, in der Psychologie und nicht zuletzt in der therapeutischen Arbeit der rote Faden war , aber auch ein „Schutzschild“ für uns, die in diesen gesellschaftlich relevanten Bereichen arbeiteten.
Mit dem Radikalenerlass wollte man den Öffentlichen Dienst „sauber“ halten von den Kommunisten. Berufsverbote und der Kampf für die Einstellung unserer kämpfenden Genossen hat uns damals alle verändert. Wir waren bis zum Äußersten bereit und man kann nur erahnen, was es für die Genossen bedeutet hat ihr Leben, auch ihr berufliches Leben für unsere Sache zu geben.
Keiner von uns wurde in den Öffentlichen Dienst übernommen. Als Dipl. Päd. an einer berufsbildenden Schule das Konzept für die Schulsozialarbeit geschrieben und nach zwei Jahren wurde der Arbeitsvertrag nicht verlängert mit der Begründung, dass das Land Niedersachsen zu dem genannten Zeitpunkt keine Einstellungen vorsieht. Parasiten. Man hat unsere hervorragende Ausbildung für die Unfähigkeiten in den Schulen benutzt um uns dann zu entsorgen.
Tausende haben ähnliches erlebt, allerdings hat es uns nicht davon abgehalten in den genannten Bereichen in denen wir tätig waren die Bildung und das Lernen an die erste Stelle zu setzen und den Menschen, meist entwurzelt und hoffnungslos dem System ausgesetzt kompromisslos zur Seite zu stehen und den Lernprozess wann immer möglich zu befördern.
Danke, auch wenn mir nach dem Lesen auffiel, daß vieles darin doch etwas „trocken“ und akademisch daherkommt. Das Wesentliche ist: Der sozialistische Humanismus hat seine Prüfung in der Praxis der DDR glänzend bestanden! Es war eine menschliche Gesellschaft! Auch wenn mir vieles, was im Westen geleistet wurde, noch unbekannt ist. Ein Glück, daß es dazu nachlesbare Literatur gibt!
Und: noch etwas! Das Bild des sowjetischen Malers Wassili Loginowitsch Sujew hat mir dazu ausgezeichnet gefallen, weil es die humanistische Atmosphäre eines Subbotniks wiedergibt. Allerdings ist in der Mitte des Bildes (im Hintergrund links neben der Bank) zu sehen, daß revisionistische Vandalen das gemalte Stalin-Denkmal eingefärbt (wegretuschiert!) haben. Auch so wurde nach 1956 die Geschichte gefälscht!
Hat dies auf giskoes gedanken rebloggt.
Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt.
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Das Foto hätte auch aus dem Jahr 1983 sein können. Da haben wir nämlich eine Wohnung in Erfurt gekriegt und nachdem alle eingezogen sind vor dem Haus Bäume gepflanzt. An einem sonnigen Sonnabend mit Bratwurst und Bier. Glückliche Zeiten!!!!