
Der ehemalige russische Spion Skripal (2.v.l.) im Kreise seiner neuen britischen Freunde
Wenn aus zunächst unbewiesenen Behauptungen, wie im Falle des „russischen Giftgaseinsatzes“ gegen den vorbestraften Spion Skripal oder der aus derselben Hexenküche stammenden Gerüchte über „syrische Faßbomben“, wieder einmal „offizielle Erklärungen“ fabriziert werden über etwas, was „höchstwahrscheinlich“ so – und gar nicht anders! – geschehen sei, so ist das kennzeichnend für eine Situation, wie sie Lenin schon einmal in den Jahren nach 1907 beschrieb: „Niedergang, Demoralisation, Spaltungen, Zerfahrenheit, Renegatentum, Pornographie anstelle der Politik. Verstärkter Hang zum philosophischen Idealismus; Mystizismus als Hülle konterrevolutionärer Stimmungen“ [1] – und das diente schon damals als Begründung für einen grausamen Polizeiterror. Heute ist der Terror subtiler – er beschränkt sich vorerst auf bürokratische Maßnahmen…
Es ist subjektiver Idealismus!
Lenins bedeutendes Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“ wurde geschrieben im Jahre 1908. Schon damals versuchten eine Anzahl haßerfüllter Feinde des dialektischen Materialismus die wissenschaftlichen Anschauungen von Marx und Engels für „veraltet“ zu erklären. Die Engelssche Dialektik sei „Mystik“, behauptete Berman. Der Materialismus sei „längst widerlegt“, tönte Basarow, und man zitierte den englischen Bischof Berkeley, der schon 1871 der Meinung war: „In Wahrheit sind Objekt und Empfindung ein und dasselbe (are the same thing), weshalb sie voneinander nicht abstrahiert werden können“ [2] Was ist das anderes als subjektiver Idealismus!
Was ist der Sinngehalt einer solchen Aussage?
Im logischen Positivismus ist die Verifikation einer Aussage lediglich mit einer Bestimmung des Sinngehalts verbunden, d.h. eine Behauptung gilt nur dann als sinnvoll, wenn man ihr ein Verfahren zur Ermittlung der Empfindungen des Subjekts zugrunde legen kann. Und dieses Verfahren heißt hier: „Putin ist schuld“ oder „es waren die Russen“. Wenn sich aber eine Behauptung nicht mit Sinnesdaten oder mit subjektivistisch interpretierten „Fakten“ vergleichen läßt, wird sie als „wissenschaftlich sinnlos“ betrachtet. Doch, so simpel wie es klingt, das Verfahren funktioniert eben nur, wenn die Zeitungsleser, die Volksmassen, die Rezipienten usw. bisher schon genügend verblödet wurden. Klar, daß eine wissenschaftliche Weltanschauung für bürgerliche Journalisten und Meinungsmacher heute nur noch ein Fremdwort ist.
Gibt es auch eine Wahrscheinlichkeit?
Ja, natürlich gibt es sie. In der Wahrscheinlichkeitslogik werden Aussagen, deren Wahrheitswert zwischen 0, dem Falschen, und 1, dem Wahren, liegt, als Hypothesen bezeichnet. Solche Hypothesen spielen in der Praxis eine wichtige Rolle. Aus der Praxis weiß man, daß sich Hypothesen hinsichtlich ihres Wahrscheinlickeitsgrades wesentlich unterschieden können. Damit ergibt sich beim Aufbau einer Wahrscheinlichkeitslogik das Problem, eine sinnvolle Abstufung der Hypothesen nach ihrer Wahrscheinlichkeit zu finden. Es dürfte klar sein, daß die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese vom Umfang der angesammelten Kenntnisse abhängt. Nicht nur Urteile, sondern auch Begriffe können wahr oder falsch sein, je nachdem, ob sie die Wirklichkeit wahr oder entstellt widerspiegeln. Solange aber eine Aussage noch nicht bewiesen ist, kann auch kein Urteil gefällt werden. Darauf beruhende Sanktionen sind eine Form des Staatsterrorismus.
Von der Lüge zur falschen Beschuldigung
Was geschieht nun also mit den unbewiesenen Behauptungen? Das positivistische Verifikationsprinzip identifiziert Existenz mit Empfindbarkeit, Wahrheit mit Prüfbarkeit und den Sinn einer Behauptung mit dem Verfahren der Prüfung. Da sich aber die Frage nach der Wahrheit als völlig abhängig von der individuellen Erfahrung erweist, sind die unbewiesenen Behauptungen nicht anderes als subjektiver Idealismus. Willkommen bei Bischof Berkeley (von 1710) und seiner Weltsicht! „Mit anderen Worten“ schreibt Lenin, „es wird die Beweisführung Berkeleys wiederholt: ich empfinde nur meine Empfindungen; ich bin nicht berechtigt, ,Objekte an sich‘ außerhalb meiner Empfindungen anzunehmen.“ [5] So einfach ist das, und so dumm! Später modifizierte man Verifizierbarkeit zu Nicht-Falsifizierbarkeit, d.h. nicht die Wahrheit, sondern die Nicht-Falschheit von Behauptungen sollte bewiesen werden. Ja, das hätten sie gern – die Herren Kläger! Doch gilt immer noch: die Beweislast bleibt liegt beim Kläger; auch trifft stets die Unschuldsvermutung zu: „in dubio pro reo“ (Im Zweifel für den Angeklagten).
Ist es nun wahr oder ist es falsch?
Nun ist die Wahrheit allerdings „ein hartnäckig Ding“ – sie kommt ans Licht – und früher oder später sind auch die Lügner und Fälscher entlarvt. Das entscheidende Kriterium für die Wahrheit einer Aussage ist allein die Praxis, d.h. stimmt eine Aussage mit der Wirklichkeit überein, ist sie wahr, andernfalls ist sie falsch. Und völlig zurecht bemerkt Friedrich Engels: „Eine historische Notwendigkeit läßt sich nicht in so kurzer Zeit beweisen, wie die Kongruenz zweier Dreiecke, sie kann nur durch Studium und Eingehen auf weitläufige Voraussetzungen bewiesen werden.“ [4] Aber jeder korrekte logische Beweis muß letztlich auf Tatsachen beruhen, auf Daten aus der Praxis. Und zwar so weit wie möglich vollständige Daten (und nicht nur subjektiv ausgewählte!). Lenin sagt, „daß der Mensch durch seine Praxis die objektive Richtigkeit seiner Ideen, Begriffe, Kenntnisse seiner Wissenschaft beweist.“ [5]
Wohin führt uns die Erkenntnis?
Sie führt uns zur Lösung der Probleme. Die Erkenntnis der Wirklichkeit ist eben ein Prozeß, bei dem sich das Denken immer mehr der absoluten Wahrheit annähert. Und damit ist auch gesagt, was von der britischen Lügenfabrik zu halten ist – nämlich nichts. Es sind allesamt bürgerliche Banditen, die die Öffentlichkeit in die Irre zu führen beabsichtigen. Und warum? Weil jede weitere Erkenntnis letztlich auch die werktätigen Klassen einen Schritt weiter bringt auf dem Wege zur Erkenntnis der gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und zu ihrer Selbstbefreiung von Ausbeutung und Unterdrückung durch die herrschenden Minderheiten, die Bourgeoisie.
Zitate:
[1] W.I. Lenin: „Der ,linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus“. In: Werke, Dietz Verlag Berlin, 1966, Bd.31, S.12.
[2] George Berkeley: „Tratise concerning the Principles od Human Knowledge“, Oxford 1971, § 5 (zit. nach W.I Lenin: „Materialismus und Empiriokritizismus“, in: W.I. Lenin, Werke, Dietz Verlag Berlin, 1973, Bd. 14, S.15.
[3] W.I. Lenin: „Materialismus und Empriokritizismus“, in: Werke, Dietz Verlag Berlin, 1973, Bd.14, S.61.
[4] Friedrich Engels: „Zwei Reden in Elberfeld“. In: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Dietz Verlag Berlin, 1962, Bd.2, S.549.
[5] W.I. Lenin: „Konspekt zur ,Wissenschaft der Logik‘. Die Lehre vom Begriff“. In: Werke Bd. 38, S.181.
Eine ausführliche, wenngleich nicht marxistische Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Lügen kann man auch hier nachlesen:
- Das Treiben der Lämmer: OPERATION „NOVI-SCHRECK“