„Weg mit dem Kopftuch, ihr Frauen – zeigt euer Gesicht!“ Sowjetische Kampagne zur Befreiung der Frauen 1920-1930

Im Jahre 1920 wurde in der gesamten UdSSR eine Politik umgesetzt, die eine Umbewertung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft ins Leben rief, und die darauf gerichtet war, Frauen von einem Teil ihrer hauswirtschaftlichen Pflichten zu befreien, ihnen Bildung und soziale Gleichberechtigung zu ermöglichen. Dabei standen vor allem „die Frauen Ostens“ als die am meisten unterdrückte Kategorie der Frauen der UdSSR im Blickpunkt.

Befreiung

„Chudschum“ war in den Jahren 1920-1930 im sowjetischen Mittelasien und in Aserbaidschan eine Bewegung für die Gleichberechtigung und Aufklärung der Frauen.

Chudshum

Weg mit dem Kopftuch!

Mitte der 1920er Jahre kam Bezeichnung für die Kampagne zur Befreiung der Frauen Ostens auf — „Chudschum“ [1]. Es wurden spezielle Frauengruppen gebildet, in denen die Frauen im Umgang mit Kindern und über die Grundlagen der Hygiene unterrichtet wurden, es gab Konsultationen zu rechtlichen Fragen sowie Beratung zu medizinischen Fragen der Frauen, Kinderkonsultationen und Entbindungsheime.

Eine der hellen und heldenhaften Seiten bei der Befreiung der Frauen war bei den Völkern Ostens der Kampf um die Entfernung des Kopftuches (Parandschá [2]) als Symbol der Unterdrückung und Versklavung der Frauen. Als erste haben Arbeiterfrauen Usbekistans 1924 nach dem Erlaß des Dekrets über die Aufhebung des Brautgeldes ihren Schleier abgelegt. Auf Initiative des ersten Sekretärs des Mittelasiatischen Büros des ZK der Allunions-KP (Bolschewiki) I.Selenski haben am 8. März 1927 auf dem Registan-Platz von Samarkand Tausende usbekischer Frauen ihre Parandschás abgenommen, auf einen Haufen geworfen und dann angebrannt. An diesen Tag trennten sich 10 Tausende Frauen von ihren Kopftüchern. Im Laufe von drei nachfolgenden Monaten nahmen weitere 90.000 Frauen ihre Parandschás ab.

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Ein Augenzeuge berichtet: „In jeder beliebigen Stadt, in jedem beliebigen Kischlak und Aul, wo selbst im kleinsten Winkel eine Bäuerin lebt, wird studiert. Viele Mädchen und Frauen besuchen heimlich die Schulen zur ,Liquidierung der Unwissenheit‘ [3] – hinter dem Rücken ihrer Verwandten, Väter, Männer und Brüder, da in Augen der Mehrheit der gläubigen Moslems weibliche Bildung eine unzulässige Erscheinung ist, und dagegen ein schonungsloser Kampf geführt wird.“

Islamistischer Terror gegen die Frauenbewegung

Die Kampagne stieß von Seiten der mohammedanischen Geistlichkeit und der Konservativen auf einen erbitterten Widerstand. In den Jahren 1927-1928 wurden allein in Usbekistan aus der Zahl der Mitglieder Frauengruppen, der führenden Klubs und Bibliotheken über 2.500 Frauen getötet.

  • Zum Beispiel besuchte in Kirgisien die 22-jährige Aktivistin Alymkan Mamytkulowa die Frauenversammlungen und studierte an der Schule zur Liquidierung der Unwissenheit. Ihr Mann war davon äußerst erbost, er schlug sie regelmäßig und während der Gerichtsverhandlung über ihre Scheidung tötete er sie schließlich mit einem Dolch.
  • Das Mitglied des Dorfsowjets Ajnabjubju Dschalganbajewa leitete die „Rote Jurte“ (eine kulturell-aufklärende Institution), besuchte die Veranstaltungen zur ,Liquidierung der Unwissenheit‘ und leistete eine aktive Arbeit unter den Frauen im Dorf Kysyl-Tuu der Kotschkorsker Domäne. Ihr Mann und seine Verwandten waren davon sehr erbost und der Mann verprügelte sie grausam. Ajnabjubju schrieb darüber in der Wandzeitung und ging zurück, um bei ihren Eltern zu leben, setzte das Studium und die Arbeit aber fort. Danach hat Mann ihr aufgelauert und sie getötet, indem er ihr 14 Messerstiche zufügte.

Der Kampf um die Gleichberechtigung der Frau

Die „Chudschum“-Bewegung hatte einen großen Einfluß auf die weitere soziale und kulturelle Entwicklung der Völker Mittelasiens beim Aufbaue des Sozialismus. „Chudshum“ unterstützte die Erweiterung des Horizonts der Frauen, ihrer Heranziehung zur Arbeit in Frauenklubs und Genossenschaften, und weckte das Streben nach Wissen und einem neuen Leben. Schon Anfang 1930 waren die Frauen der Völker Ostens aktive Schaffende in der industriellen Produktion und auf den Kolchosfeldern; sie wurden zu Teilnehmerinnen am sozialistischen Wettbewerb um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität.

Erläuterungen:
[1] Chudshum: (aserbajdshan. – Vormarsch, Offensive) Frauenrechtsbewegung zur Befreiung der Frauen von der muslimischen Sklaverei und der Bevormundung durch die Männer in den asiatischen Republiken der Sowjetunion
[2] Parandschá: Frauenmantel mit Gesichtsschleier bei Mohammedanerinnen.
[3] Liquidierung der Unwissenheit [russ.: ликбез]: sowjetische Kampagne zur Beseitigung des Analphabetentums und der allgemeinen Unbildung. Entsprechend dem historischen Dekret „Über die Trennung der Kirche von Staat und Schule“ vom 5. Februar 1918 hieß es: „Der Unterricht in religiösen Glaubenslehren ist in allen staatlichen und gesellschaftlichen  wie auch in allen privaten Lehranstalten, in denen allgemeinbildende Fächer unterrichtet werden, verboten.“

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Aufschrift auf dem Buch: LENIN

Quelle: Движение Худжум (KP Aserbajdshan)


Die berufstätige Frau in der Sowjetunion

Im Jahre 1930 belief sich die Zahl der in den Wirtschaftszweigen  beschäftigten Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten auf rund 3,9 Millionen (26,7 % der Gesamtzahl der Arbeiter und Angestellten), 1937 auf 9,4 Millionen (35,4 %) und 1940 bereits auf mehr als 11 Millionen; in der Industrie belief sich der Anteil der Frauen auf 41 % der Gesamtzahl der in der Produktion beschäftigten Arbeiter und Angestellten.

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Eine in anderen Staaten unerreichte und dort undenkbare  Umwälzung vollzog sich auch hinsichtlich des Einsatzes der Frauen in allen Berufszweigen der geistigen Arbeit. Vor 1917 waren in der gesamten Industrie Rußlands etwa 600 weibliche Ingenieure und Techniker beschäftigt; heute [1952] sind es über  250.000 – ein Zunahme um mehr als das Vierhundertfache. Über 1 Million Frauen sind auf dem Gebiet der Volksbildung tätig. davon über 760.000 als Lehrerinnen; über 1 Million Frauen sind im Gesundheitswesen tätig, darunter über 100.000 Ärztinnen (1914 gab es in Rußland noch nicht einmal 2.000 Ärztinnen); 35.000 Frauen befassen sich mit wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Zehntausende Frauen stehen in künstlerischen Berufen.

Quelle: Große Sowjet-Enzyklopädie, Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 1952, S.1181- 1183.

Nachbemerkung: Es erübrigt sich noch einmal hervorzuheben, daß in der Sowjetunion, wie in allen sozialistischen Ländern, stets gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wurde, und die Frauen die gleichen Rechte besaßen wie die Männer!

Siehe auch: Frauen in der DDR

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16 Antworten zu „Weg mit dem Kopftuch, ihr Frauen – zeigt euer Gesicht!“ Sowjetische Kampagne zur Befreiung der Frauen 1920-1930

  1. Atheistus schreibt:

    Es ist traurig mit anzusehen wie die heutige Mehrheit der Linken den Patriarchialischen und ultra Reaktionären Strömungen des Islam Tür und Tor öffnet. Da wird man von so manchem „Salon“ Linken sofort als Nazi beschimpft wenn man dafür eintritt z.B. Frauen von der Burka zu befreien. Denn schließlich sei das ja intollerant gegenüber anderen Kulturen/Religionen.

    Früher waren die Linken bzw. Kommunisten für den Atheismus und Bildung aller, für die Überwindung religiös indoktinierter Religionsvorstellungen.

    • sascha313 schreibt:

      Ja, leider. Es versteht wahrscheinlich kein vernünftiger Mensch mehr, warum die sich als „Linke“ bezeichnen. Das ist eine bürgerliche Partei, wie auch die CDU und die SPD. Und antikommunistisch sind die außerdem…

    • Hausmeister schreibt:

      Religionen dienen der Unterdrückung. Das Kopftuch ebenfalls, es ist ein Zeichen der Unterwerfung sowie einer politischen und kulturellen Rückständigkeit. Was auch auf für Deutschland und die EU zutrifft.

    • Hausmeister schreibt:

      Die Linke hat in Erfurt den Bau einer Moschee angeordnet! Das ist nichts weiter als eine Demonstration der Macht. Im Übrigen ist es nur der Kapitalismus der die sogenannten Flüchtlinge braucht. Die sogenannte Grenzöffnung im September 2015 ist eine Lüge die sich als Solche darin zeigt, daß in Deutschland bereits seit Jahren Massenunterkünfte für Migranten geplant, bereitgestellt und genutzt werden. Mit „Wir schaffen das“ handelt sich also um eine groß angelegte Propagandaaktion.

    • Hausmeister schreibt:

      Daran sehen wir doch, wie rückständig unsere heutige Gesellschaft ist. Die Einzigen die von dieser Einwanderung profitieren sind die Kapitalisten. Wobei der Islam natürlich nur der Unterdrückung dienlich ist. Mein Schwager, der aus Libyen stammt, kann bestätigen, daß Muslime auch nicht unbedingt eine Moschee brauchen, es genügt ein ausgerollter Teppich.

      Und noch etwas: Die ​sogenannte ​Grenzöffnung ​im ​September ​2015 ​ist ​eine ​Lüge ​die ​sich ​als ​Solche ​darin ​zeigt, ​daß ​in ​Deutschland ​bereits ​seit ​Jahren ​Massenunterkünfte ​für ​Migranten ​geplant, ​bereitgestellt ​und ​genutzt ​werden. ​Mit ​“Wir ​schaffen ​das“ ​handelt ​sich ​also ​um ​eine ​groß ​angelegte ​Propagandaaktion.

      Fazit: Es ist der Staat selbst der mit Einwanderung Haß schürt und der Grund dafür ist, daß der Staat davon profitiert. Insofern ist der Begriff „Flüchtling“ auch schon eine Lüge. Die meisten Syrer die hierherkommen haben ihre Wurzeln im syrischen Bürgertum und bringen syrisches Kapital nach Deutschland. Und ja, auch mein Schwager aus Libyen ist bürgerlicher Herkunft. Seine Familie, die Ghaddafi unterstützt hat, ist heute in Libyen nicht mehr sicher.

      • sascha313 schreibt:

        So ist es. Um die Politik der herrschenden Klasse richtig einzuschätzen, bedarf es ja nicht erst einer AfD-Brille, es genügt schon der reine Menschenverstand, um zu begreifen, daß die Bourgoisie umso mehr Zwiespalt sät, je größer die Gefahr ist, daß die ausgebeuteten, unterdrückten Klassen (Lohnempfänger) sich ihrer prekären Lage bewußt werden

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  3. olivia2010kroth schreibt:

    Interessanterweise beobachte ich heute in Moskau eher das Gegenteil: Islamische Tatarinnen tragen nicht nur kein Kopftuch, sie blondieren sich sogar ihre rabenschwarzen Haare und „russifizieren“ ihre islamischen Vornamen, soweit wie möglich. Ich vermute, sie tun es, weil Tataren nicht beliebt sind … Die sogenannte „tatarische Hydra“ verbirgt gerne ihre tausend Köpfe …

    • sascha313 schreibt:

      1939 waren die Tataren (4,3 Mio. Ew.) mit 2,54% der Einwohner nach den Russen (58,4%), den Ukrainern (16,6%), den Belorussen (3,1%) und den Usbeken die fünftgrößte Bevölkerungsgruppe der UdSSR. Selbst in der Tatarischen ASSR lebten 1933 knapp zur Hälfte Russen. Die UdSSR war der größte slawische Staat der Welt.

      Die Nationalitätenpolitik der Sowjetunion kann mit Recht als vorbildlich bezeichnet werden. Allein im ersten Fünfjahrplan nach dem 2.WK (1946-50) mußten nicht nur die von den deutsch-faschistischen Eindringlingen zerstörten Kindergärten wieder aufgebaut werden, sondern das Netz der Kinderbetreung wurde in allen Republiken erheblich erweitert. Waren es 1939 15.000 Kinder der verschiedensten Nationalitäten, so wurden 1950 in de UdSSR insgesamt 2,2 Millionen Kinder unterschiedlicher Nationalität betreut.
      (Quelle: Gr.Sowjet-Enzyklopädie, 1952)

      Stalin schrieb 1929 – was heute wieder zutrifft: „So verhält es sich mit der Entstehung der sogenannten ,modernen‘ Nationen. Die Bourgeoisie und ihre nationalistischen Parteien waren und bleiben in dieser Periode die leitende Hauptkraft dieser Nationen. Klassenfrieden innerhalb der Nation um der ,Einheit der Nation‘ willen; Erweiterung des Territoriums der eigenen Nation durch Annexion fremder nationaler Territorien; Mißtrauen und Haß gegen fremde Nationen; Unterdrückung der nationalen Minderheiten; Einheitsfront mit dem Imperialismus – das ist das ideologische und sozialpolitische Rüstzeug dieser Nationen.“ (Quelle: J. Stalin, Werke Bd.11, S.302)

      • olivia2010kroth schreibt:

        80 Jahre später, also 2019, leben 5,5 Millionen Tataren in der Russischen Föderation, das sind 2,05 Prozent der Bevölkerung. Insgesamt sind es 5.554.600 Tataren, die meisten wohnen in den Teilrepubliken Tatarstan und Baschkortostan. 4.130 Krimtataren leben auf der Krim. Ich vermute, dass eine grosse Zahl von Familien der Krimtataren, welche unter Stalin nach Usbekistan umgesiedelt wurden, dort geblieben sind. Heute gehört Usbekistan nicht mehr zur Russischen Föderation. Deshalb hat sich die Zahl der Tataren in Russland verringert. Ich persönlich weine ihnen nicht nach.

  4. F.B schreibt:

    Hallo Sascha,

    ich wollte fragen, was denn Quellen waren für diesen Beitrag? Nur die Große Sowjet-Enzyklopädie oder auch mehr?

    Liebe Grüße

    • sascha313 schreibt:

      Hallo F.B. – der Beitrag der Aserbaedshanischen KP hatte mich angeregt, mehr darüber zu erfahren. Eine einzige Quelle reicht selten, um ein Thema halbwegs vollständig zu skizzieren. Man müßte und könnte darüber ganze Bände schreiben, die es sicher auch noch irgendwo gibt, Parallelen zu August Bebel über die Rolle der Frau und zu Klara Zetkin ziehen.

    • Erfurt schreibt:

      Das hier Geschriebene konnte ich anhand einer ARD-Fernsehsendung nachvollziehen. Zumindest anhand von dem was ältere Zeitzeugen die in diesem Bericht zu Wort kamen berichteten. Kann auch 3sat oder arte gewesen sein. Wobei aber auch in seiner Gesamtaussage dieser Bericht nur Lügen verbreitet hat.

      • Erfurt schreibt:

        Wie in dem Film Doktor Schivago, wo die junge Tonja (Geraldine Chaplin) am Steuerpult eines großen Kraftwerkes arbeitet. Wobei die Botschaft dieses Films freilich eine ganz Andere ist, ist das mit den Berichten die der Weltspiegel bringt ganz genauso. Man kann das auch so ausdrücken: Die Wahrheit steckt zwar drin, wird jedoch als Lüge hingestellt.

  5. Hanz29 schreibt:

    Hier sollte man auch Alexandra Kollontai zu Ehren kommen lassen. Sie war die erste Frau der Welt, die einen Ministerposten bekleidete, was natürlich nur in der UdSSR vorstellbar war. Sie setzte sich vehement für die Befreiung der Frau ein!
    Ihre Vorstellungen kommen in ihrem Buch: „Autobiografie einer sexuell emanzipierten Kommunistin“ deutlich zum Ausdruck.
    Ich würde meinen, dass sie nicht nur damals der Zeit weit voraus war und eine klare Vorstellung von einer künftigen, kommunistischen Geselschaft hatte, sondern dass sich der Abstand, seither ständig vergrößert hat.
    Mit der verlogenen „Emanzipation“ westlich-kapitalistischen Modells hatte sie nichts am Hut!

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