Selbsttätigkeit, Selbständigkeit und Freiheit des Handelns… Denken ist die erste Bürgerpflicht!

working classNichts geschieht in der menschlichen Gesellschaft von allein.  Die gesellschaftlichen Verhältnisse prägen das Denken und Handeln der Menschen. Und je mehr sich die Widersprüche zwischen den gesellschaftlichen Klassen verschärfen, desto gravierender sind die Veränderungen, die daraus hervorbrechen. Wer also heute eine gewisse Zufriedenheit und Bequemlichkeit der Volksmassen gegenüber der kapitalistischen Gesellschaftsordnung beklagt, der sollte sich zunächst über deren Ursachen Gedanken machen, um hernach in geeigneter Weise zu Taten überzugehen, um jene unerträglichen Zustände von Ausbeutung und Unterdrückung, jene Fesseln der gesellschaftlichen Entwicklung, überwinden zu können. Handlungsfreiheit erfordert jedoch, daß die handelnde Klasse die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung erkennt und sich zunutze macht. Gewußt wie…

Hier schreibt unser Autor Prof. Dr. Gerhart Neuner über die Erziehung zur Selbständigkeit, wie sie im Sozialismus gehandhabt wurde. Vieles davon ist übertragbar auf unsere Zeit. Von der DDR können wir lernen, wie sozialistisches Bewußtsein erzeugt wird. Veränderungen sind nur möglich, wenn man die gesellschaftlichen Verhältnisse durchschaut.

Gerhart Neuner

Erziehung zur politischer Initiative

Revolutionäre Aktivität der Arbeiter und Bauern ist unerläßlich, um die kapitali­stische Ausbeuterordnung zu stürzen. Beim Aufbau des Sozialismus entfalten sich die Kräfte und Talente des werktätigen Volkes in einem bisher nie gekannten Aus­maß. Die Losung „Plane mit – arbeite mit – regiere mit!“ wird zum bestimmenden Grundzug staatsbürgerlichen Denkens und Handelns von Millionen. Selbsttätigkeit der breiten Massen ist somit eine Begleit- und Folgeerscheinung der politischen, so­zialen und geistigen Befreiung der Menschheit in den Ländern des Sozialismus.

Was ist die Aufgabe der sozialistischen Erziehung?

Der Aufbau des Sozialismus und Kommunismus ist gleichbedeutend mit einer wahrhaft gewaltigen Freisetzung menschlicher Kräfte und Energien, mit der Entfaltung menschlichen Schöpfertums. Die künftigen Erbauer des Sozialismus und Kommunismus müssen als bewußte und aktive Staatsbürger, als aktive Schöpfer materieller und geistiger Werte erzogen werden. Die Entwicklung der Selbsttätigkeit ist Ziel und Aufgabe der sozialistischen Erziehung.

Selbsttätigkeit – ein fortschrittliches Konzept

Der Begriff Selbsttätigkeit hat in der Geschichte des pädagogischen Denkens und Handelns eine große Rolle gespielt. Für die Vertreter der fortschrittlichen bürger­lichen Pädagogik in der Zeit des aufstrebenden Bürgertums war er Kampfruf und Programm in der Auseinandersetzung mit autoritären pädagogischen Konzeptionen, die dazu dienten, die überlebte feudale Gesellschaftsordnung gegen die anstürmen­den jungen gesellschaftlichen Kräfte zu verteidigen.

Kann man dem „gemeinen Volk“ vertrauen?

Pädagogen wie Komenský, Rousseau, Pestalozzi und Diesterweg waren in ihrem pädagogischen Denken und Handeln von einem optimistischen Glau­ben an die Menschennatur, an die großen Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen aller Stände erfüllt, und sie setzten diesen Glauben bewußt jenem tiefen Mißtrauen in die Menschennatur entgegen, jenem Unglauben an die Fähigkeit des „gemeinen Volkes“ zu hoher geistiger und sittlicher Entwicklung, die schon immer wichtigstes Axiom jeder reaktionären Pädagogik waren.

Diesterweg: Über den Wert des Selbsttätigkeit

Selbsttätigkeit jedes Menschen und freie menschliche Entwicklung für jeden Bür­ger, das war eins für die großen Pädagogen des Bürgertums. ,,Das eigentlich Mensch­liche am Menschen“, so schrieb Adolf Diesterweg in seinem „Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer“, „ist dessen Selbsttätigkeit. Alles Menschliche, Freie, Eigentüm­liche geht von dieser Selbsttätigkeit aus; alles Dichten, Denken, Aufmerken, Fühlen, alle Selbstbeherrschung, das Sprechen, Handeln und alle freien Bewegungen und Gebärden haben in dieser einen Kraft ihren Mittelpunkt. Die Erziehung erstreckt sich soweit, und nur soweit, als diese Selbsttätigkeit; nur soweit, als diese reicht, ist der Mensch bildsam durch andere oder durch sich selbst.“

„Selbsttätigkeit im Dienste des Wahren, Guten. und Schönen“ ist nach Diesterweg die höchste Bestimmung des Menschenlebens und höchstes Ziel der Erziehung.

Der Irrtum bürgerlicher Pädagogen

Diesterweg und andere bürgerliche Pädagogen interpretierten jedoch den Begriff der Selbsttätigkeit einseitig im Sinne einer „freien Selbstbestimmung“ von innen heraus. „Selbsttätigkeit besagt“, so schreibt Diesterweg, „daß der Mensch den Grund seines Strebens und Handelns in sich selbst zu suchen und aus sich heraus zu nehmen, daß er sich selbst zu bestimmen habe…“ Die Triebkräfte der menschlichen Entwicklung werden damit ausschließlich in das Innere der Persönlichkeit verlagert, und die Erziehung muß sich darauf beschränken, das Angelegte und Angeborene zu wecken und zur Tätigkeit zu rufen.


Das reaktionäre Wesen der Elitetheorien

Diese Auffassung über das Wesen der Selbst­tätigkeit entwickelten bürgerliche Philosophen und Pädagogen der Zeit des Imperia­lismus bis in ihr Extrem, bis zu faschistischen Rassen- und Begabungstheorien, wo­bei sie das zutiefst humanistische und demokratische Wesen der Ideen der Klassiker der bürgerlichen Pädagogik ins Antihumanistische, ins Antidemokratische ver­kehrten.

Die „Auserwählten“

Das Kind sei die Sonne, so behaupteten die Vertreter der „freien Erziehung“ um die Jahrhundertwende, um die sich alles drehen müsse, und es entfalte sich spontan, von innen heraus zu schönster Blüte, wenn der Erzieher diesen Prozeß des „Wachsen­lassens“ nur nicht behindere. Aber diese Möglichkeit zur freien Entwicklung und Entfaltung schrieben einige von ihnen – ebenso wie die heutigen Vertreter verschie­dener Elitetheorien – nur einem Kreis von Auserwählten zu.

Vernachlässigung der Arbeiterkinder

Außerdem hat die Praxis der bürgerlichen Schule unwiderleglich gezeigt, daß eine „freie Erziehung“ ein­mal besonders zur Vernachlässigung der Kinder der Werktätigen führte, die auf Grund ihrer Lebens- und Entwicklungsbedingungen einer sorgfältigen Förderung bedurften, zum anderen jedoch die Heranbildung einzelner Individualisten bewirkte, die sich über das Kollektiv, über die „Masse“ stellten und deshalb für die Rolle der Ausbeuter oder deren Helfershelfer geeignet waren. Darin liegt das reaktionäre Wesen der bürgerlichen Auffassung von der Selbsttätigkeit als „freie Selbstbestim­mung“, als Entfaltung der Persönlichkeit von innen heraus.


Das Sein bestimmt das Bewußtsein

Die sozialistische Pädagogik geht in ihrer Auffassung über Selbsttätigkeit von der materialistischen Erkenntnis aus, daß die menschliche Persönlichkeit und ihre Tätigkeit sozial determiniert sind. Das menschliche Wesen, so stellt Karl Marx in seinen „Thesen über Feuerbach“ fest, ist „das Ensemble der gesellschaftlichen Ver­hältnisse“, und dementsprechend ist auch die menschliche Tätigkeit in ihrem Inhalt, in ihren Triebkräften und in ihrer Wirkungsrichtung primär durch die gesellschaft­lichen Bedingungen bestimmt, in denen die Persönlichkeit lebt.

Was sind die Quellen der Aktivität?

Der Mensch und seine Tätigkeit sind nicht ein passives Produkt äußerer Einflüsse, sondern die menschliche Persönlichkeit setzt sich aktiv mit diesen Einflüssen aus­einander. In der Tätigkeit des Menschen spielen immer äußere und innere Kompo­nenten in dialektischer Wechselwirkung zusammen: Innere Aktivität wird durch äußere Bedürfnisse und Anforderungen angeregt, und äußere Bedingungen wirken auf die innere Entwicklung der Persönlichkeit, auf ihre wachsende Bewußtheit und Aktivität, durch und mittels der aktiven Auseinandersetzung der Persönlichkeit mit der Welt.


Der Mensch und seine Umgebung

Der Mensch handelt nicht als isoliertes Einzelwesen, sondern seine Tätigkeit ist in gesellschaftliche und kollektive Beziehungen und Verantwortungen eingebettet. Er wird in seinem Handeln um so freier, um so aktiver und um so beständiger, je bewußter er die gesellschaftlichen Bedingungen und Notwendigkeiten überschaut und danach sein Handeln und Verhalten einrichtet. Freiheit und freie Selbstbestim­mung der Persönlichkeit werden erst auf der Grundlage der Bewußtheit möglich.


J.W.v. GOETHE und KARL MARX – zwei Einfügungen:

„Im Grunde aber sind wir alle kollektive Wesen,
wir mögen uns stellen wie wir wollen.“ (Goethe)

Quelle: Goethes Gespräche mit Eckermann, Aufbau Verlag Berlin (DDR), 1955, S.713.

„Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das
Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ (Karl Marx)

Quelle: Karl Marx: [Thesen über Feuerbach]. In: Marx/Engels, Werke, Bd.5, S.5.

Welche Rolle spielt die Motivation?

Die sozialistische Pädagogik faßt deshalb Selbsttätigkeit nicht als aktive Tätigkeit schlechthin. Zwar kommt die höhere Qualität der Tätigkeit, die wir mit dem Begriff Selbsttätigkeit zu fassen suchen, zunächst darin zum Ausdruck, daß sie in beson­derem Maße von der Persönlichkeit selbst gewünscht wird und ihren inneren Be­strebungen und Wünschen entspricht, daß sie also eine besonders aktive und selb­ständige Tätigkeit ist, in die die Persönlichkeit all ihre Kräfte, ihre Initiative und ihre Fähigkeiten legt.

Die Dialektik von Notwendigkeit und Freiheit

Aber damit ist noch nicht das Wesen der Selbsttätigkeit charak­terisiert, die den sozialistischen Menschen auszeichnet. Entscheidend für die Selbst­tätigkeit des sozialistischen Menschen ist, welchen Zielen sie dient und ob sie den objektiven Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Erfordernissen entspricht. Ein wesentliches Merkmal der Selbsttätigkeit ist also die wachsende Einheit von objek­tiver Notwendigkeit und subjektivem Wollen, von gesellschaftlicher Forderung und individuellen Wünschen und Bedürfnissen von Notwendigkeit und Freiheit. Insofern ist die Entwicklung der Selbsttätigkeit untrennbar mit der Herausbildung des sozia­listischen Bewußtseins und der sozialistischen Moral der Persönlichkeit verbunden.

Welche Persönlichkeitseigenschaften braucht der Mensch?

Schließlich besteht ein weiteres Merkmal der Selbsttätigkeit des sozialistischen Men­schen darin, daß sie in organisierten, kollektiven Bahnen verläuft und mittelbar oder unmittelbar Tätigkeit in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft ist. Entwicklung der Selbsttätigkeit heißt deshalb für uns Entwichlung einer aläiuen und selbstän­digen, in zunehmendem Maße politisch-moralisch motivierten und im Kollektiv orga­nisierten Tätigheit des Menschen. Im Hinblick auf die Persönlichkeitsqualitäten verstehen wir darunter vor allem die Herausbildung so wichtiger Eigenschaften der sozialistischen Persönlichheit wie Aktivität, Initiative, Selbständigheit, Bewußtheit, Kollektivität und Organisiertheit.


Die Dialektik von Selbsttätigkeit und Selbständigkeit

Von diesen Überlegungen her ist es auch möglich, den Inhalt der Begriffe Selbst­tätigkeit und Selbständigkeit genauer abzugrenzen. Die Begriffe Selbsttätigkeit und Selbständigkeit verwenden manche Pädagogen als Synonyme; andere wiederum geben diesen Begriffen unterschiedlichen Inhalt und unterschiedliche Wertigkeit, etwa im Sinne der bekannten Formel: Durch Selbsttätigkeit zur Selbständigkeit!

  • Die Beziehungen zwischen Selbsttätigkeit und Selbständigkeit sind jedoch nur als Be­ziehungen zwischen menschlicher Tätigkeit und entsprechenden Qualitäten der Per­sönlichkeit richtig zu fassen. Diese Beziehungen kann man nicht durch Über- oder Unterordnung dieser Begriffe kennzeichnen; denn ebenso richtig wie „durch Selbst­tätigkeit zur Selbständigkeit“ kann es heißen: ,,Durch Selbständigkeit zur Selbst­tätigkeit.“
  • Wir haben es hier mit dialektischen Wechselbeziehungen zwischen Äuße­rem und Innerem in der Erziehung und Entwicklung zu tun. Das gleiche gilt auch für die Beziehungen der Begriffe Aktivität, Initiative, Verantwortungsbewußtsein und andere zum Begriff Selbsttätigkeit. Diese Begriffe bezeichnen Eigenschaften der Persönlichkeit, die ebenso Voraussetzung für Selbsttätigkeit der Persönlichkeit sind, wie umgekehrt ihre Entwicklung nicht ohne Selbsttätigkeit möglich ist.

Warum geschieht hier nichtс von allein?

Die Erziehung zur Selbsttätigkeit und Selbständigkeit ist also eine komplexe Auf­gabe der Persönlichkeitsentwicklung. Es wäre deshalb irrig anzunehmen, diese hohen Tätigkeitsformen und Persönlichkeitsqualitäten entwickelten und entfalteten sich spontan, gewissermaßen von innen heraus. Ohne bewußte, zielklare pädago­gische Führung entwickelt sich weder die Selbsttätigkeit, noch bilden sich entspre­chende Eigenschaften der Persönlichkeit heraus. Das Wesen der pädagogischen Füh­rung bei der Entwicklung der Selbsttätigkeit besteht darin, daß der Pädagoge als Interpret der sozialen Anforderungen auftritt und in diesem Sinne die Entwicklung und Entfaltung der heranwachsenden Persönlichkeit und ihrer Tätigkeit beeinflußt und lenkt.


Aufgabe der sozialistischen Pädagogik

Persönliche Interessen und gesellschaftliche Ziele

In der sozialistischen Gesellschaft besteht zwischen gesellschaftlichem Erziehungsauftrag, Absichten des Pädagogen und Interessen der heranwachsende Persönlichkeit kein antagonistischer Widerspruch. Im Gegenteil: Je stärker die For­derungen des Erziehers entsprechend den Forderungen und Anforderungen der Gesellschaft an die heranwachsende Persönlichkeit zu Motiven, zu inneren Trieb­kräften ihres Handelns werden, um so freier wird die Persönlichkeit, und um so aktiver und intensiver wird ihre Tätigkeit. In diesem Prozeß bedingen sich Führung und Selbsttätigkeit gegenseitig: Einerseits schafft zielklare Führung Bedingungen, die für die Herausbildung der Selbsttätigkeit unerläßlich sind, zum anderen ist die Aktivierung der Persönlichkeit im Sinne der Forderungen des Erziehers der wirk­samste Weg einer intensiven Erziehung und Persönlichkeitsformung.

Welche Rolle spielt die Arbeit?

Die menschliche Tätigkeit ist sehr vielseitig, und ebenso vielfältig und differen­ziert sind auch die konkreten Inhalte und Formen der kindlichen Selbsttätigkeit: Das Spiel, das Lernen, die Arbeit, die gesellschaftliche Tätigkeit in ihren unterschied­lichsten Formen. Der Marxismus hat das humanistische Bildungsideal der allseitigen Entwicklung des Menschen be­sonders dadurch qualitativ bereichert und verändert, daß er die Rolle der Arbeit für die allseitige Entwicklung des Menschen erkannte.

Einheit von Bildung und Erziehung

Alle Grundformen der Selbst­tätigkeit des Kindes im Schulalter werden deshalb durch den marxistisch-leninisti­schen Grundsatz der engen Verbindung von Unterricht, Erziehung und produktiver Arbeit inhaltlich sehr wesentlich bestimmt. Im einzelnen unterscheiden sie sich jedoch durch spezifische Merkmale und Besonderheiten. Die Entwicklung der Selbsttätigkeit im Unterricht hat im Vergleich zur gesellschaftlichen Selbsttätigkeit, zur Selbsttätigkeit bei der Gestaltung des kollektiven Lebens der Kinder, ihre Speziflk.

Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten

Diese Besonderheiten sind für die Herausarbeitung der unterschiedlichen Bedin­gungen und Methoden der pädagogischen Führung in der Schule, besonders im Unterricht, und in der sozialistischen Kinder- und Jugendorganisation bedeutsam. Selbsttätigkeit der Schüler im Unterricht zu entwickeln ist ein wichtiges Anliegen der neuen Unterrichtsmethodik unserer sozialistischen Schule. Aktivität und Selb­ständigkeit im Denken sind Eigenschaften der sozialistischen Persönlichkeit und überdies wesentlicher Zug der gesamten sozialistischen Weltanschauung und Welt­auffassung.

„Die Weltanschauung des revolutionären Proletariats“, so schreibt Edwin Hoernle, „ist eine aktiv handelnde – seine Kinder sollen aktiv werden, das Beobach­tete und Besprochene auswerten. Nicht abfinden mit den Dingen, sondern ver­ändern.“

Überzeugungen entwickeln

Die Entwicklung der Selbsttätigkeit im Unterricht ist deshalb unerläßlich, um das Gelernte aktiv geistig zu verarbeiten und die wissenschaftliche Weltanschau­ung der Arbeiterklasse zu erwerben. Sozialistisches Bewußtsein ist das Ergebnis aktiver Auseinandersetzung mit Dingen und Erscheinungen dieser Welt, in der die Schüler zu Schlußfolgerungen und Überzeugungen gelangen, die ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen.

Aktiv und selbständig

Zum anderen müssen die Schüler geistig aktiviert werden, damit sie intensiv im Unterricht lernen und feste, dauerhafte und anwendungsbereite Kenntnisse erwerben. Im Unterricht der sozialistischen Schule sind die Schüler unter Führung des Lehrers aktiv tätig. Sie werden so geführt und angeleitet, daß sie sich aktiv und selbständig ein System von Wissen und Können aneignen und geistige Fähigkeiten herausbilden. Die Selbsttätigkeit der Schüler im Unterricht ist Bedin­gung und Ergebnis eines intensiven Unterrichts. (gekürzt)

GERHART NEUNER

Quelle:
Pädagogische Enzyklopädie (2 Bde.), VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1963, Bd.2, S.841-848. (gekürzt; Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)

Denken ist die erste Bürgerpflicht!

 So bedeutsam alle jene Faktoren auch sein mögen, die objektiv der imperialistischen Meinungsmanipulierung entgegenwirken und ihr Grenzen setzen, allein sie schaffen diese Erscheinung noch nicht aus der Welt. Aber dieses moderne System zur geistigen Beherrschung der Bundesbürger zu brechen und zu beseitigen ist nachgerade lebens­notwendig, ebenso dringend wie etwa der Kampf gegen die Notstands­gesetze („Coronagesetze“) oder um demokratische Mitbestimmung der Arbeiter, Angestellten, Techniker und Ingenieure im Wirtschaftsleben. Widerspricht doch die von den herrschenden Kreisen Westdeutschlands praktizierte Art und Weise der Steuerung des Bewußtseins des Volkes ganz allgemein der Würde des Menschen als denkendem Wesen und besonders den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nach quantita­tiv und qualitativ höherer Bewußtheit der werktätigen Menschen.

Geistiger Pauperismus

Geistiger Pauperismus in Gestalt sowohl geistiger Nivellierung als auch geistiger Brutalisierung – das ist das Ergebnis der ideologischen Manipulation. Die Manipulierung führt zu geistiger Verelendung des werktätigen Volkes zu einer Zeit, da dank der modernen Technik und insbesondere dank des Kampfes der Arbeiterbewegung der materielle Pauperismus des 19. Jahrhunderts in Westdeutschland wesentlich über­wunden ist.

Der bürgerliche Philosoph Karl Jaspers meint:

„Ein Symptom des Zustandes in der Bundesrepublik ist es, daß so außerordentlich wenige Menschen Verantwortung im Ganzen zu übernehmen fähig und bereit sind. Alle sind begierig, irgendwo Rückendeckung zu haben, … wagen, es nicht, eigenständig sie selbst zu sein, Entschlüsse zu fassen mit dem Ernst: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, und dafür zu haften … Alle erwarten, daß etwas über ihnen steht … Sie weichen zurück vor der höheren Aufgabe, im Ganzen des Schicksals, das heißt politisch, Führung und Verantwortung zu übernehmen.“ [2]

Die schlechtest informierten Zeitungsleser Europas

Der Schriftsteller Erich Kuby kommt zu der Feststellung, daß trotz Überfülle an Publikationsmitteln „der Bürger der Bundesrepublik, von West-Berlin zu schweigen, der schlechtest informierte Zeitungsleser in Westeuropa ist“ [3] und die Springer-Presse „manipulierte Neandertaler“ [4] erzeuge.

Antikommunismus, Revanchismus und Geschichtsfälschung

Die KPD-Information, herausgegeben vom ZK der KPD, stellt fest, die Monopole im Presse- und Verlagswesen „sind entscheidende Stütz­punkte der herrschenden Klasse für die Gleichschaltung der öffent­lichen Meinung. Sie garantieren, daß das Denken und Fühlen von Millionen Menschen tagtäglich im Sinne des Antikommunismus und Revanchismus manipuliert wird. Sie sind tragende Säulen des staats­monopolistischen Mechanismus, der den Kulturmarkt so regelt, daß die Wirkung von humanistischer Literatur und Kunst eingeengt wird.“ [5]


Der Weg zum Denken

Der ldeologiebildungsprozeß im staatsmonopoli­stischen Kapitalismus ist, wie das gesamte staatsmonopolistische System, durch den grundlegenden Widerspruch zwischen der Notwen­digkeit gekennzeichnet, immer mehr Prozesse des gesellschaftlichen Lebens mit Hilfe staatlicher Organe zu planen und zu regeln, und der Tatsache, daß die Mehrheit des Volkes, die davon betroffen ist, alle Lasten tragen muß und keinerlei Einfluß auf diese Lenkungsorgane und deren Inhaltsbestimmung hat.

Der fremdgesteuerte Bundesbürger

Das Menschen­unwürdige an der Manipulierung ist nicht die gesamtgesellschaftliche Lenkung des menschlichen Denkens überhaupt, sondern die „Außen­lenkung“ („Fremdsteuerung“) im Sinne ahumaner Zielstellung und ahumaner Methoden. Sie ist menschenunwürdig, weil sie eine gesamtgesellschaftliche Steue­rung des Denkens im Interesse einer kleinen Minderheit des Volkes, für deren Zwecke und Ziele darstellt, weil sie gegen die höheren Anforde­rungen an das Bewußtsein in der heutigen Zeit gerichtet ist, indem sie durch Lüge und Halbwahrheit, mittels bewußter Trennung von Inhalt und Form, Wesen und Erscheinung, Ursache und Wirkung das Denken der Menschen verkrüppelt und vereinseitigt.

Die unheimliche Macht über das Denken

Und die KPD stellte fest: ,,Wo Kultur- und Pressekonzerne wie Springer und Bertelsmann unheimliche Macht über das Denken, Fühlen und Handeln von Millionen ausüben, wo nur fünf Prozent Arbeiter- und Bauernkinder an den Universitäten studieren, wo Schule und Berufs­ausbildung den Arbeitern nur eine völlig ungenügende Bildung ver­mitteln und sie damit im Zeitalter der technischen Revolution großer sozialer Unsicherheit ausliefern – dort haben Fragen der kulturellen Lage der Arbeiterklasse und aller Werktätigen aufgehört, Gegenstand für geruhsame Betrachtungen in Mußestunden zu sein, dort ist der Kampf um kulturelle Reformen zur aktuellen Notwendigkeit, zum gleichrangigen Bestandteil des politischen und sozialen Kampfes der Arbeiterklasse geworden.“ [6]


Welche Aufgaben sind zu lösen?

Folgende wechselseitig miteinander verbundene Aufgaben sind zu lösen: Erstens gilt es, alle wahren und vorwärtsweisenden Gedanken humanistischen, demokratischen und sozialistischen Inhalts mit dem Ziel aufzugreifen, zu fördern und zu entwickeln, um ein von der heute herrschenden Ideenwelt unterschiedenes und befreites Bewußtsein anti­imperialistisch-demokratischer Prägung herauszubilden. Zweitens sind Maßnahmen erforderlich,durch die dieMacht der imperialistischen Kräfte über die Instrumente der Meinungsbildung eingedämmt und zurück­gedrängt und der Einfluß des werktätigen Volkes gewährleistet und erhöht werden kann. Die beiden vorqencnnten Aufgaben verschmelzen zur dritten, zur antiimperialistisch-demokratischen Veränderung der ökonomischen und politischen Machtverhältnisse in Westdeutschland als den objektiven Grundlagen für das dortige geistige Leben.

[1] „Nichts ohne Meinung“, Westdeutsches Fernsehen vom 19.10.1966.
[2] K. Jaspers: Wohin treibt die Bundesrepublik?, S.150.
[3] E. Kuby: Die Massenmedien der Meinungsmache. In: Bestandsaufnahme, s.381.
[4] Zit. in: Neues Deutschland (A), 2. Juni 1966.
[5] KPD-Information 1967, Nr. 3, S.16.
[6] Wissen und Tat, 1967, Heft 9/10, S.43/44.

Quelle:
Manipulation, Dietz Verlag Berlin, 1968, S.446-458

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3 Antworten zu Selbsttätigkeit, Selbständigkeit und Freiheit des Handelns… Denken ist die erste Bürgerpflicht!

  1. Hanna Fleiss schreibt:

    Diesem Beitrag stimme ich in jeder Silbe zu. Mir fällt die Manipulation der Köpfe besonders auf kulturellem Gebiet auf. Völliges Unverständnis für eine humanistische Weltsicht, es ist eine Unbildung, Roheit und Brutalität eingezogen, unter die man unter den gegebenen Verhältnissen machtlos ist – vorausgesetzt, es gäbe eine Kraft, die sich dieses Problems auch pädagogisch annimmt. Die aber ist nicht in Sicht, sie schläft unter einer bergehohen Decke. Ich bemühe mich bei allem, was ich schreibe, immer eine humanistische Haltung auszudrücken, aber Interesse und Zustimmung ist erbärmlich. Man muss ganz von vorn anfangen, will man diese Zustände ändern. Sowie ich eine „rote Linie“ überschreite, werde ich ausgegrenzt und bleibe wirkungslos. Es nützt doch nichts, wenn ich selbst weiß, worum es geht, aber niemanden davon überzeugen kann. Man steht vor einer meterdicken Mauer. Wie sie durchbrechen?

  2. S. Erfurt schreibt:

    Da hatte Goethe schon recht, daß wir Menschen kollektive Wesen sind. Daran anknüpfend würde ich das mal so formulieren: Was die Menschen verbindet ist die Arbeit als eine produktive Tätigkeit die gundsätzlich gesellschaftlich erfolgt.

    Und das kann auch gar nicht anders sein denn sonst könnte der Mensch nicht überleben. Guter Artikel, danke!

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