Der Friedensheld – Eine kleine Geschichte aus der DDR

SchulalltagAls Kinder sind wir gerne in die Schule gegangen.  Wir waren damals noch noch 28 Kinder in der Klasse. 14 Jungen und 14 Mädchen. Unsere Klassenlehrerin hieß Frau Kämmerer. Die Bergschule war eine große Schule. Der hintere Treppenaufgang war noch zerstört von einem Bombentreffer, als die Amerikaner die Stadt bombardierten. Und viele Häuser und Fabriken lagen noch in Trümmern. Doch der Unterricht fand statt. Jeden Morgen pünktlich um sieben Uhr öffnete der Hausmeister die große Schultür und ließ uns lachend hinein. Wir wußten: Niemals mehr wird über unserer Stadt eine Bombe fallen. Dafür hatten schon die Sowjetsoldaten gesorgt, als sie unsere Stadt vom Faschismus befreiten. Und schon in der ersten Klasse hatten wir lesen gelernt. Herr Buntrock mit der goldenen Uhrenkette an der Weste machte Bankrechnen mit uns. Das ging ganz gut, und wir hatten viel Spaß dabei. Wir liebten unsere Lehrer. Die 10. Klasse haben wir alle geschafft. Und wir waren unseren Lehrern sehr dankbar. So war die Schule in unserer sozialistischen DDR!

Hier nun eine kleine Geschichte aus dem Lesebuch für die 3. Klasse:

Uli und sein großer Freund

Uli geht in die 1. Klasse. Jeden Morgen kommt er auf dem Weg zur Schule an einer Kaserne vorbei. Vor dem breiten Tor steht immer ein Soldat und hält Wache.

Es war an einem Montag. Uli hatte schon fast die Schule erreicht. Plötz­lich blieb er stehen. ,Habe ich auch meine neue Federtasche eingepackt?‘ dachte er. Schnell riß er die Mappe vom Rücken und suchte und suchte. Er fand sie nicht. ,Die Federtasche liegt zu Hause auf dem Tisch!‘ fiel ihm ein. ,Was nun?‘
,Ich muß sie holen!‘ sagte Uli zu sich und rannte zurück.

Als er am Kasernentor vorüberkam, rief der Posten ihm zu: „Wohin so schnell? Gehst du heute nicht zur Schule?“
„Ich habe meine neue Federtasche vergessen“, antwortete Uli. „Jetzt habe ich keinen Federhalter und keinen Bleistift, und ich komme zu spät zur Schule.“

Da griff der Soldat in die Tasche und holte einen langen, roten Bleistift hervor. Den borge ich dir bis heute nachmittag.“
„Danke schön!“ rief Uli. „Ich bringe ihn wieder, ganz bestimmt!“

Uli hielt Wort. Am Nachmittag war er vor der Kaserne und wartete. Bald kam „sein“ Soldat. U!i erzählte ihm, was er mit dem Bleistift in der Schule gezeichnet hatte. Sonderbar, der Soldat wußte ganz genau, wie es in der Schule zugeht.
„Woher wissen Sie das?“
Der Soldat lachte: „Weil ich Lehrer bin.“
Uli schüttelte den Kopf. „Wenn Sie ein Lehrer sind, warum sind Sie dann nicht in der Schule?“
„Das ist so, Uli: Es muß jemand deine Schule, die Häuser, die Betriebe, auch dich und alle anderen Menschen in unserer Republik beschützen. Deshalb bin ich Soldat. Aber später“, sagte der Soldat, „bin ich wieder Lehrer.“

Soldat

Uli und der Soldat wurden Freunde.
Wochen vergingen. Es war Lehrertag. In Ulis Klasse sah es festlich aus. Große Blumensträuße standen auf dem Lehrertisch. Als die Lehrerin die Klasse betrat, sangen die Kinder ein fröhliches Lied.

Auf dem Heimweg fiel Uli etwas ein. Sein Soldat war doch auch Lehrer! Uli hatte einen guten Gedanken. Er ging nach dem Mittagessen in den Garten und pflückte Blumen – blaue, gelbe und rote. Dann lief er zur Kaserne.

Am Tor stand diesmal ein anderer Soldat. „Ich möchte zu meinem Sol­daten!“ sagte Uli und hielt seinen Blumenstrauß hoch, „Heute ist Lehrer­tag!“
Zuerst verstand der Posten nicht, was Uli meinte. Dann kamen noch andere Soldaten heran. Sie nahmen Uli mit und brachten ihn zu seinem großen Freund.

Uli war sehr aufgeregt. ,,Ich bringe dir – ich bringe Ihnen…“ Uli konnte nicht gleich weiterreden. „Hier! Das ist der Strauß zum Lehrer­tag!“ Die Soldaten ringsum lachten, aber sein Soldat freute sich sehr, das konnte Uli genau sehen.
„Ich danke dir, Uli“, sagte der Soldat und gab ihm die Hand.

Und später, als Uli dann nach Hause ging, begleitete ihn sein Soldat bis an das Kasernentor.

Günther Feustel

Friede
Quelle:
Lesebuch Klasse 3, VEB Volk und Wissen Volkseigener verlag Berlin, 1974, S.5-7 und 105.

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16 Antworten zu Der Friedensheld – Eine kleine Geschichte aus der DDR

  1. Hanna Fleiss schreibt:

    Ich habe eine andere Erinnerung aus meiner Schulzeit, denn ich ging in Westberlin 1947 in die erste Klasse. Ich war auch gern in der Schule aus vielen Gründen, mir machte das Lernen Spaß, trotz unseres adligen Fräuleins von …, die unsere Klassenlehrerin war. Die DDR-Schule lernte ich in der zweiten Klasse kennen (meine Eltern hatten mich umgemeldet) und stellte fest, dass ich in Westberlin zuwenig gelernt hatte, sowohl im Schreiben als auch im Rechnen. Das musste ich alles nachholen. In Westberlin war die Schule nicht bombardiert worden, aber die im sowjetischen Sektor. Es gab Schichtunterricht: eine Woche vormittags, eine Woche nachmittags.
    Unterrichtet wurden wir im Keller, durch den sich tropfende Heizungsrohre zogen. Unser Lehrer war ein Neulehrer, er war Soldat gewesen, erzählte er uns und wollte jetzt, dass es keinen Krieg mehr gibt, deshalb sei er Lehrer geworden, um junge Menschen wie uns für den Frieden zu erziehen. Ich wollte Junger Pionier werden und musste den Eltern nachweisen, dass ich es gelernt hatte, mit Tinte zu schreiben, ehe sie ihre Zustimmung gaben. In Westberlin hatten wir auf Schiefertafeln mit Griffeln geschrieben. Das war dann für mich eine sehr starke Umstellung, und ich habe mir meinen Pioniereintritt richtiggehend erschreiben müssen. Aber das fand ich völlig in Ordnung. Später zog die Familie nach Köpenick im sowjetischen Sektor, und so habe ich meine ganze folgende Schulzeit in der DDR verbracht. Heute noch denke ich an diese Zeit zurück, und ich sehe sie alle noch vor mir, meine Mitschüler und die Lehrer, denen wir eine humanistische Weltsicht verdanken.

  2. Erfurt schreibt:

    Ja, der Lehrertag. Leider hab ich vergessen wann der war, vielleicht weiß das ja noch jemand. Die Geschichten die in unseren Lesebüchern standen, die habe ich nicht vergessen. Denn diese Geschichten haben wir selbst erlebt und mitgeschrieben. Und später, auf dem Nachhauseweg durch den Wald so manches übriggebliebenes Pausenbrot mit unseren russischen Freunden geteilt. Besser gesagt gegen Zigaretten getauscht 😉

    Glückliche Zeiten hatten wir!

    • sascha313 schreibt:

      Der Tag des Lehrers war alljährlich der 12. Juni. Die gesellschaftliche Wertschätzung der Lehrer war eine Herzensangelegenheit unserer Partei, die auch in der Auszeichnung mit der Pestalozzimedaille und in der Verleihung von Titeln (wie Oberlehrer, Studienrat, Oberstudienrat, Professor und Verdienter Lehrer des Volkes) ihren Ausdruck fand.

  3. Hanna Fleiss schreibt:

    Ja, unsere Schulleiterin war Verdiente Lehrerin des Volkes. Sie gab bei uns Geschichte, und dort erfuhr ich zum ersten Mal von der Pariser Kommune, von den Verbrechen der Nazis und vom Aufbau der Sowjetunion unter Stalin. Ein Schwerpunkt war der Große Vaterländische Krieg.
    Aber auch über die Geschichte des deutschen Anfangs nach 1945 erfuhren wir viel, nämlich das, was in der Sowjetischen Besatzungszone und in den Westzonen passierte. Wir waren durch den Geschichtsunterricht bereits informierte Staatsbürger, was die Propaganda des Westens widerlegte, dass zum Beispiel die Nazizeit in der DDR nie „aufgearbeitet“ wurde.

    • sascha313 schreibt:

      Danke, Hanna, und das ist genau das, was den Westlern fehlt!

      • Harry56 schreibt:

        Liebe Genossin Hanna, nun lass mal diese „Westler“, Alt – „BRDler“ etc…! Es gab auch im Adenauerischen „Westen“, dieser zunächst noch stark hinter den anglo-amerikanischen Bajonetten sich versteckend, nicht wenige vernünftige „Wessis“, welche aber, ganz klar, fast immer von einer gigantischen bürgerlichen Meinungsmache übertönt, mundtot, unterdrückt, zuweilen auch verboten wurden.
        Wir sollten auch diesen Teil der deutschen Geschichte nicht vergessen.

        Soz. Gruß!

      • sascha313 schreibt:

        genau! Ulrike hat das mehrfach betont!

    • Erfurt schreibt:

      Die heutigen Staatsdiener/Staatsmedien haben gar nicht das Recht, die DDR zu kritisieren oder die DDR-Geschichte aufzuarbeiten! MFG

      • Harry56 schreibt:

        Gen. Erfurt, wozu brauchen sie dazu ein „Recht“, wo sie dazu doch (fast!)alle materielle und mediale Macht dazu haben?
        Schon den „Genossen“ J.W. von Goethe vergessen, was er ua. eben auch über die jeweils herrschende Meinung zu sagen wußte, schrieb?
        So aktuell schon damals wie heute!

        Soz. Gruß!

      • Erfurt schreibt:

        Kein Recht im Sinne daß es denen nicht zusteht! Genausowenig wie wir das „Recht“ dazu haben beurteilen zu können ob in anderen Ländern praktizierte Beschneidungen „human“ sind oder nicht. Souveränität beschreibt diesen Sachverhalt. Jedes Land, jede Nation ist selbst verantwortlich für seine Entwicklung. Was natürlich auch für die DDR zutraf.

        Schönen Sonntag!

  4. Hanna Fleiss schreibt:

    Harry, soll ich hier Märchen erzählen, die dann in deine Vorstellung passen? Ich weiß, dass es auch in den Westzonen Kommunisten gab, die habe ich aber in meiner Kindheit nicht kennengelernt, allerdings doch: einen, und das war mein Vater. Mir mit meinen 7 Jahren wurde deshalb „Kommunistenschwein“ hinterhergerufen. Das war die Realität in der Bevölkerung. Und du meinst doch nicht, dass die breite Bevölkerung überhaupt mitbekam, dass die KPD verboten wurde oder dass sie begriff, was das auch für sie bedeutete? Ich bin nicht bereit, meine Biographie zu schönen, damit sie einen dir gefallenden Eindruck macht.

    Ich schreibe das, was war, und nicht, was hätte sein müssen. Das verwundert dich vielleicht, du hast das vielleicht nicht erlebt, du hattest eine andere Kindheit. Ich verstehe das, aber wir haben am „roten Wedding“ gewohnt, und der hatte eine revolutionäre Tradition, aber nach dem Krieg war davon nichts mehr zu bemerken. Die überlebt hatten, wollten nur eines: am kommenden Wohlstand nach der Einführung des Westgeldes teilnehmen. Politik war denen ganz egal, nur wenn es gegen Kommunisten ging, da waren sie plötzlich „politisch“. Nun male mal kein geschöntes Bild von Westberlin, schließlich habe dort ich gewohnt. Ich habe das in meinen Kindheitserinnerungen beschrieben. Wenn du willst, kann ich ja mal ein paar Auszüge hier einstellen.

  5. Ulrike Spurgat schreibt:

    Also ohne Namen zu nennen äußere ich mich wie folgt: Was mir sowas von gegen den Strich geht vergeht und einem das Interesse verhageln könnte sich hier zu Wort zu melden ist wenn einige tatsächlich denken, dass es nur die „Wahrheit“ gibt die sie glauben zu kennen.— Na ja, was soll man denn dazu noch sagen ? Rechthaberei kann sehr unangenehm sein.

    Harry56.
    Und ja , Harry wo ich herkomme aus dem WESTEN haben die Frauen und Männer Kommunisten einen heldenhaften Kampf in der alten BRD gekämpft. Keiner von ihnen hat jemals warme und trockene Jahre in seinem Leben verbringen können.

    ICH VERNEIGE MICH VOR ALLEN Frauen und Männern, DIE NACH FASCHISMUS UND KRIEG IHREN KAMPF WIEDER AUFGENOMMEN HABEN gegen Remilitarisierung und Völkerhetze. In der Lebenswirklichkeit !!!!! und nicht im Kopf.

    Als Tochter eines Kommunisten war ich in der Arbeitersiedlung: Die Tochter vom „Landesverräter“, die „rote Sau“ und „dich hat man vergessen aufzuhängen“ hat man ihm hinter gerufen. Und ich werde meinen Mund nicht halten trotz Ignoranz und wieder und wieder dieses heilige Erbe zu ehren.

    • sascha313 schreibt:

      Danke, Ulrike !!!

      • Hanna Fleiss schreibt:

        Sascha, dagegen hat hier niemand geschrieben, soviel ich gelesen habe. Ich bin ja völlig der Ansicht, dass die Kommunisten der BRD (und das sind für mich nicht in jeder Beziehung die DKP-Kommunisten, die mit Hilfe des Verfassungsschutzes in der BRD zugelassen wurden) gerade in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg einen schweren Kampf mit der wiederauferstehenden faschistischen Reaktion führen mussten. Das geschah unter der Leitung von Max Reimann. Und diese originale KPD wurde verboten, nicht die DKP.

        Ohne Zweifel wurden auch die DKP-Mitglieder beobachtet und verfolgt und unterlagen vielfachen Repressionen. Ich habe aber eine Frage: Hätte der Verfassungsschutz die DKP wirklich zugelassen, wenn es sich um Kommunisten, gehandelt hätte, die mit Erfahrungen aus den KZ, den Folterhöhlen der Gestapo und den Erfahrungen des Krieges erneut den Kampf gegen den sich etablierenden, „demokratisch“ gewandelten Faschismus in der BRD aufgenommen hatten? Ich denke, dass das nicht geschehen wäre. Doch die Angst vor dem Kommunismus steckte den Herrschaften in den Knochen.

        Man muss dies aber immer in der geschichtlichen, gesellschaftlichen Entwicklung sehen. Nun soll hier nichts geschmälert werden, nicht die persönlichen Repressionen gegen DKP-Mitglieder, nicht die Berufsverbote, die nichtgezahlten Opferrenten, die Aufopferung jedes einzelnen im Kampf gegen die bundesdeutsche Reaktion – nichts, absolut nichts. Ich habe ja als Kind erfahren, unter welchen Repressionen meine Familie gelitten hatte, weil mein Vater und meine Mutter KPD-Mitglieder waren. Es war für uns alle eine schwere Zeit, auch wenn ich als Kind noch gar nicht das ganze Ausmaß voll begreifen konnte.

        Erst die spätere Rückschau machte mir viele Zusammenhänge begreiflich. Ob ich aber die Erfahrungen meiner Eltern mir zuschreiben darf – ich bin sicher, das würde schiefgehen. Ich habe in der DDR gelebt, was ich für das größte Geschenk meiner Eltern halte, ich kenne sie seit Dezember 1949, bis zu ihrem bitteren Ende 1990. Ich bin heute in eine Welt zurückgestoßen worden, die ich nie mehr erleben wollte. Das alles sind meine ganz persönlichen Erfahrungen, die mich geprägt haben und die mir niemand nehmen kann.

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