Heinrich Gemkow: Karl Marx und Friedrich Engels – Eine Biografie.

ME Denkmal BischkekEnde Februar 1844 erschien das erste Heft der „Deutsch-Franzö­sischen Jahrbücher“, ein Doppelheft. Aus Marx‘ Feder enthielt es einige Briefe, die er in der Vorbereitungs­zeit der Zeitschrift mit Ruge gewech­selt hatte, und zwei Aufsätze. Als Ziel der Zeitschrift verkündete Marx geradeheraus, „an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen“ [48], um das Schicksal der deutschen Nation tat­kräftig zu beeinflussen. Und worin bestand dieses Schicksal nach Mei­nung des jungen Marx? „Dieses Schicksal ist die Revolution, die uns bevorsteht.“ [49] Um sie vorzubereiten, könnte nur eine Parole gelten: „Krieg den deutschen Zuständen!“ [50] Das war unmißverständlich. Und unmißverständlich war auch die Ge­dankenführung in den beiden Auf­sätzen von Marx, in denen er Hegels Idealismus endgültig überwand und über die Einsichten von Feuerbach hinausging.

Die „Entdeckung“ der Arbeiterklasse

Marx erkannte, daß die bürgerliche Revolution noch nicht die Befreiung des Menschen gebracht hatte, ja gar nicht bringen kann. Ihre Ideale „Freiheit! Gleich­heit! Brüderlichkeit!“ seien nur durch eine neue Revolution zu ver­wirklichen, die Marx damals „all­gemein menschliche Emanzipation [Befreiung]“ [51] nannte. Die fortschrittliche Philosophie habe die Pflicht, die Vorwärtsentwicklung der menschlichen Gesellschaft zu fördern. Doch wirksam könne diese Philosophie nur werden, wenn sie an, die Bedürfnisse der Massen an­knüpfe, deren Interessen widerspiegele.

„Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt, muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. [ … ] Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein ge­knechtetes, ein verlassenes, ein ver­ächtliches Wesen ist.“ [52]

Die historische Mission der Arbeiterklasse

Welche Kraft aber war fähig, „alle Verhältnisse umzuwerfen“, also die endgültige Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung zu vollziehen? Diese Kraft, so ant­wortete Marx, konnte nur eine Klasse sein, die „durch ihre unmittelbare Lage, durch die materielle Not­wendigkeit, durch ihre Ketten selbst dazu gezwungen wird“ [53]. Diese Klasse „ist das Proletariat“ [54] Mit dieser revolutionierenden Er­kenntnis und weiteren wichtigen Einsichten, zu denen Marx in Paris gelangte, tat er den entscheidenden Schritt vom revolutionären Demo­kraten zum Kommunisten, vom phi­losophischen Idealisten zum Ma­terialisten. Er entdeckte, daß die Arbeiterklasse selbst der Schöpfer der neuen, der künftigen ausbeutungsfreien Gesellschaft sein wird. Darin besteht ihre welthistorische Mission.

Die utopischen Sozialisten

Es gab schon vor Marx und Engels Männer, die den Kapitalismus und seine Unmenschlichkeit scharf kri­tisierten. Sie schilderten in ihren Büchern rückhaltlos die Not und die Rechtlosigkeit der arbeitenden Men­schen und entwickelten Vorstellun­gen von einer künftigen Gesellschaftsordnung, in der Gerechtigkeit und soziale Gleichheit herrschen sollten. Doch waren diese Ideen von einer menschenwürdigen Gesell­schaft und vom Weg dahin nicht wissenschaftlich begründet, sondern utopisch. Aus diesem Grunde wur­den diese Denker utopische Sozialisten genannt. Ihre Wortführer waren die Franzosen Charles- Fourier und Claude-Henri de Saint-Simon sowie der Engländer Robert Owen.

Bürgerliche Illusionen

Während die utopischen Soziali­sten im Proletariat eine leidende Klasse sahen, war für Marx das Pro­letariat in erster Linie eine kämpfende Klasse. Während die utopischen Sozialisten aus mora­lischen Gründen für das Proletariat Gerechtigkeit und Menschenrechte forderten, leitete Marx die histori­sche Mission des Proletariats aus dessen unmittelbarer Lage, aus den realen gesellschaftlichen Verhält­nissen ab. Während die utopischen Sozialisten an die Einsicht der herrschenden Klassen, der Macht­haber, appellierten, verwarf Marx solche Illusionen und wandte sich an die Arbeiterklasse selbst.

Die Befreiung der Menschheit

Die Interessen des Proletariats, so wies Marx nach, stimmen mit denen des gesellschaftlichen Fortschritts überein. Im Kampf um seine Befreiung vertritt das Proletariat die Inter­essen aller Unterdrückten. Die Revolution des Proletariats wird das Privateigentum an den Produktions­mitteln – also an den Fabriken und Werken, am Grund und Boden – und so die Basis der Klassenherrschaft abschaffen. Damit werden die Grundlagen jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung beseitigt. Auf diese Weise ist die Selbstbefreiung des Proletariats tatsächlich die Be­freiung der Menschheit.

Eine völlig neue Gesellschafsordnung

Daher unter­scheidet sich die proletarische Revo­lution prinzipiell von allen vorange­gangenen Revolutionen, die lediglich eine Form der Ausbeutung durch eine andere Form ersetzten. Mit dieser Entdeckung – und Engels gelangte zur gleichen Zeit un­abhängig von Marx zu denselben Einsichten – schlug die Geburts­stunde der Weltanschauung des Proletariats, des wissenschaftlichen Kommunismus. Karl Marx machte sich nun daran, ihn Schritt für Schritt weiter auszuarbeiten, umfassender zu begründen und vor allem zu ver­breiten.

Böse Überraschungen und freudige Ereignisse

Das erste Doppelheft der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ war auch ihr letztes. Die Regierungen Preu­ßens und anderer deutscher Teilstaa­ten machten ihren Polizeiapparat gegen die Zeitschrift und ihre Redakteure mobil. Der preußische König erließ Befehl, das Einschleusen der Schrift mit allen Mitteln zu verhindern. Gegen Marx, Ruge, Heine und andere Mitarbeiter der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ wurde Haftbefehl erlassen, falls sie preußischen Boden betreten würden. Die Buchhändler warnte man vor, dem Vertrieb der gefürchteten Zeitschrift, die Antiquariate durchschnüffelte man. So fielen mehrere­hundert Exemplare der Auflage den preußischen und bayrischen Häschern in die Hände.

Ein neuer Lebensabschnitt

Ruge wurde ängstlich. Das Entscheidende aber war: Er stimmte mit den von Marx geäußerten Ansichten nicht überein. Der bürgerliche Demokrat vermochte dem proletarischen Revolutionär nicht mehr zu folgen. Ende März 1844 trennte sich Marx deshalb von Ruge. Karl Marx und seine Jenny standen nun völlig mittellos da. Jetzt zeigte es sich, daß sie nicht allein waren. Die Gefährten aus den Tagen der „Rheinischen Zeitung“ schickten Geld. Das junge Paar konnte vorerst wieder aufatmen. Es war auch höch­ste Zeit, denn am 1. Mai 1844 wurde das erste Kind, ein Mädchen, gebo­ren. Auf des Vaters Wunsch erhielt es den Namen seiner geliebten Jenny.

Heine als Gast und Freund

Viele Bekannte und Freunde, De­mokraten und utopische Sozialisten, Wissenschaftler und Künstler, gingen bei Karl und .Jenny ein und aus, wenn die Hausfrau auch äußerst sparsam wirtschaften mußte. Einer ihrer häufigsten Gäste war Heinrich Heine, der schon seit Jahren als Emigrant in Paris lebte. Weder Marx noch er wußten, daß sie – wenn auch sehr weitläufig – miteinander ver­wandt waren. Nach dem heutigen Stand der Forschung steht fest, daß die Ur-Ur-Großeltern Heinrich Hei­nes zugleich die Ur-Ur-Ur-Großel­lern von Karl Marx waren,

Gedichte und Philosophie

Oft saßen Heine und Marx stundenlang über einem Gedicht des Poeten, besprachen und besserten es, his es seine meisterhafte Form gefunden hatte. Und häufig war Jenny dann Heines erste, aufmerksame und charmante Zuhörerin. Marx‘ Freundschaft war für Heines künstlerische Entwicklung von großer Bedeutung. Schon im Februar 1844 bekannte der Dichter: „Meine Gedichte [ … ] werden eine höhere Politik atmen“ [55]. In jenen Monaten des regelmäßigen Zusammenseins mit Marx schrieb Heine eines der unvergänglichen Werke der deut­schen Literatur: „Deutschland. Ein Wintermärchen“. In ihm prophezeite er „ein neues Geschlecht“ [56], das einst Unterdrückung und Armut für immer aus dem Leben des Volkes verban­nen werde.

„Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.“ [57]

Wem gehört die Zukunft?

So kämpften der kühne Revolutionär und Wissenschaftler und der bedeu­tende Dichter mit verschiedenen Waffen für ein gemeinsames Ziel: eine glückliche Zukunft ihres Volkes und aller Völker. Und geradezu prophetisch klingen Heines Worte über Marx und dessen Mitstreiter: „Diese Doktoren der Revolution [ … ] sind die einzigen Männer in Deutsch­land, die Leben in sich haben, und ihnen [ … ] gehört die Zukunft.“ [58]

Anmerkungen:
[48] Karl Marx: [Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“]. In: MEW, Bd.1, S.345.
[49] ebd. S.338
[50] Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen rechtsphilosophie. Einleitung. In: MEW, Bd.1, S.380.
[51] ebd. S.338.
[52] ebd. S.358.
[53] ebd, S.390.
[54] ebd.
[55] Heinrich Heine an Julius Campe, 20.Februar 1844. In: Werke und Briefe in zehn Bänden, Bd.9, , Berlin (DDR), 1962, S.141.
[56] Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen. Caput XXVII.
[57] ebd. Caput I.
[58] Heinrich Heine: Geständnisse. In: Werke und Briefe in zehn Bänden, Bd.7, Berlin (DDR), 1962, S.490.
[59] Karl Marx: [Ökonomisch-philosophische iaus dem Jahre 1844]. In: MEW, EB 1, S.554.

Quelle:
Heinrich Gemkow: Eine Biographie über Karl Marx und Friedrich Engels, erschienen im Dietz Verlag Berlin, 1984, S.48-52.

pdfimage Heinrich Gemkow – Karl Marx und Friedrich Engels


Nachbetrachtung

Karl Marx und Friedrich Engels lebten im 19. Jahrhundert. Sicher, so wird sich jetzt mancher fragen: Was bedeutet das heute noch für uns? Sehr viel! Denn die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung, der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, hat sich nicht geändert. Und dann wird man vielleicht fragen: Gibt es heute noch eine Arbeiterklasse? Ja, es gibt sie! Auch wenn die industrielle Revolution (eine umwälzende Entwicklung auf dem Gebiet der modernen Technik, der elektronischen Datenverarbeitung, der Automatisierung und Computerisierung) vieles enorm verändert hat – die menschliche Arbeitskraft läßt sich nicht gänzlich durch Roboter und durch die künstliche Intelligenz ersetzen.

Immer werden es Menschen sein, die Dinge entwickeln, Ideen verwirklichen, Hand anlegen, um durch ihre Arbeit das Gedachte und Geplante umsetzen. Es sind die Lohnarbeiter, die mit der materiellen Produktion verbunden sind. Zwar können viele Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden. Doch ohne den arbeitenden Menschen gibt es nichts zu essen, wird kein Haus gebaut und findet keine wissenschaftliche Entwicklung statt. Jeder Mensch hat das Recht, auf der Erde ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Doch das ist nur im Sozialismus möglich. Das Leitprinzip der DDR war: „Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein!“

Es darf nicht sein, daß einige wenige, wie heute diese selbsternannten „Eliten“, die Herrschaft über Millionen Menschen ausüben, daß Menschen auf der Erde ohne Obdach sind und verhungern. Weg mit diesen asozialen Schmarotzern, wie Gates, Rockefeller, Musk… den Milliardären und Millionären, die auf Kosten von Millionen Menschen leben, denen sie ihren Willen aufzwingen wollen! Weg mit den Beamten und dem gesamten Dienstpersonal! Es ist wieder an der Zeit, die Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels in die Tat umzusetzen! Weg mit dem Kapitalismus! Proletarier aller Länder vereinigt euch! Schließt euch alle an! Gemeinsam sind wir stark!

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2 Antworten zu Heinrich Gemkow: Karl Marx und Friedrich Engels – Eine Biografie.

  1. roprin schreibt:

    In der Gegenwart fehlt es an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung unserer Zeit. Während sich der Imperialismus weiterentwickelt und international verflochten ist hat die Arbeiterklasse keinerlei proletarische Vorhut. Proletarischer Internationalismus, Solidarität? Nichts dergleichen. Nein, es ist sogar so, daß sich das Proletariat, bedingt durch die Veränderung der Produktionsprozesse, nicht mehr als solches versteht. Gewerkschaften – einst vom Proletariat organisiert, haben lediglich ihren Namen behalten, sind inhaltlich verkommen und stellen den verlängerten Arm der Unternehmer dar. Wo gibt es noch eine wahrhaft kommunistische Partei mit einem wissenschaftlich fundierten Programm? Wo Führungspersönlichkeiten? Es herrscht ein Vakuum – theoretisch und praktisch zugunsten der Bourgeoisie. Wer kennt heute noch das Kommunistische Manifest? Verräter haben es geschafft, Stalins Leben und Schaffen in den Schmutz zu ziehen.

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