Das Jahr 1917 war zweifellos eines der ereignisreichsten und bedeutendsten Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wenn nicht gar in der Geschichte der Menschheit. Als Lenin diesen Artikel für die Arbeiterzeitung schrieb, hatten bisher schon mehrere Aufstände und Revolutionen des Volkes gegen die Ausbeuterklasse stattgefunden und die Große Sozialistische Oktoberrevolution stand unmittelbar bevor. Die Oktoberrevolution in Rußland sollte wenige Monate später erstmals die gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse im Lande grundlegend verändern und das unerträgliche, jahrhundertealte Joch der AUSBEUTUNG für immer beseitigen. Dies schien auch dem Fürsten Lwow klargeworden zu sein, denn er hatte erkannt, daß der Durchbruch – wie er es nannte – im Inneren des Landes, d.h. der Sieg der Bolschewiki über den Zarismus unter der genialen Führung Lenins für das Land unvergleichlich wichtiger und bedeutsamer ist, als der Durchbruch der Feinde aus dem Ausland. Es schien ihm auch einzuleuchten, daß die Macht der vereinten Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern sich letzenendes als stärker erweisen, und auch die äußeren Feinde überwinden würde. Ein bemerkenswerte Erkenntnis!
W.I. Lenin
Wofür wir dem Fürsten G.J. Lwow dankbar sind
Das frühere Haupt der Provisorischen Regierung, Fürst G.J. Lwow, hat im Abschiedsinterview, das er Vertretern des Journalistenkomitees bei der Provisorischen Regierung gab, wertvolle Geständnisse gemacht, die ihm die Dankbarkeit der Arbeiter sichern.
„In meinem Optimismus“, sagte Lwow, „werde ich besonders durch die Ereignisse bestärkt, die sich in den letzten Tagen im Lande abspielen. Unser ,tiefer Durchbruch‘ der Front Lenins ist meiner Überzeugung nach für Rußland von unvergleichlich größerer Bedeutung als der Durchbruch der Deutschen an unserer Südwestfront.“
Wie sollten die Arbeiter dem Fürsten für diese Nüchternheit bei der Einschätzung des Klassenkampfes nicht dankbar sein? Die Arbeiter werden nicht nur dankbar sein, sie werden von Lwow lernen.
…nicht „Bürgerkrieg“ – sondern Kampf gegen die Konterrevolution!
Mit welch hemmungsloser Schönrednerei und maßloser Heuchelei haben alle Bourgeois und Gutsbesitzer und auch die hinter ihnen hertrottenden Sozialrevolutionäre und Menschewiki Reden gegen den „Bürgerkrieg“ geschwungen! Seht euch das wertvolle Geständnis des Fürsten Lwow an, und ihr werdet sehen, daß er die innere Lage Rußlands mit größter Seelenruhe gerade vom Standpunkt des Bürgerkrieges aus einschätzt. An der Spitze der Konterrevolution stehend, hat die Bourgeoisie die Front der revolutionären Arbeiter tief durchbrochen – darin liegt das winzige Körnchen Wahrheit in den Geständnissen des Fürsten.
Der Hauptfeind steht im Inneren des Landes!
Zwei Feinde, zwei feindliche Lager, einer hat die Front des anderen durchbrochen – so stellt Fürst Lwow die innere Lage Rußlands dar. Laßt uns dem Fürsten Lwow von Herzen für seine Offenheit danken! Denn er ist tausendmal mehr im Recht als die sentimentalen Spießbürger aus dem Lager der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die meinen, daß der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat, der sich während der Revolution unvermeidlich bis aufs äußerste verschärft, durch ihre Bannflüche und Beschwörungen verschwinden könne!
Ewig schwankendes Kleinbürgertum: Juristen, Beamte, Intellektuelle…
Zwei Feinde, zwei feindliche Lager, einer hat die Front des anderen durchbrochen, dies ist die richtige Geschichtsphilosophie des Fürsten Lwow. Er hat recht, daß er faktisch das dritte Lager, das Kleinbürgertum, die Sozialrevolutionäre und Menschewiki, nicht mit in Rechnung stellt. Dies dritte Lager scheint groß zu sein, kann aber in Wirklichkeit nichts selbständig entscheiden; das ist dem nüchtern urteilenden Fürsten klar, wie es auch jedem Marxisten klar ist, der die wirtschaftliche Stellung des Kleinbürgertums versteht – wie dies auch schließlich jedem klar ist, der sich in die Lehren der Revolutionsgeschichte hineindenkt, die stets bei einer Verschärfung des Kampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat die Ohnmacht der kleinbürgerlichen Parteien gezeigt haben.
Der Klassenkampf findet im Inneren des Landes statt
Der Klassenkampf im Innern ist selbst in Kriegszeiten bedeutend wichtiger als der Kampf mit dem äußeren Feinde – mit welch einer Flut von wilden Sehimpfworten haben die Vertreter der Groß- und Kleinbourgeoisie die Bolschewiki wegen der Anerkennung dieser Wahrheit überschüttet! Wie haben die zahllosen Liebhaber von hochtrabenden Phrasen über „Einheit“, „revolutionäre Demokratie“ usw. usf. diese Wahrheit abgeschworen!
Eine äußerst wichtige Erkenntnis !
Als aber der ernste, entscheidende Augenblick kam, da hat Fürst Lwow mit einem Male und uneingeschränkt diese Wahrheit anerkannt und offen verkündet, daß der „Sieg“ über den Klassenfeind im Innern des Landes wichtiger ist als die Lage an der Kampffront gegen den äußeren Feind. Eine unbestreitbare Wahrheit. Eine nützliche Wahrheit. Die Arbeiter werden dem Fürsten Lwow sehr dankbar dafür sein, daß er sie anerkannte, daß er an sie gemahnte, daß er sie verbreitete. Und als Dank für den Fürsten werden die Arbeiter alle Anstrengungen der Partei darauf richten, daß die breitesten Massen der Werktätigen und Ausgebeuteten diese Wahrheit besser begreifen und sich zu eigen machen. Nichrswird der Arbeiterklasse in ihrem Kampf um ihre Befreiung so zustatten kommen wie diese Wahrheit.
Zwei wichtige Voraussetzungen
Worin besteht jener „Durchbruch“ an der Front des Bürgerkrieges, über den Fürst Lwow so jubelt? Bei dieser Frage muß man besonders aufmerksam verweilen, damit die Arbeiter von Lwow recht gut lernen können.
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Der „Durchbruch an der Front“ des inneren Krieges bestand diesmal erstens darin, daß die Bourgeoisie über ihre Klassenfeinde, die Bolschewiki, ein Meer von Unrat und Verleumdungen ausgoß, wobei sie bei diesem gemeinsten und schmutzigsten Werk der Verleumdung ihrer politischen Gegner eine beispiellose Hartnäckigkeit an den Tag legte. Dies war, mit Verlaub zu sagen, die „ideologische Vorbereitung“ des „Durchbruchs an der Front des Klassenkampfes“.
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Zweitens, materiell, dem Wesen der Sache nach, bestand der „Durchbruch“ darin, daß Vertreter der politisch feindlichen Strömungen verhaftet, daß sie außerhalb des Gesetzes gestellt wurden, daß ein Teil von ihnen auf offener Straße ohne Gericht ermordet wurde (Ermordung Wojinows am 19. [6.] Juli, weil er aus der Druckerei der „Prawda“ deren Ausgaben herausbrachte), ferner im Verbot ihrer Zeitungen, in der Entwaffnung der Arbeiter und der revolutionären Soldaten.
Das ist der „Durchbruch an der Front des Krieges mit dem Klassenfeind“. Mögen die Arbeiter darüber recht gut nachdenken, um dies, wenn die Zeit heranreift, der Bourgeoisie gegenüber anzuwenden.
Die Kommunisten sprechen offen über ihre Ziele !
Niemals wird das Proletariat zu Verleumdungen greifen. Es wird die Zeitungen der Bourgeoisie verbieten, und dabei geradeheraus in Gesetzen, in Verfügungen im Namen der Regierung erklären, daß die Kapitalisten und deren Verteidiger Volksfeinde sind. Die Bourgeoisie in Gestalt unseres Feindes, der Regierung, und das Kleinbürgertum in Gestalt der Sowjets fürchten sich, auch nur ein Wort direkt und offen über das Verbot der „Prawda“, über die Gründe des Verbots zu sagen. Das Proletariat wird nicht zu Verleumdungen greifen, sondern mit dem \’7ort der Wahrheit wirken. Es wird den Bauern und dem ganzen Volke die Wahrheit über die bürgerlichen Zeitungen sagen und über die Notwendigkeit, sie zu verbieten.
Was ist das Ziel des Klassenkampfes?
Zum Unterschied von den Schwätzern des Kleinbürgertums, den Sozialrevolutionären und Menschewiki, wird das Proletariat bestimmt wissen, worin in der Praxis der „Durchbruch an der Front“ des Klassenkampfes besteht darin, die Feinde unschädlich zu machen, die Ausbeuter unschädlich zu machen. Fürst Lwow hat dem Proletariat geholfen, diese Wahrheit zu erkennen. Sprechen wir dem Fürsten Lwow unseren Dank aus.
„Proletarskoje Djelo“ Nr. 5
1.August (19.Juli) 1917
Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt und kommentierte:
Kapitalisten und deren Verteidiger sind Feinde des Volkes.
Dieses sogenannte Kleinbürgertum macht hierzulande wohl auch die große Masse aus. Die ganze BRD-Gesellschaft ist geistig und kulturell auf dem Stand von 1917. Das war mein erster Gedanke beim Lesen dieses Artikels. Den ebenda beschriebenen Durchbruch würde ich als revolutionäre Situation bezeichnen, die auch hier längst erreicht ist. Wobei es um die Organisation und Führung der Arbeiterklasse innerhalb Deutschlands heute um Einiges schlechter bestellt ist als etwa zur Zeit des Kapp-Putsches.
…ja, das denke ich auch! Interessant an dem Artikel ist ja auch, was Lenin da für Gründe anführt:
a) „…ein Meer von Unrat und Verleumdungen“ und
b) „…Ermordung Wojinows“.
Wenn man da nicht hellhörig wird!
Lenin bringt ja sehr oft einfache Dinge auf den Punkt. Eine Tatsache, die heute leider von vielen in Politik, Gesellschaft, Kultur oder auch normalem Leben verleugnet wird, weil sie selber nicht Bescheid wissen oder schon zu sehr in ihrer eigenen Arroganz gefangen sind.
Lenin: Politik ist die Konzentration der wirtschaftlichen Macht. Somit wird die Politik für alle Proletarier zur notwendigen Voraussetzung für eine neue und gerechtere Gesellschaft.
Schon richtig erkannt lieber Genosse und Forumleser. Ich denke aber auch, dass 1917 bzw.1918 etc. (Novemberrevolution) vielleicht doch ein paar kluge Köpfe lebten, die einen revolutionären Neuanfang wagten. Eine Tatsache, die heute viele im Land nicht mehr auf der Tagesordnung haben – leider!
Ja natürlich lieber Thomas, wir bleiben dran!
Schönes Wochenende, Grüße an Alle.
Erfurt, wenn die wenigstens auf dem Stand von 1917 wären, könnte sogar ich mir noch Hoffnung machen; aber ich denke, die sind nicht mal auf dem Stand von 1817.