Einst wohnte ich in der John-Schehr-Straße. Mir war bewußt, daß es sich um einen hervorragenden und zuverlässigen Kommunisten handelte, nach dem unsere Straße benannt worden war. Für uns in der DDR war es eine Selbstverständlichkeit und eine Sache der Ehre, das Gedenken an bedeutende Persönlichkeiten unserer Geschichte zu achten und zu ehren. Es waren vor allem die Kommunisten, die in der Nacht des Faschismus die Würde unseres Volkes bewahrten und mit allen Mitteln gegen die täglich zunehmende Verrohung und Verwahrlosung der Gesellschaft kämpften, die mit der Machtübertragung an die Nazipartei einherging. Und sie waren die ersten Opfer der Nazis. Stets waren es die Kommunisten, die auf der Seite des werktätigen Volkes standen, die gegen Kapitalismus und Krieg, gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpften. Es waren die Kommunisten, die sich – charakterlich stark, verläßlich und geradlinig – für eine gerechtere Welt einsetzten und die schließlich ihr Leben dafür gaben. Nie werden wir vergessen, was Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck, Wilhelm Florin, Walter Ulbricht und zahllose andere Kommunisten für uns getan und geleistet hatten. Ihnen und den Völkern der Sowjetunion unter Führung des Genossen Stalin verdanken wir 40 glückliche Jahre unseres Leben in der Deutschen Demokratischen Republik. Willi Bredel hat 1959 dem Genossen John Schehr mit seinem Beitrag ein Denkmal gesetzt.
Vor fünfundzwanzig Jahren; in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1934 wurden die. vier leitenden kommunistischen Funktionäre John Schehr, Erich Steinfurth, Eugen Schönhaar und Rudolf Schwarz auf direkten Befehl Görings am Kilometerberg bei Wannsee meuchlings ermordet. Man hieß sie vom Wagen steigen, um sie zu erschießen.
…die Faschisten frohlockten zu früh.
Der „Völkische Beobachter“ vom 3. Februar 1934, das Blatt der Hitlerpartei, meldete in dicken Schlagzeilen: „Neues kommunistisches Kapitalverbrechen. Der Kronzeuge für Thälmanns Hochverrat durch Fememord beseitigt!“ Mit dieser Gipfelleistung an Zynismus gedachten die Nazis ihre Mordtat zu verschleiern. Aber die Regie klappte nicht. Am selben Tag meldete der Polizeibericht ·in Berlin: „Vier Kommunisten auf der Flucht erschossen!“ Die uniformierte Mörderkolonne aus dem Columbiahaus in Berlin, die diesen Todestransport durchführte, hatte zu früh gefrohlockt:
„Befehl ausgeführt!“
Die SS-Kanaillen erschossen auch Alfred Taus
Ich erinnere mich. in welchen wilden Freudentaumel auch die SS-Banditen fielen, die im Konzentrationslager Fühlsbüttel-Hamburg stationiert waren, als dieser Mord ihrer Berliner Kumpane bekanntgegeben wurde. Sie veranstalteten eine regelrechte Siegesorgie, und tief in der Nacht torkelten sie betrunken von Zelle zu Zelle des alten Zuchthauses, das als Konzentrationslager diente, verhöhnten und mißhandelten die gefangenen Antifaschisten. Einer der Jüngsten unter uns Gefangenen, der Hafenarbeiter Alfred Taus, der sich gegen seine Peiniger zur Wehr setzte, wurde in dieser Februarnacht kurzerhand niedergeschossen. Mit drei Schüssen im Leib ließen die SS-Kanaillen den jungen Arbeiter in seiner Zelle liegen. Meine Zelle befand sich auf derselben Station, und ich hörte bis zum Morgen das Wimmern und Stöhnen des Sterbenden.
Der illegale Kampf geht weiter!
Die Faschisten glaubten mit der Ermordung John Schehrs und seiner Genossen endgültig der Kommunistischen Partei den Todesstoß versetzt zu haben. Sie schätzten John Schehr als politischen Gegner sehr hoch ein. Darin irrten sie nicht. Genosse Schehr war einer der aktivsten und fähigsten Politiker und Organisatoren, und nach Thälmanns Verhaftung war es John Schehr, der zusammen mit Wilhelm Pieck, Wilhelm Florin, Walter Ulbricht und anderen Mitgliedern des ZK der Partei den illegalen Kampf gegen das Hitlerregime aufnahm. Schehr wurde der Organisationsleiter der illegalen Partei.
Wer war Johnny Schehr?
Jonny Schehr, wie er in Hamburg genannt wurde, war ein echtes Arbeiterkind dieser Hafenstadt. In einem mehrstöckigen Mietshaus in der Weidenstraße in Altona, wo die Häuser in langer Reihe so eng nebeneinander standen, daß weder genügend Licht noch Sonne in die Fenster gelangen konnte, wohnte er. Von hier war es nicht weit zu dem lichtüberfluteten Vergnügungsviertel Reeperbahn.
Jonny Schehr liebte seine Vaterstadt, trotz aller Schattenseiten, die sie für ihn hatte. Den lebenslustigen jungen Werft- und Hafenarbeiter konnte jedermann gut leiden. Er war ein hilfsbereiter Kollege, solidarisch zu seinesgleichen. Bei keiner Demonstration, in denen für Arbeiterforderungen marschiert wurde, fehlte er, Im Streikkampf war er einer der Zuverlässigsten, der nie den Mut verlor und vor keiner Schwierigkeit zurückschreckte. Ernst Thälrnann zog den jungen Werftarbeiter zu sich heran; er wurde Mitglied der Bezirksleitung der Kommunistischen Partei an der Wasserkante; dann Organisationssekretär der Hamburger Partei. Das war in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Als nach der Weltwirtschaftskrise und der aufkommenden Massenerwerbslosigkeit in Deutschland die von der Schwerindustrie ausgehaltene Hitlerpartei eine immer größere Gefahr wurde für die Demokratie und die Arbeiterparteien, wählten die Werktätigen John Schehr, der Leiter der Kommunistischen Partei in Hannover geworden war, als ihren Vertreter in den Reichstag.
Die Revolutionäre der Arbeiterbewegung
Von John Schehr zu sagen, daß er ein unerschrockener, selbstloser politischer Kämpfer für den Sozialismus, die große Sache der Arbeiterbewegung, war, erübrigt sich – das war eine Selbstverständlichkeit. Tapfere, ihr Leben nicht schonende Revolutionäre hat es unter den Mitkämpfern Ernst Thälmanns viele gegeben. Allein in Hamburg sind eine große Zahl antifaschistischer Helden aus der Arbeiterbewegung in der Thälmannschen Ära hervorgegangen, die heute leuchtende Symbole des proletarischen Freiheitskampfes in ganz Deutschland sind. Ich denke dabei an August Lüttgens, Fiete Schulze, Edgar Andre, Jonny Dettmer, Fritz Lux, Franz Jacob, Bernhard Bästlein und viele andere. Sie alle sind, wie Ernst Thälmann und John Schehr, von den Mordbuben und Henkersknechten der Nazipartei ermordet worden.
John Schehr in den Fängen der Faschisten…
Nach der Machterschleichung der Faschisten über die politische Hintertreppe, wozu ihnen die Wirtschaftsmagnaten der Rüstungsindustrie und die Junker verhalfen, hat die Gestapo monatelang Jagd auf John Schehr und die illegale Leitung der Kommunistischen Partei Deutschlands gemacht. Im Oktober 1933 fiel John Schehr in ihre Hände. Das bedeutete einen schweren Schlag für die illegal kämpfende Partei. Aber es hieß wahrhaftig nicht das Ende ihrer politischen Tätigkeit. Der großartige revolutionäre Organisator John Schehr hatte eine solche Möglichkeit von vornherein berücksichtigt und entsprechende Vorsorge getroffen. Für jede Leitung, die ausfiel, wuchs aus der Mitgliedschaft eine neue hervor. In Hamburg beispielsweise war im Jahre 1934, also nach anderthalb Jahren illegalen politischen Kampfes, die elfte Stadtleitung an der Spitze der Kommunistischen Partei.
Folter konnte ihn nicht brechen!
Man schleppte John Schehr in das berüchtigte Colurnbiahaus, der Folter- und Mordzentrale der Berliner Gestapo. Nichts unterließen die Gestapobullen, um John Schehr zum Sprechen zu bringen! Sie wußten, er hatte den illegalen Kampf der Kommunistischen Partei geleitet. Er hatte die illegale Parteiorganisation aufgebaut. Bei ihm waren alle Organisationsfäden in ganz Deutschland zusammengelaufen. Wenn ein Kommunist über Einzelheiten der Organisation und des politischen Kampfes der Kommunistischen Partei Bescheid wußte, dann er. Jede Art von Tortur wendeten sie an. Und sie erreichten dennoch nicht das Geringste. Sie versuchten es mit Versprechungen. Leben und sogar Freiheit versprachen sie ihm, wenn er ein umfassendes Geständnis ablegte, wenn er sich nur bereit erklärte, alle Fragen der Gestapobeamren wahrheitsgemäß zu beantworten. John Schehr gab nur eine einzige Erklärung ab und die hat folgenden Wortlaut:
„Ich erkläre, daß ich über die Tätigkeit der Organisation der KPD, über meine politische Arbeit, über die meiner Mitarbeiter keine Aussage zu machen habe. Mein Leben dient der Arbeiterklasse, dem Frieden, der Demokratie und dem Sozialismus. Ich bin und bleibe ein Feind des Faschismus.“
Wutschnaubend schrie der Gestapobeamte, der die Vernehmung leitete, ob er wisse, was er – John Schehr – damit ausgesprochen habe? „Meinen Standpunkt“, lautete die Antwort. „Nein, Ihr Todesurteil!“ erwiderte der Gestapomann. In der Nacht auf den 2. Februar 1934 wurde es von Mordbuben der SS aus dem Columbiahaus bei Wannsee vollstreckt.
Die Nazis beseitigten sie Spuren
Als John Schehr, der Kämpfer für Frieden und Sozialismus lebte, standen die Häuser in Hamburg-Altona noch. Es vergingen nur wenige Jahre nach seiner Ermordung, und in Hamburg-Altona standen die Häuser nicht mehr. Und nicht nur in der Weidenstraße lagen sie in Schutt und Asche. Zehntausende Menschen, die nach 1933 glaubten, sie könnten davonkommen, wenn sie sich zurückhielten und widerstandslos die Militaristen und Faschisten gewähren ließen, lagen erschlagen unter den Trümmern ihrer Häuser.
Ein Ehrenplatz in der deutschen Geschichte
Wenn wir heute, in unserem Kampf gegen den wiedererstandenen Militarismus und Imperialismus im Westen Deutschlands, unserer antifaschistischen Vorkämpfer gedenken, jener proletarischen Helden, die für unser werktätiges Volk, für Frieden und Sozialismus Blut und Leben hergegeben haben, dann nimmt Genosse John Schehr gleich neben Ernst Thälmann einen Ehrenplatz ein. Er war in Deutschlands dunkelster Nacht einer der treuesten Söhne der deutschen Arbeiterklasse und unseres ganzen werktätigen Volkes.
Erich Weinert
John Schehr und Genossen.
Es geht durch die Nacht. Die Nacht ist kalt.
Der Fahrer bremst. Sie halten im Wald.
Zehn Mann Geheime Staatspolizei.
Vier Kommunisten sitzen dabei,
John Schehr und Genossen.
Der Transportführer sagt: „Kein Mensch zu sehn.“
John Schehr fragt: „Warum bleiben wir stehn?“
Der Führer flüstert: „Die Sache geht glatt!“
Nun wissen sie, was es geschlagen hat,
John Schehr und Genossen.
Sie sehn, wie die ihre Pistolen ziehn.
John Schehr fragt: „Nicht wahr, jetzt müssen wir fliehn?“
Die Kerle lachen. „Na, wird es bald?
Runter vom Wagen und rein in den Wald,
John Schehr und Genossen!“
John Schehr sagt: „So habt ihr es immer gemacht!
So habt ihr Karl Liebknecht umgebracht!“
Der Führer brüllt: „Schmeißt die Bande raus!“
Und schweigend steigen die viere aus,
John Schehr und Genossen.
Sie schleppen sie in den dunklen Wald.
Und zwölfmal knallt es und widerhallt.
Da liegen sie mit erloschenem Blick,
jeder drei Nahschüsse im Genick,
John Schehr und Genossen.
Der Wagen saust nach Berlin zurück.
Das Schauhaus quittiert: „Geliefert vier Stück.“
Der Transportführer schreibt ins Lieferbuch:
„Vier Kommunistenführer, beim Fluchtversuch,
John Schehr und Genossen.“
Dann begibt er sich in den Marmorsaal,
zum General, der den Mord befahl.
Er stellt ihn, mitten im brausenden ball.
„Zu Befehl, Exzellenz! Erledigt der Fall
John Schehr und Genossen.“
Erledigt der Fall? Bis zu einem Tag!
Da kracht seine Türe vom Kolbenschlag.
Er springt aus dem Bett. „Was wollt ihr von mir?“
„Kommt mit, Exzellenz, die Abrechnung für
John Schehr und Genossen.
Erich Weinert, Es kommt der Tag. Gedichte, Moskau/Leningrad 1934, S. 20.
Quelle: Urania Universum, Urania Verlag Berlin/Leipzig, 1959, Bd. V, S.17-21.
Schehr, John, 9.2. 1896-1.2. 1934 (ermordet), Arbeiterführer; seit 1919 Mitglied der KPD, einer der engsten Kampfgefährten Ernst Thälmanns,
1925 Kandidat des ZK der KPD, 1932 Mitglied des Politbüros und Reichstagsabgeordneter; leitete nach Verhaftung Thälmanns (3. 3. 1933) die illegale KPD; Nov. 1933 verhaftet. Abb.
Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt.
Auch heute haben sie keinen wirklichen Erfolg, uns Kommunisten um zu formen oder zum Mitmachen zu bewegen. Der Protest und die Aufklärung läuft dank der Technik an verschiedenen Orten kurz hinter einander ab. Ab und zu finden sich diese Denunzianten, die dann die Polizei rufen, die dann nichts sieht und finden kann. Ein paar Minuten später geht es weiter. Oft fahren wir zu zweit oder zu dritt auf verschiedene Park-Einkaufs-Plätze und tricksen die Polizei aus. Man erreicht dadurch mehr Menschen.
…Stadtguerilla 😉
Hat dies auf Der Saisonkoch rebloggt und kommentierte:
Wem diese Geschichte nicht wach rüttelt, dem wünsche ich Gute Nacht.
Mei Gutster, das liegt jetzt auch bei mir:-))
…sehr schön (übernimm’s immer vollständig) :;)