Gleich vorweg gesagt: Die Forschung diente in der DDR immer dem Wohle des Menschen. Jegliche medizinische Behandlung war kostenlos, und die Ärzte hatten ein festes Gehalt, das dem ihrer Qualifikation und ihrer Tätigkeit entsprach. Niemals gab es bei uns irgendwelche medizinische Experimente, die durchgeführt wurden, um damit Geld zu verdienen. Auch die pharmazeutische Industrie gehörte zum Volkseigentum, d.h. sie war nicht gezwungen (wie im Kapitalismus) Profit zu machen. Die Grundlagen-forschung war auch in der DDR sehr hochentwickelt, doch unsere Ärzte und Krankenpfleger, das medizinische Personal und die Krankenschwestern taten alles in ihrer Macht stehende, um die ihnen anvertrauten Patienten wieder gesund zu machen. Alles das bezahlte unser Staat. Der folgende wissenschaftliche Beitrag aus dem Jahre 1977 wurde entnommen aus dem URANIA-Universum, Bd.23. Professor Geißler war in der DDR ein hochangesehener Arzt und Wissenschaftler. Von ihm stammt übrigens auch das im Jahre 1986 in Leipzig erschienene BI-Lexikon Virologie.
Prof. Dr.sc. Erhard Geißler
Sind Gendefekte reparierbar?
Wie dem „Universum“-Leser bekannt sein dürfte, konnte die Molekularbiologie in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten wesentliche Erkenntnisse über die fundamentalsten Lebensprozesse gewinnen. So wissen wir heute eindeutig, daß die Erbinformationen, die Entwicklung, Struktur und Funktion aller Lebewesen unseres Planeten kontrollieren, in Form von Baustein-(Nukleotid-)sequenzen der Desoxyribonukleinsäure- (DNS-)Moleküle verschlüsselt sind (und ausnahmsweise, bei zahlreichen Viren, in Ribonukleinsäure-/RNS-/Molekülen).
Der Informationsgehalt der DNS
Dabei weist die DNS eine bemerkenswerte Struktur auf: Sie besteht aus Doppelketten, in denen sich bestimmte, durch Wasserstoffbrücken verbundene Nukleotide jeweils paarweise gegenüberstehen: Adenin (A) gegenüber Thymin (T) und Guanin (G) gegenüber Cytosin (C). Dies ermöglicht es, den Informationsgehalt der DNS originalgetreu zu verdoppeln. Deshalb erfolgt auch die Synthese von RNS-Molekülen nach diesem Basenpaarungsprinzip, nur daß hier der DNS-Baustein Thymin durch die in der Regel lediglich in der RNS vorkommende Base Uracil (U) ersetzt ist. (Auf dem Prinzip der komplementären Basenpaarung beruhen aber auch die im folgenden skizzierten Hauptmethoden des Geningenieurwesens.)
Transkription der Erbinformation
Weiterhin wissen wir heute, daß die in der DNS verschlüsselten genetischen Informationen in einem zweistufigen Prozeß über ein lntermediärprodukt, die Boten-RNS, größtenteils in Polypeptidketten übersetzt werden (s. Abb.).
Die Bausteine der Aminosäure
Dabei kontrolliert jeweils eine Gruppe von durchschnittlich eintausend Nukleotid(paar)en als spezifisches „Gen“ die Bildung einer bestimmten Polypeptidkette als spezifisches Genprodukt, wobei jeweils drei Nukleotide für den Einbau eines bestimmten Eiweißbausteins, einer Aminosäure, verantwortlich sind (s. Tab.).
Die auf diese Weise gebildeten Genprodukte dienen dann allein oder in Kombination mit anderen Polypeptidketten als biologisch aktive Eiweißkörper, als Biokatalysatoren, als Sauerstoffüberträger, als kontraktile Elemente, als Strukturkomponenten usw.
Was sind Mutationen?
Darüber hinaus ist uns bekannt, daß und wie gelegentlich „Druckfehler“ in der genetischen Information auftreten, die als Mutationen bezeichnet werden, weil sie über die Bildung mehr oder weniger veränderter Genprodukte zur Ausbildung unterschiedlich stark veränderter Erbmerkmale führen. Wie echte Druckfehler können sie unterschiedlichste Konsequenzen haben. Manche merkt man überhaupt nicht. Daneben gibt es zahlreiche (sog. „erlaubte Fehlsinn“-) Mutationen, die zum Einbau einer anderen Aminosäure führen, ohne daß die biologische Aktivität des betreffenden Genprodukts völlig verlorengeht.
Sind Mutationen gefährlich?
So sind mehr als zweihundert Varianten des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin bekannt, bei denen einzelne Aminosäure-Austausche keinen nennenswerten, d.h. klinisch bedeutsamen Funktionsverlust des Hämoglobins bedingen. Andererseits führt z.B. bei der Sichelzellanämie die Mutation GAA zu GAT zum Austausch eines bestimmten Glutaminsäurerestes gegen die Aminosäure Valin. Diese geringfügige Veränderung eines einzigen Genprodukts als Folge eines einzigen Bausteinpaaraustauschs innerhalb der fünf bis sieben Milliarden Nukleotidpaare der gesamten genetischen Information des Menschen hat in der Regel schon im Kindesalter tödliche Folgen!
Sind genetisch bedingte Erkrankungen vererbbar?
Nun tritt die Sichelzellanämie in unseren Breiten glücklicherweise praktisch nicht in Erscheinung. Wir kennen aber mehr als zweitausend andere genetisch bedingte Erkrankungen, die mit unterschiedlicher Häufigkeit auftreten und die Betroffenen unterschiedlich stark in der körperlichen und/oder geistigen Entwicklung beeinträchtigen. Etwa 4 bis 5% aller Lebendgeborenen weisen ein derartiges Leiden auf, das allerdings nur in den wenigsten Fällen auf eine Neumutation und meist auf die Kombination und Ausprägung elterlicher Gene zurückzuführen ist (s. Abb.).
Was kann man tun bei Erbkrankheiten?
Uns stehen heute bereits wirksame Waffen im Kampf gegen genetisch bedingte Erkrankungen zur Verfügung bestimmte Erbleiden sind einer sogenannten „symptomatischen Therapie“ zugänglich. Dabei wird dem Auftreten der Krankheitssymptome vorgebeugt, ohne daß das Übel mit der Wurzel beseitigt, d.h. ohne daß der genetische Druckfehler selbst korrigiert werden kann. Derartige Verfahren sind natürlich um so wirksamer, je früher man mit der Behandlung beginnen kann.
Deshalb werden in der DDR seit Ende der 60er Jahre alle Neugeborenen auf das Vorliegen der Phenylketonurie und anderer angeborener Stoffwechselstörungen untersucht. Bei der verhältnismäßig häufigen Phenylketonurie (PKU) – etwa 1 Fall auf 10.000 Neugeborene – führt ein Verlust der Aktivität eines bestimmten Enzyms (Phenylalanin-Hydroxylase) dazu, daß die mit der Nahrung zugeführte und auch durch körpereigenen Eiweißabbau frei werdende Aminosäure Phenylalanin nicht normal umgebaut werden kann, sondern sich anreichert und ungewöhnliche Abbauprodukte liefert; das bewirkt unter anderem Schädigungen des sich entwickelnden Gehirns und somit hochgradigen Schwachsinn. Wird die PKU dagegen schon in den ersten Lebenstagen diagnostiziert, kann durch Verabfolgung einer phenylalanin-armen Spezialdiät gewährleistet werden, daß sich die Patienten geistig und körperlich völlig normal entwickeln.
Die medizinische Forschung zum Wohle des Menschen
Allerdings sind der symptomatischen Therapie bisher nur wenige Erbleiden zugänglich. Deshalb spielen bei der Bekämpfung genetisch bedingter Krankheiten vorbeugende Maßnahmen eine dominierende Rolle. Dazu gehört unter anderem die Erkennung solcher Substanzen und ihre Eliminierung aus unserer Umwelt, die möglicherweise das menschliche Erbgut schädigen können. Zu diesem Zweck wurde 1975 im Akademie-Zentralinstitut für Genetik und Kulturpflanzenforschung in Gattersleben ein Mutagenitätstestlabor eingerichtet. in dem neu entwickelte Arzneimittel, Produkte der agrochemischen Industrie sowie andere unmittelbar mit dem menschlichen Organismus in Kontakt kommende Substanzen auf ihre mögliche mutagene Aktivität hin getestet werden.
Darüber hinaus können Eltern, in deren Familien bereits Kinder mit genetisch bedingten Leiden geboren wurden, durch sachkundige genetische Beratung über das Risiko der Geburt weiterer geschädigter Kinder informiert werden:
Die seltene Krankheit Phenylketonurie (PKU)
Ein PKU-Patient würde mit einem PKU-Partner nur Kinder mit dem gleichen Leiden zeugen können, mit einem gesunden Partner dagegen Kinder, die klinisch gesund sind, von dem einen Elter aber jeweils eine Anlage für PKU ererbt haben: Sie sind „mischerbig“ (heterozygot). Aus der Verbindung eines PKUPatienten mit einem heterozygoten Partner sind 50% kranke und 50% heterozygote Nachkommen zu erwarten, aus der Verbindung von zwei Heterozygoten (in der DDR etwa 350.000 !) 25 % merkmals- und anlagenfreie Nachkommen, 25% kranke und 50% heterozygote.
Gesundheitsfürsorge in der Kinderklinik
Die Aussagekraft derartiger Beratungen wird dadurch noch erhöht, daß man in zahlreichen Fällen bereits sogenannte Heterozygotentests durchführen und somit feststellen kann, ob eine klinisch gesunde Person ein geschädigtes Gen trägt. Darüber hinaus gibt es heute die Möglichkeit, aus gegebener Veranlassung schon vor der Geburt im dritten Schwangerschaftsmonat zu überprüfen, ob das noch ungeborene Kind später an einer genetisch bedingten Krankheit leiden wird, so daß notfalls ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen werden kann. Mit beiden Methoden können bis jetzt jedoch nur etwa einhundert der mehr als zweitausend bekannten Erbleiden erfaßt werden.
Molekulargenetische Forschungsergebnisse in der Gentherapie
Neuerdings gibt es nun interessante molekulargenetische Entwicklungen, die zusätzlich zu den angedeuteten Maßnahmen auch die Einführung einer direkten „Gentherapie“, einer kausalen Behandlung des jeweiligen genetischen Defektes selbst als denkbar erscheinen lassen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß man in den vergangenen Jahren zahlreiche Enzyme entdecken und charakterisieren konnte, sogenannte „Restriktions-Endonukleasen“, die DNS-Moleküle an jeweils ganz bestimmten Stellen zerschneiden. Dabei werden die doppelsträngigen DNS-Moleküle zumindest von einigen dieser Nukleasen nicht glatt durchgeschnitten, sondern durch zwei, jeweils einige Nukleotide voneinander entfernte Einzelstrangbrüche zerlegt. Dadurch entstehen DNS-Bruchstücke mit überlappenden (kohäsiven) Enden, d.h. mit komplementären Basensequenzen (s. Abb.).
Beispielsweise erkennt das bekannteste dieser Enzyme, die Restriktionsendonuklease EcoRl, nur die Bausteinsequenz
…XXXGAATTCXXX
…YYYCTTAAGYYY
und es spaltet an den eingezeichneten Stellen jeweils zwischen G und A. Deshalb werden unter EcoRI-Wirkung immer DNS-Fragmente gebildet, die mit überlappenden Einzelstrangabschnitten aus je vier komplementären Nukleotiden enden, links mit
AATTCXXX…
……….GYYY…
und rechts mit
… XXXG
… YYYCTTAA
Gentherapie – Forschungen zur Krebsbekämpfung
Auf diese Weise wird das ringförmige DNS-Molekül des Tumorvirus SV40, das unter seinen etwa 6.000 Nukleotidpaaren nur ein einziges Mal die EcoRI-Erkennungssequenz enthält, in ein lineares Molekül zerschnitten (s.Abb.). Und da dieses Molekül die oben beschriebenen basenkomplementären kohäsiven Enden enthält, kann es anschließend auch wieder unter Hinzuziehung eines zweiten Enzyms, der Polynukleotidligase, in einen geschlossenen Ring überführt werden. Natürlich schneidet unser Enzym nicht nur SV40-DNS; es spaltet vielmehr DNS-Moleküle beliebiger Herkunft, sofern sie nur die typischen Erkennungssequenzen enthalten, und liefert so viel Spaltprodukte, wie Erkennungssequenzen vorhanden sind. So weist die DNS des Bakteriophagen λ (etwa 33.000 Nukleotidpaare) fünf EcoRI-Orte auf und wird entsprechend in sechs Fragmente zerlegt, die DNS-Moleküle aus Mitochondrien der Maus in drei Bruchstücke. Und alle diese Fragmente haben die gleichen kohäsiven -TTAA- und AATT-Enden wie die aufgeschnittenen SV40-Ringe. Das bedeutet, daß sie über diese kohäsiven Enden in beliebiger Anordnung miteinander gekoppelt werden können. Tatsächlich konnte man bereits erfolgreich Bakterien- oder Bakteriophagen-DNS an SV40-DNS koppeln bzw. DNS-Bruchstücke von Drosophila (Fruchtfliege), Krallenfröschen, Enten, Rindern oder Menschen an Bakterien-DNS.
Ursachen für Antibiotika-Resistenzen
Das ist vor allem dann interessant, wenn bestimmte DNS-Fragmente an ein Replikon gekoppelt werden können. Replikons sind DNS-Moleküle, die in geeigneten Wirtszellen zu einer autonomen Vermehrung befähigt sind. Es sind entweder DNS-Viren (wie der Bakteriophage λ oder das tierische Tumorvirus SV40), Bakterien-“chromosomen“ oder auch zusätzliche Erbträger der Bakterien, sogenannte Plasmide. Unter letzteren haben die Resistenzfaktoren in den vergangenen Jahren traurige Berühmtheit erlangt, weil sie für die Ausbildung meist mehrfacher Antibiotika-Resistenzen verantwortlich sind und die Fähigkeit für die Resistenzentwicklung von Bakterienzelle zu Bakterienzelle übertragen können – eben weil sie als selbständige Replikons zur autonomen Vermehrung befähigt sind.
Eine neue Wissenschaft – die Gentechnologie
Wenn man nun entsprechend dem jeweiligen Forschungsprogramm ausgewählte Spender-DNS mit der EcoRI-Nuklease an vorbehandelte Replikons koppelt, kann man erreichen, daß die Spender-DNS in geeigneten Wirtszellen gemeinsam mit der DNS des Replikons vermehrt wird. Das bewirkt eine zusätzliche Vervielfachung, so daß sich die verwendeten Wirtszellen, Bakterien usw. gleichzeitig selbst vermehren. Auf diese Weise kann man einzelne DNS-Molekül(fragment)e, die wegen aufwendiger Isolierungs- oder Syntheseprozeduren zunächst vielleicht nur in wenigen Kopien zur Verfügung stehen, beliebig anreichern („klonieren“): Das Geningenieurwesen ist geboren, die Molekulargenetik verfügt über ihre eigene Technologie (s. Abb. ).
Schema der Gentherapie:
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Erkenntnisgewinn: Damit sind erstens Grundlagenforschungsexperimente ganz neuer Qualität möglich, mit denen speziell Struktur und Funktion des genetischen Materials höherer Organismen untersucht werden können zum weiteren Erkenntnisgewinn und als Voraussetzung für praxisorientierte Forschungsarbeiten.
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Therapeutischer Nutzen: Damit werden zweitens Wege zur direkten Gentherapie eröffnet. So prüfen einige Gruppen in der UdSSR und in den USA wie auch wir im Zentralinstitut. für Molekularbiologie der AdW der DDR Möglichkeiten, um mittels bestimmter Viren als Vektoren ausgewählte Gene in menschliche oder tierische Empfängerzellen einzuführen und damit bestimmte Gendefekte zu kompensieren. Dabei werden solche Virus-DNSMoleküle hinsichtlich ihrer Eignung als Vektoren überprüft, die in das genetische Material derWirtszelle eingebaut werden, so daß erwartet werden kann, daß zugleich auch das „Huckepack“ getragene Spender-DNS-Fragment in das genetische Material der Empfängerzelle gelangt.
Mögliche Hilfe bei Erbkrankheiten
Wir hoffen zuversichtlich, daß dies zumindest im Modellexperiment möglich sein wird und daß sich daraus vielleicht in ein, zwei Jahrzehnten praktikable Gentherapieverfahren entwickeln lassen (die dann freilich auch nur bei einigen wenigen genetisch bedingten Leiden eingesetzt werden können und die deshalb unsere Strategie im Kampf gegen die Erbkrankheiten nicht revolutionieren werden).
„Menschenzüchtung“ – ein unzulässiger Eingriff ins Erbmaterial !
Allerdings sind dieser Technologie nur genetische Informationsträger zugänglich, die lediglich ein oder sehr wenige Gene umfassen. Daher ist die beschriebene Methode nicht geeignet, Gengruppen zu übertragen und gerichtet in solche Systeme einzugreifen, die durch mehrere bis viele Gene kontrolliert werden und die etwa für eine „Menschenzüchtung“ (in noch so wohlgemeintem Sinne) von Interesse sein könnten – ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, wieviel Gene etwa die erbliche Komponente der Intelligenz, der Mathematik-Begabung o.ä. ausmachen, nicht zu reden davon, daß sich derartige Eigenschaften in außerordentlich starker Abhängigkeit von den Umweltbedingungen ausbilden: Trotz der Entwicklung des Geningenieurwesens steht – glücklicherweise eine Menschenzüchtung noch nicht ins Haus!
Kontrollierte Forschung
Deshalb sind auch die Anwendungsmöglichkeiten der genetischen Technologie in der Tierzüchtung beschränkt, weil auch hier meist durch viele Gene sowie durch Umweltfaktoren kontrollierte Leistungen (Schlachtgewicht, Fett-Fleisch-Verhältnis, Eigewicht, Milch- und Eiproduktion usw.) im Vordergrund des Interesses stehen. Aber immerhin wäre es vorstellbar, daß z.B. Pelztierzüchter durch derartige Methoden eines Tages ganz neue Möglichkeiten zur Züchtung exquisiter Farbvarianten erhalten.
Die Perspektiven der Pflanzenforschung
In Kreisen der Pflanzenzüchter werden dagegen sensationelle Perspektiven diskutiert, obwohl auch hier noch völlig ungewiß ist, ob sie sich jemals „überführungsreif“ realisieren lassen: Bekanntlich haben nur einige wenige entweder frei im Boden lebende oder in den Wurzelknöllchen der Schmetterlingsblütler vorkommende Mikroorganismenarten die Fähigkeit, Luftstickstoff zu binden. Wenn es nun gelänge, die dafür verantwortlichen Gene aus den betreffenden Mikroben zu isolieren, an geeignete Vektoren zu koppeln (die in pflanzlichen Systemen allerdings sehr dünn gesät sind, da hier kaum DNS-Viren vorkommen) und in das Erbmaterial unserer Kulturpflanzen so einzuführen, daß sie dort auch ausgeprägt werden – wir würden Augenzeugen einer „grünen Revolution“, denn auf Stickstoffdüngung könnte dann wohl weitgehend verzichtet werden. (Allerdings muß man hier wie bei allen ähnlichen Projekten berücksichtigen, daß solche Eingriffe in einen Organismus u.U. auch nachteilige Nebenwirkungen haben könnten!)
Industrielle Mikrobiologie
Schließlich erhoffen sich die Vertreter der industriellen Mikrobiologie und alle an Biomasse- und Biomolekülproduktion Interessierten, daß man künftig bestimmte Gene in Bakterien oder Pilze einführen und dadurch veranlassen kann, bestimmte Genprodukte zu synthetisieren und ihre Gewinnung somit ökonomischer zu gestalten. So sind in mehreren Laboratorien intensive Arbeiten im Gange, das Gen für das Insulin – dessen Bedarf u.U. künftig nicht mehr durch herkömmliche Produktion gedeckt werden kann – in Bakterien einzuführen, um damit eine mikrobiologische Insulinproduktion zu ermöglichen.
Gefahren und Mißbrauch der Forschung im Kapitalismus
Natürlich bergen auch die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet von Molekular- und Zellgenetik zahlreiche Gefahren. Zum einen lassen sie sich – wie jede andere wissenschaftliche Entwicklung – nicht nur zum Wohle des Menschen auswerten, sondern auch zu dessen Schaden – in Abhängigkeit vom Verantwortungsgefühl und von der weltanschaulichen Position des Wissenschaftlers und vom Gesellschaftssystem, in dem er arbeitet. Zum anderen beinhaltet in unserem konkreten Fall der Forschungsprozeß selbst zahlreiche Risiken: Beispielsweise könnten durch geningenieurtechnische „Betriebsunfälle“ Krebsgene unkontrolliert durch harmlose Darmbakterien weltweit verbreitet werden, oder unter Krankheitserregern könnten neuartige Typen von Arzneimittel-Unempfindlichkeiten auftreten.
Strenge Kontrollen und Überwachung der Wissenschaft
Deshalb wurden parallel zur Entwicklung der genetischen Technologie allenthalben Bestrebungen eingeleitet, die folgendes zum Ziel haben: Erstens sollen alle entsprechenden Experimente nur durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind. Zweitens sollen die Versuche unter strengen Quarantänebedingungen erfolgen, sofern nur der leiseste Verdacht auf ein Risiko vorliegt. Drittens sollen nur solche Zellen, Bakterien und Viren zu derartigen riskanten Experimenten herangezogen werden, die, falls sie doch einmal zufällig die Laborzone verlassen, „in freier Wildbahn“ keine Überlebenschance haben. Auch in der DDR werden Geningenieurexperimente nur unter diesen Bedingungen durchgeführt.
Quelle: URANIA-Universum, VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1977, Bd.23, S.486-495
Siehe auch:
Die Lügen der „Impfluencer“
Eine kleine Anmerkung: Man unterscheidet zwischen vererblichen und somatischen Gen-Veränderungen. Unser Erbgut verändert sich ständig, bspw. durch Umwelteinflüsse und letztendlich dadurch, daß wir älterwerden. Diese Veränderungen die also nur das Individuum betreffen, nennt man somatisch.
Die Urania, herausgegeben vom gleichnamigen Verlag war eine Fachzeitschrift die Fachwissen in verständlicher Form vermittelte und durfte praktisch in keinem DDR-Haushalt fehlen.
Schönes Wochenende.
Ja, richtig. Und das URANIA-Universum gehörte zu der populärwissenschaftlichen Literatur – heute noch lesenswert! Übrigens viele Ärzte schieben ihre Unkenntnis der Ursachen darauf, daß bestimmte Krankheiten ja „erblich“ veranlagt seien. Damit ist der Fall erledigt; alles andere würde einer tiefergehenden Untersuchung bedürfen. Wer kennt heute z.B. noch die Perkussionsmethode (s. Prof. Dr.med. Werner Siebert „Perkussionskurs“-1965) oder versteht etwas von der Naturheilkunde (s. „Saaledoktor“ Dr.med. Franz Prause) usw.? …wenn nur 8 Minuten proPatient bezahlt werden, dagegen aber 80 Euro pro Gen-„Impfung“ veranschlagt werden. Da kann ein korrupter „Arzt“ gut und gerne 20.000 Euro im Monat kassieren…
Übrigens viele Ärzte schieben ihre Unkenntnis der Ursachen darauf, daß bestimmte Krankheiten ja „erblich“ veranlagt seien.
Und umgekehrt! Das habe ich bei meiner Rehab. massiv erlebt, daß den Patienten laufend vorgeworfen wurde sie würden sich falsch ernähren weil die Blutfettwerte nicht stimmen. Dabei sind HDL und LDL erstens gar keine Fette sondern Proteine (das letzte L steht nicht für Lipid sondern für Lipoprotein) und zweitens haben LDL und HDL im Blut gar nichts mit der Nahrungsaufnahme zu tun, denn diese beiden Stoffe erzeugt der Körper selbst weil sie für den Aufbau von Zellen, insbesondere Muskeln und Knochen gebraucht werden (Kleine Enzyklopädie Gesundheit, Leipzig 1985).
Die Konzentration von LDL und HDL im Blut ist also genetisch veranlagt und somit erblich bedingt. Tatsächlich gibt es auch bezüglich Cholesterin-Stoffwechsel genetische Defekte
die vererbt werden und zum frühen Tod des Individuums führen können (Quelle s.o.).
MFG
PS: Ein Arztbesuch ist immer auch eine Frage des Vertrauens!
Absolut! Man hofft ja immer, daß auch Ärzte sich selber weiterbilden und nicht nur Vorträge mit anschließendem Festessen bei Pharmareferenten buchen (müssen)…
Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt.
Pingback: Aus der Wissenschaft der DDR: Mikrobiologie und Genetik. — Sascha’s Welt | Schramme Journal
Auch schön wie die Grafik zeigt welche Rolle die mRNA (Booten RNA) spielt. Ein Basentriplett mRNA (auch Kodon genannt) kodiert genau eine Aminosäure und nicht etwa den Bauplan eines Proteins. Mit der Reihenfolge der Aminosäuren hat mRNA gar nichts zu tun!
>>Niemals gab es bei uns irgendwelche medizinische Experimente, die durchgeführt wurden, um damit Geld zu verdienen. << ….das ist so nicht richtig , anfang der 70er hatte boehringer-ingelheim im bezirk karl-marx stadt impfversuche mit mmr-präparaten gemacht gegen valuta ! …die versuche gingen in die hose ….die geschädigten leben heute noch !
Solche Lügen über angebliche Medikamententests westlicher Pharmapräparate in der DDR gegen Valuta werden jetzt in den Medien immer wieder verbreitet, um die DDR anzuschwärzen. Statt Beweise gibt es nur Behauptungen und angebliche „Zeitzeugen“… Das ist das gleiche Prinzip wie mit den Lügen der Geipel über das angebliche „Zwangsdoping“ in der DDR. Einfach nur ekelhaft!