Aus der Wissenschaft der DDR: Mikrobiologie und Genetik.

GendefekteGleich vorweg gesagt: Die Forschung  diente in der DDR immer dem Wohle des Menschen. Jegliche medizinische Behandlung war kostenlos, und die Ärzte hatten ein festes Gehalt, das dem ihrer Qualifikation und ihrer Tätigkeit entsprach.  Niemals gab es bei uns irgendwelche medizinische Experimente, die durchgeführt wurden, um damit Geld zu verdienen. Auch die pharmazeutische Industrie gehörte zum Volkseigentum, d.h. sie war nicht gezwungen (wie im Kapitalismus) Profit zu machen. Die Grundlagen-forschung war auch in der DDR sehr hochentwickelt, doch unsere Ärzte und Krankenpfleger, das medizinische Personal und die Krankenschwestern taten alles in ihrer Macht stehende, um die ihnen anvertrauten Patienten wieder gesund zu machen. Alles das bezahlte unser Staat. Der folgende wissenschaftliche Beitrag aus dem Jahre 1977 wurde entnommen aus dem URANIA-Universum, Bd.23. Professor Geißler war in der DDR ein hochangesehener Arzt und Wissenschaftler. Von ihm stammt übrigens auch das im Jahre 1986 in Leipzig erschienene BI-Lexikon Virologie.

Prof. Dr.sc. Erhard Geißler

Sind Gendefekte reparierbar?

Wie dem „Universum“-Leser bekannt sein dürfte, konnte die Molekularbiologie in den vergange­nen zwei, drei Jahrzehnten wesentliche Er­kenntnisse über die fundamentalsten Lebens­prozesse gewinnen. So wissen wir heute ein­deutig, daß die Erbinformationen, die Entwick­lung, Struktur und Funktion aller Lebewesen unseres Planeten kontrollieren, in Form von Baustein-(Nukleotid-)sequenzen der Desoxy­ribonukleinsäure- (DNS-)Moleküle verschlüs­selt sind (und ausnahmsweise, bei zahlreichen Viren, in Ribonukleinsäure-/RNS-/Molekülen).

Der Informationsgehalt der DNS

Dabei weist die DNS eine bemerkenswerte Struktur auf: Sie besteht aus Doppelketten, in denen sich bestimmte, durch Wasserstoffbrüc­ken verbundene Nukleotide jeweils paarweise gegenüberstehen: Adenin (A) gegenüber Thy­min (T) und Guanin (G) gegenüber Cytosin (C). Dies ermöglicht es, den Informationsgehalt der DNS originalgetreu zu verdoppeln. Deshalb erfolgt auch die Synthese von RNS-Molekülen nach diesem Basenpaarungsprinzip, nur daß hier der DNS-Baustein Thymin durch die in der Regel lediglich in der RNS vorkommende Base Uracil (U) ersetzt ist. (Auf dem Prinzip der komplementären Basenpaarung beruhen aber auch die im folgenden skizzierten Hauptme­thoden des Geningenieurwesens.)

Transkription der Erbinformation

Weiterhin wissen wir heute, daß die in der DNS verschlüsselten genetischen Informationen in einem zweistufigen Prozeß über ein lntermediär­produkt, die Boten-RNS, größtenteils in Poly­peptidketten übersetzt werden (s. Abb.).

gen01

Die Bausteine der Aminosäure

Dabei kontrolliert jeweils eine Gruppe von durchschnittlich eintausend Nukleotid(paar)en als spezifisches „Gen“ die Bildung einer be­stimmten Polypeptidkette als spezifisches Gen­produkt, wobei jeweils drei Nukleotide für den Einbau eines bestimmten Eiweißbausteins, einer Aminosäure, verantwortlich sind (s. Tab.).

gen00

Die auf diese Weise gebildeten Genprodukte dienen dann allein oder in Kombination mit anderen Polypeptidketten als biologisch aktive Eiweißkörper, als Biokatalysatoren, als Sauer­stoffüberträger, als kontraktile Elemente, als Strukturkomponenten usw.

Was sind Mutationen?

Darüber hinaus ist uns bekannt, daß und wie gelegentlich „Druckfehler“ in der genetischen Information auftreten, die als Mutationen be­zeichnet werden, weil sie über die Bildung mehr oder weniger veränderter Genprodukte zur Ausbildung unterschiedlich stark veränderter Erbmerkmale führen. Wie echte Druckfehler können sie unterschiedlichste Konsequenzen haben. Manche merkt man überhaupt nicht. Daneben gibt es zahlreiche (sog. „erlaubte Fehlsinn“-) Mutationen, die zum Einbau einer anderen Aminosäure führen, ohne daß die biologische Aktivität des betreffenden Gen­produkts völlig verlorengeht.

Sind Mutationen gefährlich?

So sind mehr als zweihundert Varianten des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin bekannt, bei denen einzelne Ami­nosäure-Austausche keinen nennenswerten, d.h. klinisch bedeutsamen Funktionsverlust des Hämoglobins bedingen. Andererseits führt z.B. bei der Sichelzellanämie die Mutation GAA zu GAT zum Austausch eines bestimmten Glutaminsäurerestes gegen die Aminosäure Valin. Diese geringfügige Veränderung eines einzigen Genprodukts als Folge eines einzigen Baustein­paaraustauschs innerhalb der fünf bis sieben Milliarden Nukleotidpaare der gesamten gene­tischen Information des Menschen hat in der Regel schon im Kindesalter tödliche Folgen!

Sind genetisch bedingte Erkrankungen vererbbar?

Nun tritt die Sichelzellanämie in unseren Breiten glücklicherweise praktisch nicht in Erschei­nung. Wir kennen aber mehr als zweitausend andere genetisch bedingte Erkrankungen, die mit unterschiedlicher Häufigkeit auftreten und die Betroffenen unterschiedlich stark in der körperlichen und/oder geistigen Entwicklung beeinträchtigen. Etwa 4 bis 5% aller Lebendgeborenen weisen ein derartiges Leiden auf, das allerdings nur in den wenigsten Fällen auf eine Neumutation und meist auf die Kombina­tion und Ausprägung elterlicher Gene zurück­zuführen ist (s. Abb.).

Gen02

Was kann man tun bei Erbkrankheiten?

Uns stehen heute bereits wirksame Waffen im Kampf gegen genetisch bedingte Erkrankungen zur Verfügung bestimmte Erbleiden sind einer sogenannten „symptomatischen Therapie“ zu­gänglich. Dabei wird dem Auftreten der Krank­heitssymptome vorgebeugt, ohne daß das Übel mit der Wurzel beseitigt, d.h. ohne daß der genetische Druckfehler selbst korrigiert werden kann. Derartige Verfahren sind natürlich um so wirksamer, je früher man mit der Behandlung beginnen kann.

Deshalb werden in der DDR seit Ende der 60er Jahre alle Neugeborenen auf das Vorliegen der Phenylketonurie und anderer angeborener Stoffwechselstörungen untersucht. Bei der verhältnismäßig häufigen Phenylketo­nurie (PKU) – etwa 1 Fall auf 10.000 Neu­geborene – führt ein Verlust der Aktivität eines bestimmten Enzyms (Phenylalanin-Hydroxy­lase) dazu, daß die mit der Nahrung zugeführte und auch durch körpereigenen Eiweißabbau frei werdende Aminosäure Phenylalanin nicht normal umgebaut werden kann, sondern sich anreichert und ungewöhnliche Abbauprodukte liefert; das bewirkt unter anderem Schädigun­gen des sich entwickelnden Gehirns und somit hochgradigen Schwachsinn. Wird die PKU da­gegen schon in den ersten Lebenstagen diagnostiziert, kann durch Verabfolgung einer phenylalanin-armen Spezialdiät gewährleistet werden, daß sich die Patienten geistig und körperlich völlig normal entwickeln.

Die medizinische Forschung zum Wohle des Menschen

Allerdings sind der symptomatischen Therapie bisher nur wenige Erbleiden zugänglich. Des­halb spielen bei der Bekämpfung genetisch be­dingter Krankheiten vorbeugende Maßnahmen eine dominierende Rolle. Dazu gehört unter anderem die Erkennung solcher Substanzen und ihre Eliminierung aus unserer Umwelt, die möglicherweise das menschliche Erbgut schä­digen können. Zu diesem Zweck wurde 1975 im Akademie-Zentralinstitut für Genetik und Kul­turpflanzenforschung in Gattersleben ein Mu­tagenitätstestlabor eingerichtet. in dem neu ent­wickelte Arzneimittel, Produkte der agrochemi­schen Industrie sowie andere unmittelbar mit dem menschlichen Organismus in Kontakt kommende Substanzen auf ihre mögliche muta­gene Aktivität hin getestet werden.

Darüber hinaus können Eltern, in deren Fami­lien bereits Kinder mit genetisch bedingten Leiden geboren wurden, durch sachkundige genetische Beratung über das Risiko der Ge­burt weiterer geschädigter Kinder informiert werden:

Die seltene Krankheit Phenylketo­nurie (PKU)

Ein PKU-Patient würde mit einem PKU-Partner nur Kinder mit dem gleichen Lei­den zeugen können, mit einem gesunden Part­ner dagegen Kinder, die klinisch gesund sind, von dem einen Elter aber jeweils eine Anlage für PKU ererbt haben: Sie sind „mischerbig“ (heterozygot). Aus der Verbindung eines PKU­Patienten mit einem heterozygoten Partner sind 50% kranke und 50% heterozygote Nach­kommen zu erwarten, aus der Verbindung von zwei Heterozygoten (in der DDR etwa 350.000 !) 25 % merkmals- und anlagenfreie Nachkom­men, 25% kranke und 50% heterozygote.

Gesundheitsfürsorge in der Kinderklinik

Die Aussagekraft derartiger Beratungen wird dadurch noch erhöht, daß man in zahlreichen Fällen bereits sogenannte Heterozygotentests durchführen und somit feststellen kann, ob eine klinisch gesunde Person ein geschädigtes Gen trägt. Darüber hinaus gibt es heute die Möglichkeit, aus gegebener Veranlassung schon vor der Geburt im dritten Schwangerschafts­monat zu überprüfen, ob das noch ungeborene Kind später an einer genetisch bedingten Krankheit leiden wird, so daß notfalls ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen werden kann. Mit beiden Methoden können bis jetzt jedoch nur etwa einhundert der mehr als zweitausend bekannten Erbleiden erfaßt wer­den.

Molekulargenetische Forschungsergebnisse in der Gentherapie

Neuerdings gibt es nun interessante molekular­genetische Entwicklungen, die zusätzlich zu den angedeuteten Maßnahmen auch die Ein­führung einer direkten „Gentherapie“, einer kausalen Behandlung des jeweiligen geneti­schen Defektes selbst als denkbar erscheinen lassen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß man in den vergangenen Jahren zahlreiche Enzyme entdecken und charakterisieren konnte, sogenannte „Restriktions-Endonukleasen“, die DNS-Moleküle an jeweils ganz bestimmten Stellen zerschneiden. Dabei werden die doppel­strängigen DNS-Moleküle zumindest von eini­gen dieser Nukleasen nicht glatt durchgeschnit­ten, sondern durch zwei, jeweils einige Nu­kleotide voneinander entfernte Einzelstrang­brüche zerlegt. Dadurch entstehen DNS-Bruch­stücke mit überlappenden (kohäsiven) Enden, d.h. mit komplementären Basensequenzen (s. Abb.).

gen03

Beispielsweise erkennt das be­kannteste dieser Enzyme, die Restriktionsendo­nuklease EcoRl, nur die Bausteinsequenz
…XXXGAATTCXXX
…YYYCTTAAGYYY
und es spaltet an den eingezeichneten Stellen jeweils zwischen G und A. Deshalb werden unter EcoRI-Wirkung immer DNS-Fragmente gebildet, die mit überlappenden Einzelstrang­abschnitten aus je vier komplementären Nu­kleotiden enden, links mit
AATTCXXX…
……….GYYY…
und rechts mit
… XXXG
… YYYCTTAA

Gentherapie – Forschungen zur Krebsbekämpfung

gen04Auf diese Weise wird das ringförmige DNS-Molekül des Tumorvirus SV40, das unter seinen etwa 6.000 Nukleotidpaaren nur ein einziges Mal die EcoRI-Erkennungssequenz enthält, in ein lineares Molekül zerschnitten (s.Abb.). Und da dieses Molekül die oben beschriebenen basenkomplementären kohäsiven Enden enthält, kann es anschließend auch wieder unter Hinzuziehung eines zweiten Enzyms, der Polynukleotidligase, in einen geschlossenen Ring überführt werden. Natürlich schneidet unser Enzym nicht nur SV40-DNS; es spaltet vielmehr DNS-Moleküle beliebiger Herkunft, sofern sie nur die typischen Erkennungssequenzen enthalten, und liefert so viel Spaltprodukte, wie Erkennungssequenzen vorhanden sind. So weist die DNS des Bak­teriophagen λ (etwa 33.000 Nukleotidpaare) fünf EcoRI-Orte auf und wird entsprechend in sechs Fragmente zerlegt, die DNS-Moleküle aus Mitochondrien der Maus in drei Bruch­stücke. Und alle diese Fragmente haben die gleichen kohäsiven -TTAA- und AATT-Enden wie die aufgeschnittenen SV40-Ringe. Das be­deutet, daß sie über diese kohäsiven Enden in beliebiger Anordnung miteinander gekoppelt werden können. Tatsächlich konnte man bereits erfolgreich Bakterien- oder Bakteriophagen-­DNS an SV40-DNS koppeln bzw. DNS-Bruch­stücke von Drosophila (Fruchtfliege), Krallen­fröschen, Enten, Rindern oder Menschen an Bakterien-DNS.

Ursachen für Antibiotika-Resistenzen

Das ist vor allem dann interessant, wenn be­stimmte DNS-Fragmente an ein Replikon ge­koppelt werden können. Replikons sind DNS-­Moleküle, die in geeigneten Wirtszellen zu einer autonomen Vermehrung befähigt sind. Es sind entweder DNS-Viren (wie der Bak­teriophage λ oder das tierische Tumorvirus SV40), Bakterien-“chromosomen“ oder auch zusätzliche Erbträger der Bakterien, sogenannte Plasmide. Unter letzteren haben die Resistenz­faktoren in den vergangenen Jahren traurige Berühmtheit erlangt, weil sie für die Ausbildung meist mehrfacher Antibiotika-Resistenzen ver­antwortlich sind und die Fähigkeit für die Resistenzentwicklung von Bakterienzelle zu Bakterienzelle übertragen können – eben weil sie als selbständige Replikons zur autonomen Vermehrung befähigt sind.

Eine neue Wissenschaft – die Gentechnologie

Wenn man nun entsprechend dem jeweiligen Forschungsprogramm ausgewählte Spender-DNS mit der EcoRI-Nuklease an vorbehandelte Replikons koppelt, kann man erreichen, daß die Spender-DNS in geeigneten Wirtszellen gemeinsam mit der DNS des Replikons vermehrt wird. Das bewirkt eine zusätzliche Verviel­fachung, so daß sich die verwendeten Wirts­zellen, Bakterien usw. gleichzeitig selbst ver­mehren. Auf diese Weise kann man einzelne DNS-Molekül(fragment)e, die wegen aufwen­diger Isolierungs- oder Syntheseprozeduren zu­nächst vielleicht nur in wenigen Kopien zur Verfügung stehen, beliebig anreichern („klo­nieren“): Das Geningenieurwesen ist geboren, die Molekulargenetik verfügt über ihre eigene Technologie (s. Abb. ).

gen05

Schema der Gentherapie:

gen06

  • Erkenntnisgewinn: Damit sind erstens Grundlagenforschungsex­perimente ganz neuer Qualität möglich, mit denen speziell Struktur und Funktion des gene­tischen Materials höherer Organismen untersucht werden können zum weiteren Erkennt­nisgewinn und als Voraussetzung für praxis­orientierte Forschungsarbeiten.
  • Therapeutischer Nutzen: Damit werden zweitens Wege zur direkten Gen­therapie eröffnet. So prüfen einige Gruppen in der UdSSR und in den USA wie auch wir im Zentralinstitut. für Molekularbiologie der AdW der DDR Möglichkeiten, um mittels bestimmter Viren als Vektoren ausgewählte Gene in mensch­liche oder tierische Empfängerzellen einzuführen und damit bestimmte Gendefekte zu kom­pensieren. Dabei werden solche Virus-DNS­Moleküle hinsichtlich ihrer Eignung als Vek­toren überprüft, die in das genetische Material derWirtszelle eingebaut werden, so daß erwartet werden kann, daß zugleich auch das „Hucke­pack“ getragene Spender-DNS-Fragment in das genetische Material der Empfängerzelle ge­langt.

Mögliche Hilfe bei Erbkrankheiten

Wir hoffen zuversichtlich, daß dies zu­mindest im Modellexperiment möglich sein wird und daß sich daraus vielleicht in ein, zwei Jahrzehnten praktikable Gentherapieverfahren entwickeln lassen (die dann freilich auch nur bei einigen wenigen genetisch bedingten Lei­den eingesetzt werden können und die deshalb unsere Strategie im Kampf gegen die Erbkrank­heiten nicht revolutionieren werden).

„Menschenzüchtung“ – ein unzulässiger Eingriff ins Erbmaterial !

Allerdings sind dieser Technologie nur gene­tische Informationsträger zugänglich, die ledig­lich ein oder sehr wenige Gene umfassen. Daher ist die beschriebene Methode nicht ge­eignet, Gengruppen zu übertragen und gerichtet in solche Systeme einzugreifen, die durch mehrere bis viele Gene kontrolliert werden und die etwa für eine „Menschenzüchtung“ (in noch so wohlgemeintem Sinne) von Interesse sein könnten – ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, wieviel Gene etwa die erbliche Komponente der Intelligenz, der Mathematik­-Begabung o.ä. ausmachen, nicht zu reden davon, daß sich derartige Eigenschaften in außer­ordentlich starker Abhängigkeit von den Um­weltbedingungen ausbilden: Trotz der Ent­wicklung des Geningenieurwesens steht – glücklicherweise eine Menschenzüchtung noch nicht ins Haus!

Kontrollierte Forschung

Deshalb sind auch die Anwendungsmöglich­keiten der genetischen Technologie in der Tier­züchtung beschränkt, weil auch hier meist durch viele Gene sowie durch Umweltfaktoren kon­trollierte Leistungen (Schlachtgewicht, Fett­-Fleisch-Verhältnis, Eigewicht, Milch- und Ei­produktion usw.) im Vordergrund des Interesses stehen. Aber immerhin wäre es vorstellbar, daß z.B. Pelztierzüchter durch derartige Methoden eines Tages ganz neue Möglichkeiten zur Züchtung exquisiter Farbvarianten erhalten.

Die Perspektiven der Pflanzenforschung

In Kreisen der Pflanzenzüchter werden dagegen sensationelle Perspektiven diskutiert, obwohl auch hier noch völlig ungewiß ist, ob sie sich jemals „überführungsreif“ realisieren lassen: Bekanntlich haben nur einige wenige entweder frei im Boden lebende oder in den Wurzelknöll­chen der Schmetterlingsblütler vorkommende Mikroorganismenarten die Fähigkeit, Luftstick­stoff zu binden. Wenn es nun gelänge, die dafür verantwortlichen Gene aus den betreffenden Mikroben zu isolieren, an geeignete Vektoren zu koppeln (die in pflanzlichen Systemen aller­dings sehr dünn gesät sind, da hier kaum DNS-­Viren vorkommen) und in das Erbmaterial unserer Kulturpflanzen so einzuführen, daß sie dort auch ausgeprägt werden – wir würden Augenzeugen einer „grünen Revolution“, denn auf Stickstoffdüngung könnte dann wohl weit­gehend verzichtet werden. (Allerdings muß man hier wie bei allen ähnlichen Projekten berück­sichtigen, daß solche Eingriffe in einen Organis­mus u.U. auch nachteilige Nebenwirkungen haben könnten!)

Industrielle Mikrobiologie

Schließlich erhoffen sich die Vertreter der industriellen Mikrobiologie und alle an Bio­masse- und Biomolekülproduktion Interessier­ten, daß man künftig bestimmte Gene in Bakterien oder Pilze einführen und dadurch veranlassen kann, bestimmte Genprodukte zu synthetisieren und ihre Gewinnung somit öko­nomischer zu gestalten. So sind in mehreren Laboratorien intensive Arbeiten im Gange, das Gen für das Insulin – dessen Bedarf u.U. künftig nicht mehr durch herkömmliche Pro­duktion gedeckt werden kann – in Bakterien ein­zuführen, um damit eine mikrobiologische Insulinproduktion zu ermöglichen.

Gefahren und Mißbrauch der Forschung im Kapitalismus

Natürlich bergen auch die neuen Entwicklun­gen auf dem Gebiet von Molekular- und Zell­genetik zahlreiche Gefahren. Zum einen lassen sie sich – wie jede andere wissenschaftliche Entwicklung – nicht nur zum Wohle des Men­schen auswerten, sondern auch zu dessen Schaden – in Abhängigkeit vom Verantwor­tungsgefühl und von der weltanschaulichen Position des Wissenschaftlers und vom Ge­sellschaftssystem, in dem er arbeitet. Zum anderen beinhaltet in unserem konkreten Fall der Forschungsprozeß selbst zahlreiche Risi­ken: Beispielsweise könnten durch gen­ingenieurtechnische „Betriebsunfälle“ Krebs­gene unkontrolliert durch harmlose Darmbakterien weltweit verbreitet werden, oder unter Krankheitserregern könnten neuartige Typen von Arzneimittel-Unempfindlichkeiten auftreten.

Strenge Kontrollen und Überwachung der Wissenschaft

Deshalb wurden parallel zur Entwicklung der genetischen Technologie allenthalben Bestre­bungen eingeleitet, die folgendes zum Ziel haben: Erstens sollen alle entsprechenden Ex­perimente nur durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind. Zweitens sollen die Versuche unter strengen Quarantänebedingungen erfol­gen, sofern nur der leiseste Verdacht auf ein Risiko vorliegt. Drittens sollen nur solche Zellen, Bakterien und Viren zu derartigen riskanten Ex­perimenten herangezogen werden, die, falls sie doch einmal zufällig die Laborzone ver­lassen, „in freier Wildbahn“ keine Überlebens­chance haben. Auch in der DDR werden Gen­ingenieurexperimente nur unter diesen Bedin­gungen durchgeführt.

Quelle: URANIA-Universum, VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1977, Bd.23, S.486-495

Verbrechen
Siehe auch:
Die Lügen der „Impfluencer“

Dieser Beitrag wurde unter Kleines Lexikon, Meine Heimat DDR, Sozialistische Wirklichkeit veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu Aus der Wissenschaft der DDR: Mikrobiologie und Genetik.

  1. Erfurt schreibt:

    Eine kleine Anmerkung: Man unterscheidet zwischen vererblichen und somatischen Gen-Veränderungen. Unser Erbgut verändert sich ständig, bspw. durch Umwelteinflüsse und letztendlich dadurch, daß wir älterwerden. Diese Veränderungen die also nur das Individuum betreffen, nennt man somatisch.
    Die Urania, herausgegeben vom gleichnamigen Verlag war eine Fachzeitschrift die Fachwissen in verständlicher Form vermittelte und durfte praktisch in keinem DDR-Haushalt fehlen.
    Schönes Wochenende.

    • sascha313 schreibt:

      Ja, richtig. Und das URANIA-Universum gehörte zu der populärwissenschaftlichen Literatur – heute noch lesenswert! Übrigens viele Ärzte schieben ihre Unkenntnis der Ursachen darauf, daß bestimmte Krankheiten ja „erblich“ veranlagt seien. Damit ist der Fall erledigt; alles andere würde einer tiefergehenden Untersuchung bedürfen. Wer kennt heute z.B. noch die Perkussionsmethode (s. Prof. Dr.med. Werner Siebert „Perkussionskurs“-1965) oder versteht etwas von der Naturheilkunde (s. „Saaledoktor“ Dr.med. Franz Prause) usw.? …wenn nur 8 Minuten proPatient bezahlt werden, dagegen aber 80 Euro pro Gen-„Impfung“ veranschlagt werden. Da kann ein korrupter „Arzt“ gut und gerne 20.000 Euro im Monat kassieren…

      • Erfurt schreibt:

        Übrigens viele Ärzte schieben ihre Unkenntnis der Ursachen darauf, daß bestimmte Krankheiten ja „erblich“ veranlagt seien.

        Und umgekehrt! Das habe ich bei meiner Rehab. massiv erlebt, daß den Patienten laufend vorgeworfen wurde sie würden sich falsch ernähren weil die Blutfettwerte nicht stimmen. Dabei sind HDL und LDL erstens gar keine Fette sondern Proteine (das letzte L steht nicht für Lipid sondern für Lipoprotein) und zweitens haben LDL und HDL im Blut gar nichts mit der Nahrungsaufnahme zu tun, denn diese beiden Stoffe erzeugt der Körper selbst weil sie für den Aufbau von Zellen, insbesondere Muskeln und Knochen gebraucht werden (Kleine Enzyklopädie Gesundheit, Leipzig 1985).

        Die Konzentration von LDL und HDL im Blut ist also genetisch veranlagt und somit erblich bedingt. Tatsächlich gibt es auch bezüglich Cholesterin-Stoffwechsel genetische Defekte
        die vererbt werden und zum frühen Tod des Individuums führen können (Quelle s.o.).

        MFG

        PS: Ein Arztbesuch ist immer auch eine Frage des Vertrauens!

      • sascha313 schreibt:

        Absolut! Man hofft ja immer, daß auch Ärzte sich selber weiterbilden und nicht nur Vorträge mit anschließendem Festessen bei Pharmareferenten buchen (müssen)…

  2. Pingback: Aus der Wissenschaft der DDR: Mikrobiologie und Genetik. — Sascha’s Welt | Schramme Journal

  3. Erfurt schreibt:

    Auch schön wie die Grafik zeigt welche Rolle die mRNA (Booten RNA) spielt. Ein Basentriplett mRNA (auch Kodon genannt) kodiert genau eine Aminosäure und nicht etwa den Bauplan eines Proteins. Mit der Reihenfolge der Aminosäuren hat mRNA gar nichts zu tun!

  4. hangaroa schreibt:

    >>Niemals gab es bei uns irgendwelche medizinische Experimente, die durchgeführt wurden, um damit Geld zu verdienen. << ….das ist so nicht richtig , anfang der 70er hatte boehringer-ingelheim im bezirk karl-marx stadt impfversuche mit mmr-präparaten gemacht gegen valuta ! …die versuche gingen in die hose ….die geschädigten leben heute noch !

    • sascha313 schreibt:

      Solche Lügen über angebliche Medikamententests westlicher Pharmapräparate in der DDR gegen Valuta werden jetzt in den Medien immer wieder verbreitet, um die DDR anzuschwärzen. Statt Beweise gibt es nur Behauptungen und angebliche „Zeitzeugen“… Das ist das gleiche Prinzip wie mit den Lügen der Geipel über das angebliche „Zwangsdoping“ in der DDR. Einfach nur ekelhaft!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s