KZ Mauthausen: In der Nacht zum 2. Februar 1945 unternahmen etwa 500 sogenannte „K“-Häftlinge des Blocks 20 einen Ausbruchsversuch. Als „K“-Häftlinge wurden ab Frühjahr 1945 aufgrund des „Kugel-Erlasses“ zwischen 2.000 und 5.000 Personen nach Mauthausen deportiert. Es waren dies vor allem kriegsgefangene sowjetische Offiziere, die Fluchtversuche unternommen hatten, sowie Zwangsarbeiter, die der Sabotage oder politischen Betätigung bezichtigt worden waren. Diese Häftlinge sollten in Mauthausen ermordet werden.
🔹 Fast alle Geflüchteten wurden wieder ergriffen. Die meisten wurden noch an Ort und Stelle ermordet, die übrigen im KZ Mauthausen. Diese Such- und Mordaktion wurde zynisch als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnet.
🔹 Es überlebten vermutlich nur elf Menschen. In der Landwirtschaft eingesetzte Zwangsarbeiter und eine Handvoll Mühlviertler Bauernfamilien, die sich der Mitwirkung an der Mordaktion widersetzten, retteten ihnen das Leben.
Hetzjagd auf KZ-Häftlinge
durch SS, Wehrmacht, Hitlerjugend und österreichische Bevölkerung
Die Hasenjagd im Mühlviertel ist ein von den Nazis im Februar 1945 begangenes Kriegsverbrechen, bei dem SS-, Wehrmachts- und Hitlerjugendeinheiten 410 sowjetische Kriegsgefangene, die aus dem KZ Mauthausen im Mühlviertel in Österreich geflohen waren, mit Hilfe der lokalen Bevölkerung verfolgten und brutal töteten.
Angesichts der aussichtslosen Situation im Block 20 hatten im Februar 1945 mehr als 500 „K“-Häftlinge einen Massenausbruch unternommen. Bewaffnet mit Pflastersteinen, Feuerlöschern, Seifen- und Kohlestücken griffen sie die Wachtürme an und warfen feuchte Decken über den elektrisch geladenen Stacheldraht. Der dadurch herbeigeführte Kurzschluß ermöglichte es ihnen, die Lagermauer zu überwinden. Wegen ihres schlechten körperlichen Zustandes brachen viele Flüchtende bald zusammen. Andere starben im Kugelhagel der Wachmannschaften. 419 Personen gelang es zu entkommen.
Die im Block 20 zurückgebliebenen Schwerkranken ermordete die SS noch in derselben Nacht. Gleichzeitig leitete sie eine Großfahndung ein, an der sich neben SS, Gendarmerie, Wehrmacht und Volkssturm auch zahlreiche Zivilpersonen aus dem lokalen Umfeld beteiligten. Fast alle Geflüchteten wurden wiederergriffen. Die meisten wurden noch an Ort und Stelle ermordet, die übrigen im KZ Mauthausen. Diese Such- und Mordaktion wurde zynisch als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnet. Es überlebten vermutlich nur elf Menschen. In der Landwirtschaft eingesetzte Zwangsarbeiter und eine Handvoll Mühlviertler Bauernfamilien, die sich der Mitwirkung an der Mordaktion widersetzten, retteten ihnen das Leben.
Mehr dazu auf der Webseite von Mauthausen Memorial / KZ-Gedenkstätte
Nach offiziellen Angaben wurden in den 6 Jahren des Bestehens des Konzentrationslagers Mauthausen (Oberösterreich, etwa 25 km von der Stadt Linz entfernt) dort über 120.000 Menschen ermordet, und fast ein Viertel von ihnen waren Bürger der UdSSR. Der berühmteste der Toten im Todeslager ist der Generalleutnant, Doktor der Wissenschaften und Held der Sowjetunion, Dmitri Karbyschew.
Bei den Nürnberger Prozessen sagten auch Überlebende von Mauthausen aus. Nach Angaben des Franzosen Frederic Ribol verfügte das Konzentrationslager über eine „Isolierabteilung Nr. 20“ für Häftlinge in der Todeszelle, in der besonders unzuverlässige Häftlinge untergebracht waren, die nach Ansicht der Nazis zur Flucht neigten, Häftlinge aufhetzten und Sabotageakte organisierten. Der Block hatte Platz für 200 Gefangene, aber laut Riboll waren sie mit 1½ bis 2 Mal so vielen Gefangenen vollgestopft. Sie wurden wie Schweine gefüttert – flüssiges Balda wurde in Tröge geschüttet und die Menschen mußten mit den Händen essen. Die Zahl der Todesfälle unter den Insassen von Block 20 stieg auf 150 pro Tag. In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945 entkamen 419 Häftlinge, zumeist sowjetische Offiziere, aus dem Lager.
Die Erinnerungen der Überlebenden
Iwan Chodykin schrieb in seinem Buch, daß es ihm gelungen sei, die Namen von neun Überlebenden der „Mühlviertler-Hasenjagd“ zu ermitteln. Nach den Erinnerungen von Iwan Bitjukow, einem der Überlebenden, war der Hauptorganisator des Mauthausener Aufstands der Pilot und Held der Sowjetunion Nikolai Wlassow, der zusammen mit den Obersten Aleksandr Isupow, Kirill Tschubtschenkow und Gennadi Mordowzew den Fluchtplan entwarf. Die Flucht war für den 28. Januar geplant, aber am Tag zuvor wurden die Organisatoren und mehrere andere Häftlinge (insgesamt 25) von den Nazis hingerichtet.
Wie Hauptmann Wladimir Schepetja, einer der überlebenden Flüchtlinge, später erzählte, warfen die Gefangenen des Block 20 in jener Februarnacht bei der Flucht alles, was sie zur Hand hatten, auf die Maschinengewehrtürme. Es gelang ihnen, einen der Maschinengewehrschützen mit einem Feuerlöscher ins Gesicht zu spritzen und ein Doppel-Maschinengewehr in Besitz zu nehmen, aus dem sofort das Feuer auf die Nazis eröffnet wurde. Nasse Lappen wurden auf den unter Spannung stehenden Draht des Zauns geworfen, um am Zaun einen Kurzschluß auszulösen. Die Flüchtenden mußten auch einen Graben mit Eiswasser und dann einen zweiten Zaun überwinden.
Die Flucht
Nach den Worten von Schepetja liefen die Flüchtlinge in kleinen Gruppen, je zwei oder drei, was auch im Fluchtplan vorgesehen war. Es gab viel Schnee, die Temperaturen fielen in dieser Nacht unter 8 Grad. Die Geflüchteten hatten weder Schuhe noch Kopfbedeckungen bei sich. Etwa 100 Menschen aus Flüchtlingen wurden mit Maschinengewehren direkt in der Nähe des Lagers erschossen. Dann wurden innerhalb von drei Tagen die meisten Gefangenen (etwa 300 Personen) von SS-Leuten, Polizisten und Wehrmachtssoldaten gefangen und erschossen.
Wie der Gefangene von Mauthausen, François Bois, im Nürnberger Prozeß aussagte, wandte sich der Kommandant des Lagers, Franz Ziereis (im Bild, mitte), am nächsten Tag im Radio an die Zivilbevölkerung, um bei der Festnahme und Vernichtung der „russischen Verbrecher“ zu helfen. Für jede Leiche eines getöteten Gefangenen wurde eine große Belohnung versprochen. Iwan Chodykin schrieb, daß die Schulen der nahe gelegenen Ortschaften Mauthausen für einige Tage sogar den Unterricht einstellten und der Wiener Rundfunk stündlich Hinweise auf Belohnung für die Ermordung von Gefangenen sendete. Die Nazis nannten ihre Massenvernichtungsaktion zynisch „Mühlviertler Hasenjagd“ – wegen des Namens des Bezirks, in dem die Gefangennahme und Vernichtung der geflohenen Gefangenen stattfand.
Nach den Erinnerungen des Priesters aus Allerheiligen (12 km vom Konzentrationslager entfernt), Josef Radke, haben viele Einheimische die SS nachgeahmt, indem sie die hungrigen und verstörten Häftlinge von Mauthausen verfolgten und töteten. Neben den Einheiten der SS, der Wehrmacht und der Polizei nahmen Freiwillige aus Hitlerjugend und Volksturm an der Festnahme und Tötung der geflohenen Gefangenen teil, denen sich bereitwillig die Einheimischen anschlossen, die die gefundenen Flüchtlinge mit Messern erstachen und mit Stöcken zu Tode prügelten. Auf diese Weise wurden mehr als 70 KZ-Häftlinge ermordet. Das Gelände um Mauthausen war fast baumlos – Felder, Bauernhäuser, so daß es praktisch nirgendwo eine Zuflucht für die Geflüchteten gab.
Wer hat ihnen geholfen
Nicht alle Einheimischen schlossen sich der blutigen Vergnügung an. Es fanden sich auch diejenigen, die sich als Menschen erwiesen und den Unglücklichen halfen. Michail Rybczynski und Nikolaus Zemkalo wurden von Maria und Johann Langthaler gerettet, die auf dem Bauernhof Winden lebten. Wie sich später ihre Tochter Anna Hackl erinnerte, wurden die Russen auf dem Dachboden im Heu versteckt. Die SS stachen bei der Überprüfung mit Bajonetten in das Heu, fanden aber keine der Flüchtigen. Nachbarn hörten auch seltsame Geräusche im Haus der Langtalers, bemerkten, daß sie Brot beiseite legten und Vorräte machten. Aber die Besitzer des Hauses konnten die Landsleute davon überzeugen, daß Mäuse im Haus rascheln und die Vorräte für den Fall einer möglichen Abreise von der Farm aufgrund häufiger Bombardierungen gesammelt werden. Anfang Mai wurden die Nazis von den Amerikanern aus dieser Gegend vertrieben, und Rybtschinski und Zemkalo verließen ihr Versteck.
Der „Kommersant“ schreibt über die 9 bei der „Mühlviertler-Hasenjagd“ Entkommenen, deren Namen bekannt sind – neben Rybtschinski und Zemkalo sind dies Iwan Bitjukow, Wiktor Ukrainzew, Wladimir Schepetja, Alexander Michejenkow, Iwan Kormoranow, Iwan Serdjuk und Wladimir Sosjedko – das Schicksal all dieser Mauthausen-Häftlinge nach dem Krieg wurde festgestellt und beschrieben.
Es wird angenommen, daß nur noch 11 Menschen am Leben blieben – einer ist als „Mischka Tatarin“ bekannt (nach dem Buch von Khodykin ist es Michail Ichanow, ein Kalfaktor der SS in Mauthausen), der zweite, der unmittelbare Leiter der Flucht ist Major Leonow. Ukrainzew, Bitjukow und der „Mischka Tatarin“ wurden, wie Iwan Chodykin schrieb, von den Burschen des österreichischen Oberbürgermeisters im Ort Golzleuthen versteckt, wo seinerzeit als „Ostarbeiter“ aus der UdSSR abtransportiert worden waren. Lichanow floh anschließend aus Angst vor Vergeltung, über sein weiteres Schicksal, wie auch über das, was mit Major Leonow geschah, ist nichts bekannt.
Nikolai Syromjatnikow
Quelle: «Мюльфиртельская охота на зайцев»
Die beiden Gefangenen Michail Rybtschinski und Nikolai Zemkalo hatten Glück. Sie wurden von Bäuerin Maria Langthaler versteckt. Foto links: Maria Langthalers Familie und die von ihr geretteten sowjetischen Offiziere (jeweils am Rand, rechts und links, zweite Reihe), Maria selbst – links in der ersten Reihe neben ihrem Mann Josef.
„Die Russen klopften am hellerlichten Tag an unsere Tür“, erzählte die Tochter Maria-Anna Hackl, die zum Zeitpunkt der Ereignisse 14 Jahre alt war. „Sie baten darum, ihnen etwas zu essen zu geben. Ich fragte, warum haben es die Gefangenen gewagt, in unser Haus zu kommen, wo doch alle um mich herum einfach verrückt geworden sind?“ Sie antworteten: „Wir haben zum Fenster hineingeschaut, haben kein Hitler-Bild an der Wand gesehen.“ Die Mutter sagte zum Vater: „Laß uns diesen Leuten helfen.“ Papa hatte Angst. „Was soll das, Maria? Unsere Söhne kämpfen gegen die Russen. Nachbarn und Bekannte werden die ersten sein, die uns anzeigen!“ Meine Mutter antwortete: „…vielleicht würde Gott unsere Söhne am Leben lassen.“
Zuerst wurden die Gefangenen unter dem Heu versteckt, aber am Morgen kam ein SS-Trupp auf den Heuboden und drehte das Heu mit Bajonetten um. Rybtschinski und Zemkalo hatten großes Glück – die Klingen steckten ganz in der Nähe, aber sie wurden durch ein Wunder nicht berührt. Einen Tag später kehrten die SS-Leute mit ihren Schäferhunden zurück, doch Maria brachte die Mauthausen-Häftlinge in eine Kammer auf dem Dachboden. Nachdem sie ihren Mann nach Tabak gefragt hatte, streute sie ihn über den Boden … die Hunde konnten keine Spur aufnehmen.
Quelle: © Fishki.net
Siehe auch: Пост 35. Концлагерь Маутхаузен,
https://babiy-yar.livejournal.com/9499.html?ysclid=ldsuqjjlfp137116821 (russ.)
Siehe auch: Die Mühlviertler Hasenjagd
Hat dies auf Der Saisonkoch rebloggt und kommentierte:
Und heute behandeln wir mal die Leute, die von Nichts gewusst haben. Fällt Ihnen etwas auf? Wir könnten jetzt mit Mutter Courage von Brecht antworten. Lesen Sie das lieber. In Westtheatern wird daraus Theater gemacht.
Pingback: Die bösen Russen - Der Saisonkoch
„Neues Österreich“ vom 31. Mai 1945
„Ein „Mauthausener“ berichtet
Erschütternde Mitteilungen über das Todeslager
In einer Versammlung der Sozialistischen Partei Döblings, der auch zahlreiche Gäste der Kommunistischen Partei und der Österreichischen Volkspartei beiwohnten, hielt Dr. Alfred Migsch, der erst vor wenigen Tagen aus dem KZ Mauthausen heim gekehrt war, einen sehr instruktiven Vortrag.
Zum erstenmal wurden genaue Ziffern aus der Statistik dieses Mordlagers bekannt. Der Lagerstand vermehrte sich von 1939 bis 1945 von 3.000 auf 80.000 Menschen. Das Lager starb aber jährlich drei- bis viermal beinahe zur Gänze aus. Insgesamt gingen 240.000 Menschen durch das Lager, von denen 150.000 verstarben. Die Hälfte der Verstorbenen wurde überhaupt nicht registriert. Wir wissen nur ihre Anzahl, nicht aber ihre Namen. …..
Eine andere Art von Ermordung wurde in der Gaskammer vollzogen. Die Gaskammer war ein kleiner Raum, der etwa 80 bis 100 Menschen aufnehmen konnte, wenn sie eng aneinandergepreßt standen. Verwendet wurde das Giftgas Zyklon B, das Erstickungsanfälle herbeiführt. Die Leichname waren infolge des engen Raumes so ineinander verkrampft, daß es nicht möglich war, auch nur einen Körper unversehrt aus der Tür hinauszutragen. Die Leichenträger mußten daher mit Beilen die einzelnen Leiber voneinander trennen.
Ein Ausbruchsversuch
Jene Häftlinge, die nicht sofort umgebracht wurden, brachte man auf Block 20, eine streng abgesperrte Unterkunftsstelle. Nur mit Unterwäsche bekleidet, mußten diese armen Opfer bei jedem Wetter im Freien den ganzen Tag über vor dem Block stehen, ein Aufenthalt in der Stube war verboten, an Verpflegung erhielten sie kaum die Hälfte des sonst üblichen Hungerrationen. Mitte Jänner 1945 war Block 20 mit etwa 700 Mann belegt. Nach zwei Wochen waren 200 bereits zugrunde gegangen. In der Nacht auf den 1. Februar kam es zu einem Ausbruch. Das Blockpersonal wurde erschlagen. 450 Mann überkletterten die Sperre und zerstreuten sich in der ganzen Gegend. Aber nur 5 Prozent der Flüchtlinge konnten sich retten, alle anderen fielen einer wohlorganisierten Menschenjagd zum Opfer……“
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nos&datum=19450531&seite=2&zoom=31
Danke, lieber Johann, für die wichtige Ergänzung!!! Es ist einfach unfaßbar. Im Westen wird heute über die Verbrechen des deutschen Faschismus geschwiegen. Stattdessen erscheinen in den natzifreundlichen BRD-Zeitungen seitenlange Aufmacher über angebliche Verbrechen Rußlands in der Ukraine. Und im Rundfunk schämt man sich nicht, lang und breit darüber zu palavern, wie man Putin vor Gericht bringen könnte… Haben diese Journalisten vergessen, daß nach 1945 in der BRD fast alle Nazi- und Kriegsverbrecher mit einem „Persilschein“ versehen wieder „in Amt und Würden“ gelangten? Wir werden nicht nachlassen, daran zu erinnern!
Lieber Gen. Sascha, wir dürfen vor allem auch die wahren Auftraggeber und Hintermänner aller dieser Verbrechen niemals vergessen, allein schon aus sehr aktuellen Anlässen !
Zeitgemäße schaurige Grüße
Du hast völlig recht, lieber Harry!