Die neuen Dimensionen der Wirtschaftskriminalität – Verbrechen der Monopole und des Finanzkapitals

FinanzkriegAllgemeine Systemkrise und verstärkter Konkurrenzkampf im Kapitalismus führen zwangsläufig zu immer höherem Profitstreben und damit auch auf dem Gebiet der Wirt­schaft zu einer Hinwendung zu kriminellen Methoden bei jer Profiterwirtschaftung. Der Monopolkapitalist kann sich kaum noch der herkömmlichen Ausbeutungsmethoden der Vergangenheit bedienen, da er im Konkurrenzkampf denen unterliegen würde, die mit kriminellen Mitteln Profit erwirtschaften. Da der kriminelle Profit stets höher ist, wird das kapitalistische Wirtschaftssystem zunehmend von kriminellen Methoden durchdrungen. Monopolkapital und Kriminalität verwachsen miteinander. Innerhalb des Imperialismus, aber außerhalb seiner offiziell bestehenden Wirtschaftsordnung, entwickelt sich ein zweites Wirt­schaftssystem, die kriminelle „Schattenwirtschaft“. Schritt für Schritt beherrscht die Kriminalität die kapitalistische Wirtschaft.

Nicht überfallen, gründen muß man eine Bank

Die Beute bei einem Bankraub, sieht man von spektakulä­ren Einzelfällen ab, ist im Durchschnitt niedrig. Das Risiko, als Bankräuber inhaftiert zu werden, ist zwar gering, aber dennoch vorhanden. Dagegen ist die Beute um ein Vielfa­ches größer und das Risiko, dafür inhaftiert zu werden, gleich Null, wenn man eine Bank gründet und sich aus ihr bedient.

Schon in grauer Vorzeit begann der Betrug

Es ist mehr als ein Omen, daß die erste Schweizer Bank, die 1702 in Bern gegründete· „Malacrida & Co.“, wegen spekulativer Auslandsanlagen 1720 in Konkurs ging. Seit dieser Zeit versuchen die kapitalistischen Finanzinstitute verzweifelt, einen Schein von Verläßlichkeit und Glaubwürdigkeit, einen Nimbus von Lauterkeit und Rechtschaffenheit zu wahren. Ist doch das Vertrauen von Millionen mehr oder weniger finanzkräftiger Kunden ihr bestes Kapital. Bei Finanzinstituten, die mit fremdem Geld umgehen, muß dieses Vertrauen unangefochten sein und bleiben. Da sie eine systemerhaltende Säule der Herrschaft des Kapitals darstellen, wird staatlicherseits alles unternommen, um sie zu stützen und zu erhalten und das Vertrauen in sie und damit in die ökonomische und politische Macht des Kapitals zu gewährleisten.

Der Konkurrenzkampf tobt

Die Banken selbst sind aber Bestandteil des kapitalistischen Systems – und insofern der Allmacht des Profits un der mit ihm verbundenen objektiven gesellschaftlicher Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Sie müssen, um nicht in Konkurs zu gehen, Gewinn erwirtschaften. Wegen de harten Konkurrenzkampfes, der auch in dieser Branch tobt, sind sie gezwungen, immer attraktivere Verwertungsbedingungen für das Kapital ihren Kunden gegenüber anzubieten. Der Schritt vom Erlaubten zum Unerlaubten ist deshalb klein. Am Rande des Verbotenen zu balancieren ist branchenüblich.

Der Präsident greift ein…

Als 1984 die »Continental lllinois Bank« in Chicago (USA) durch Fehlspekulationen vor dem Ruin stand und um staatliche Hilfe ersuchte, griff, entsprechend der Be­deutung der ausstehenden Entscheidung, systemerhaltend der Präsident der USA, Ronald Reagan, höchstpersönlich ein. Er ließ der Bank 4,5 Milliarden US-Dollar Steuergelder aus dem Staatshaushalt zur Unterstützung zukommen. [1]
Während man den kleinen Dieb oder Räuber zur allgemei­nen Abschreckung in der Regel hart bestraft, werden die größten Räuber, Betrüger und Diebe zusätzlich noch mit riesigen Summen prämiert und ermuntert.

Die Wirtschaftskrisen wiederholen sich

Auf dem Hin­tergrund der allgemeinen Krise des Kapitals nimmt aber die Kriminalität so schnell zu, daß zum einen die Gefäng­nisse für die kleinen Diebe und Räuber nicht ausreichen und zum anderen selbst der Staatshaushalt der USA auf die Dauer solche Geschenke nicht vergeben kann. Die An­lahl der Bankpleiten ist dafür einfach zu groß. Bereits 1984 wurde mit 76 Bankbankrotten der höchste Stand der letz­ten drei Jahrzehnte erreicht. 1985 gingen etwa 120 Banken in Konkurs – die größte Anzahl seit 1933. Für 1986 wurde etwa das gleiche Ausmaß an Bankpleiten erwartet.

Zwangsversteigerungen von Farmen

Die derzeitigen Bankzusammenbrüche in den USA re­flektieren insbesondere die Krisenprozesse in der Land­wirtschaft. Hunderttausende Farmer sind hoffnungslos an die Banken verschuldet. Viele von ihnen können weder Ihre Schulden noch die fälligen Zinsen zahlen. Die da­durch verursachten Zwangsversteigerungen der Farmen decken dann nicht einmal die ursprünglichen Bankkredite, so daß die schlechte Wirtschaftsentwicklung auf das Banksystem negativ zurückwirkt.

Spekulative Finanztransaktionen

Trotz der engen Wechselwirkung zwischen Wirtschafts- ­und Finanzsystem verfügt letzteres in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung über eine gewisse Selbständigkeit und entfernt sich zusehends von den eigentlichen materiellen Grundlagen. Die Wirtschaftszeitschrift „Business Week“ kam 1985 deshalb zu dem bemerkenswerten Eingeständnis, daß das kapitalistische Finanzsystem mehr und mehr zu Spekulation statt zu Investitionen neigt, zu immer komplizierteren Finanzmanipulationen, die sich zunehmend vom realen Wirtschaftsleben entfernen, zur Anhäufung von Schulden auf immer stärker wankenden Kapitalgrundlagen.

Ins Unermeßliche anwachsende Schulden

Die Gesamtverschuldung aller Haushalte, Unternehmen und der Regierung der USA ist 1984 um 14 Prozent auf 7,1 Billionen Dollar angewachsen. Jährllch wächst das Defizit um rund 200 Milliarden Dollar weiter an. Die Schulden wachsen weit schneller als die Wirtschaft und als die Fähigkeit des Finanzsektors, Krisen abzufangen. Die Zinssätze in den USA bewegen sich für Hypotheken um 13 Prozent, bei Anschaffungsdarlehen bei 14 Prozent und für Kreditkarten bis 21 Prozent. Die USA-Bürger als Verbraucher türmten einen Schuldenberg an, der gut 80 Prozent ihres Jahreseinkommens beträgt. Im Herbst 1985 mußte allein die Regierung der USA 16 Milliarden Dollar Schuldzinsen bezahlen. Die Gesamtschulden der USA-Regierung bewegten sich um 2 Billionen Dollar.

Die „amerikanische Schuldenbombe“

In diesem Zusammenhang muß darauf verwiesen werden, daß die USA-Regierung mittels Dollarkurs, Hochzinspolitik und Kapitalexport ihre Probleme insbesondere auf die Entwicklungsländer abzuwälzen versucht. Ein Teil der betreffenden Staaten wurde dadurch dermaßen ausgeplündert und unter Druck gesetzt, daß bereits die Zinszahlungen die realen wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Staaten übertreffen. Der mit dem Kapitalexport verbundene Wunsch nach immer höherem Profit und die tatsächlichen Realisierungsmöglichkeiten in den Entwicklungsländern klaffen weit auseinander. Experten sprechen von einer „amerikanischen Schuldenbombe“ und einem erhöhten Risiko massiver, kettenreaktionsartiger Zusammenbrüche, die bis zu Kursstürzen im Währungsgefüge und ernsthaften Störungen des imperialistischen Finanzgefüges überhaupt führen können.

Die Kriminellen haben es erkannt…

Wie instabil das kapitalistische Wirtschafts- und Finanzsystem ist, zeigt sich besonders deutlich am manipulierten Dollarkurs. An einem einzigen Tag, am Montag, dem 23. September 1985, sank an der Börse in Frankfurt am Main der Dollarkurs um 16 Pfennig. Kursschwankungen sind jedoch nicht unbedingt Ausdruck der tatsächlichen Wirtschaftssituation. Da manipulierbar, sind sie Mittel, politische Ziele durchzusetzen, lästige Konkurrenten auszu­chalten usw. Finanzspekulationen werden damit geradezu heraufbeschworen. In einer solchen Welt der Täu­schung und des Scheins blüht und gedeiht die Kriminalität. Dre Kriminellen haben mit der Zeit erkannt, daß es für sie profitabler ist, eine Bank für ihre Interessen auszunut­ren, als in sie einzubrechen.

War der CIA-Direktor Casey ein Betrüger?

Diesen Schluß zog auch William J. Casey, ehemaliger Direktor der CIA. Entgegen bestehenden gesetzlichen Be­stimmungen, nach denen sich höhere Staatsangestellte für die Dauer ihrer Amtsausübung sichtbarer Finanzoperatio­nun zu enthalten haben, konnte er es nicht unterlassen, seine spezifischen Kenntnisse in Börsengeschäften zu ver­markten. So war er zum Beispiel 1983 nach seiner eigenen Steuererklärung an insgesamt 40 Aktien-Transaktionen be­teiligt. …

Der „honorige“ Graf Ferdinand von Galen

Eine großangelegte Unterstützungsaktion des Kapitals rettete schließlich die renommierte „Schröder, Münchmeyer, Hengst und Co.“ (SMH) vor dem totalen Untergang. Der Zusammenbruch des Esch-Imperiums, des drittgrößten Baumaschinenkonzerns der kapitalistischen Welt – der „Internationalen Baumaschinen-Holding AG“ Mainz –, führte bei der Bank 1983 zu Verlusten von etwa 1 Milliarde DM.

Der ehemalige Chef und Miteigentümer der Bank, Ferdinand Graf von Galen, mußte festgenommen werden. Für die Verschmelzung von Korruption, Kapital und Macht sprechen die Funktionen, die der Graf bis zu seiner Festnahme innehatte. Unter anderem war er Präsident der Frankfurter Wertpapierbörse, Vertreter im Vorstand der Internationalen Handelskammer in Paris, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main. Er saß in den verschiedensten Ausschüssen des Bundesverbandes Deutscher Banken. Außerdem bekleidete er eine Vielzahl von Ehrenämtern. In jeder Hinsicht ein „Ehrenmann“ war der Graf auch, als er sich angesichts seiner bevorstehenden Bankpleite eine kleine Rente sicherte und seiner Frau 20 Millionen DM zuschob. Es ist schon interessant, was und worüber der Graf als typischer Vertreter des BRD-Finanzkapitals denkt:

„Aber Millionen faszinieren erst, wenn ich sagen kann: Gut Friedrich Karl, fünf Milliarden, take it or leave it. (Tu es oder laß es. – Die Verf.) Wir waren doch kleine Stinker, verglichen mit der Deutschen Bank. Die regiert natürlich die halbe Republik.“ [2]

Straferlaß wegen „tadelloser Haltung“ des Grafen

Das blieb offensichtlich auch der einzige Versprecher des Grafen. Galen spielte seine Rolle vom gescheiterte Unternehmer bis zum Abschluß des Gerichtsverfahrens. Obwohl der Strafrahmen in der BRD für Betrug und Un­treue im schweren Fall bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug vorsieht, honorierte das Gericht die „tadellose Haltung“ des Grafen. Er wurde vom Frankfurter Landgericht wegen Untreue im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Im Urteil wurden die 15 Monate Untersuchungshaft angerechnet, ein Straferlaß nach Ablauf der Hälfte der Haftzeit sowie offener Vollzug empfohlen. Mit anderen Worten: Bereits nach 7 Monaten Im offenen Strafvollzug ist der Graf ein freier Mann! Das Urteil war dann selbst, wie die „Süddeutsche Zeitung“ (München) vom 7. Juli 1986 berichtete, dem Oberstaatsan­walt in dieser Sache, Udo Scheu, zuviel:

„Wenn einer 2.000 Mark Kredit für einen Fernseher haben will, muß er eine Verdienstbescheinigung und einen Personalausweis mitbringen, während bei diesen Größenordnungen von Hunderten von Millionen immer von Vertrauen die Rede ist. Wenn der Mann die 2.000 Mark nicht zurückzahlen kann, sagen wir, weil er arbeitslos geworden ist, dann er­statten die Banken postwendend Strafanzeige, weil die Staatsanwälte die billigste Zwangsvollstreckung sind. Aber in so großen Fällen werden wir im Regen stehengelassen. Von über 20 geschädigten Kreditinstituten, die Refinanzie­rungsbanken der SMH-Bank waren, mit Beträgen zwischen 10 Millionen und 92 Millionen Mark, haben wir nur von einer einzigen Bank eine Anzeige bekommen.“ [3]

Eine Aufrechnung, wieviel kleine Diebe und Betrüger erforderlich sind, um eine Milliarde DM Schaden anzurichten, und wieviel Jahre Freiheitsentzug sie für eine solche Summe erhalten, gibt es leider nicht.

Die Skrupellosigkeit der Banken

Massenarbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung, Tod eines Ehepartners usw. führen nicht nur in den USA, son­dern auch in der BRD zu Rückzahlungsschwierigkeiten bei Kreditnehmern. Bei etwas 1,5 Millionen Kreditverträgen treten jährlich solche Zahlungsschwierigkeiten auf, bis zu 700.000 Kreditverträge werden gekündigt, und etwas eine halbe Million Mahnverfahren werden durchgeführt. Skrupellos versuchen Banken und einzelne Wucherer, an dem Leid der Betroffenen zu verdienen. Sie warten nur darauf, daß diese in ihrer Notlage bis zu 200 Prozent Zinsen akzeptieren. So wurde gegen die Vereinsbank in Heidelberg wegen Kreditwuchers ermittelt. Sie hatte den

„branchenüblichen Zins bei 100.000 Krediten um 100 Prozent überschritten, in 51.000 Fällen um 200 und bei 3.700 Kunden um 300 Prozent. Mehrgewinn 345 Millionen Mark.“ [4]

Zitate:
[1] Siehe Volksstimme (Wien), 24. August 1984.
[2] stern (Hamburg), 1986, Nr. 5.
[3] stern, 1984, Nr.10
[4] ebd.
Quelle: Dieter Bohndorf/Reinhard Gelbhaar: „Mord, Raub, Terror, Drogen… Kriminalität im Imperialismus heute“. Dfietz Verlag Berlin, 1987, S.127-150 (gekürzt; Zwischenüberschriften eingefügt.  N.G.)
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Eine Antwort zu Die neuen Dimensionen der Wirtschaftskriminalität – Verbrechen der Monopole und des Finanzkapitals

  1. roprin schreibt:

    Was ich daraus schlußfolgere: laßt uns gemeinsam eine Bank gründen. Werft Eure Ehrlichkeit über Bord. –

    Oder aber: Laßt uns dieses System abschaffen und, ganz nach Marx, Engels, Lenin, Stalin einen sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern schaffen, in dem diese und weitere Betrügereien nicht möglich sind.

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