Gotthold Krapp: Was verstehen wir unter Bildung?

PädagogikDer Begriff „Bildung“ gehört erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum pädagogischen Wortschatz. Ursprünglich bezeichnet „Bildung“ die äußere Ge­stalt (das Bild) eines Dinges oder eines Lebewesens einschließlich des Menschen, auch den Prozeß dieser Gestaltung des Äußeren von Stoffen oder Lebewesen durch einen Künstler oder die Natur (vgl. zum Beispiel: „Die Himmelskörper sind runde Massen, also von der einfachsten Bildung, die ein Körper haben kann“ [Kant]).

Was verstand man im 18. Jahrhundert unter „Bildung“ und „Erziehung“?

Dich­ter und Denker der deutschen bürgerlichen Klassik und zeitgenössische Pädagogen verwenden „Bildung“ auch für die geistig-sittliche Gestalt, also in gewissem Sinne die „innere“ Gestaltung des Menschen, und für den Prozeß dieser geistig-sittlichen Gestaltung. Damit tritt „Bildung“ neben den älteren Begriff „Erziehung“, ja vielfach an dessen Stelle (vgl. zum Beispiel: ,,Er [Wilhelm, G. Kr.] überzeugte sich, daß er nur auf dem Theater die Bildung, die er sich zu geben wünschte, vollenden könne.“ [Goethe]. „Von dem, was wir als Menschen wissen und als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung und Brauchbarkeit“ [Herder].

„Allgemeine Emporbil­dung der inneren Kräfte der Menschennatur zu reiner Menschenweisheit ist ober­ster Zweck der Bildung, auch der niedersten Menschen. Übung, Anwendung und Gebrauch seiner Kraft und seiner Weisheit in den besonderen Lagen und Umständen der Menschheit ist Berufs- oder Standesbildung. Diese muß immer dem allgemeinen Zweck der Menschenbildung untergeordnet sein“ [Pestalozzi].)

Das fortschrittliche Bürgertum und die Pädagogik

Diese Übertragung des Wortes Bildung in den Bereich des Pädagogischen drückt Bestrebungen des fortschrittlichen Bürgertums aus. Das aufstrebende Bürgertum be­kämpft die alten feudalistischen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit, damit auch die Erziehung und die Erziehungseinrichtungen im Feudalismus. Die Erziehung im Feudalismus wird als bloße Abrichtung des Menschen erkannt. Der Mensch wird abgerichtet zu einer bestimmten Konfession, zu einer auf Treu und Glauben hinzu­nehmenden religiösen Doktrin, und er wird abgerichtet zu einer bestimmten Profes­sion, für einen bestimmten Stand oder Beruf. In beiden Fällen sieht man auf einen äußeren Zweck, nicht auf die Entfaltung der menschlichen Anlagen und Kräfte. Außerdem ist Erziehung im Feudalismus auch insofern ein bloßes Abrichten, als man den Menschen entweder mit einem halbverstandenen Wissensballast vollstopft oder ihn zu äußeren Umgangsformen mechanisch anlernt. So ist der überkommene Begriff „Erziehung“ mit entscheidenden Mängeln behaftet. Die Ideologen des auf­strebenden Bürgertums bemühen sich deshalb, ihre neuen, besseren Erziehungsbestrebungen auch mit einem neuen Begriff – dem der „Bildung“ – zu kennzeich­nen.

Die Forderung nach allgemeiner Menschenbildung

Im Vordergrund dieser neuen pädagogischen Bemühungen steht der Gedanke, der Mensch habe das Recht, primär als Mensch schlechthin gebildet zu werden. Es ist die Forderung nach allgemeiner Menschenbildung, die Denker und Pädagogen des aufstrebenden Bürgertums immer wieder erheben. Allgemein soll die Bildung in einem doppelten Sinne sein:

  • Einmal sollen alle Anlagen und Kräfte des Menschen entwickelt werden, und zwar möglichst gleichmäßig, damit eine harmonische Per­sönlichkeit entsteht (humanistisches Bildungsideal).
  • Zum anderen sollen alle Men­schen eine solche allgemeinmenschliche Bildung erhalten, wenn auch meist ent­sprechend der unterschiedlichen sozialen Stellung des einzelnen in verschiedenem Ausmaß und mit unterschiedlichen Akzenten (bürgerlich-demokratisches Bildungs­ideal).

Es geht nicht nur um das Wissen!

Dabei wird hervorgehoben, daß es nicht genügt, dem Menschen viele Wissens­inhalte zu vermitteln. Auch allgemeine Fähigkeiten und Gewohnheiten sind zu entwickeln, etwa das Denkvermögen oder der Drang, sich um Bildung selbst zu bemühen (Kräftebildung). Und es wird auch .erkannt, daß der Bildungsvorgang ein aktiver Prozeß ist, daß sich der Mensch nur durch Auseinandersetzung mit der Um­welt und dem Bildungsgut entfaltet. So kommt man zur Forderung nach Selbsttätig­keit des Schülers oder Zöglings.

Bildung und Erziehung im Frühkapitalismus

Diese neuen pädagogischen Bestrebungen dienen dem aufstrebenden Bürgertum in seinem Emanzipationskampf. Sie offenbaren zugleich, daß das junge Bürgertum teilweise die Interessen der anderen unterdrückten Klassen und Schichten mit ver­tritt. Aber der Klassencharakter der bürgerlichen Gesellschaft verhindert die Reali­sierung dieser progressiven Bildungsforderungen weitgehend. Das klassische bür­gerliche Bildungsideal wird entsprechend der kapitalistischen Wirklichkeit deutlich gewandelt. Die allgemeine Herrschaft des Besitzes in der bürgerlichen Gesellschaft führt zur Verquickung von Besitz und Bildung.

Der Klassencharakter der Bildung

Im Gegensatz zum bürgerlich-demokratischen Bildungsideal finden die Besitz­losen, besonders die Arbeiter, kaum Zugang zu den Bildungsgütern. Sie haben nicht die Möglichkeit, all ihre Anlagen und Kräfte zu entfalten. Im großen und ganzen erhalten sie lediglich eine solche Ausbildung, die sie befähigt, brauchbare Ausbeu­tungsobjekte abzugeben (Klassencharakter der Bildung).

„Wenn die Bourgeoisie ihnen (den Arbeitern, Kr.) vom Leben so viel läßt, als eben nötig ist, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie ihnen auch nur so viel Bildung gibt, als im Interesse der Bourgeoisie liegt. Und das ist so viel wahrlich nicht.“ (Engels.)

Die Abrichtung der Besitzlosen als Produktivkraft

Die Ausbildung der Arbeiter trägt nach wie vor den Charakter der Abrichtung für einen äußeren Zweck, ist wesentlich „Heranbildung zur Maschine“ (Marx/Engels). Die Besitzlosen stellen also die „ungebildete“ Klasse dar, die Besitzenden bezeichnen sich als „gebil­dete“ Klasse. Das stimmt insofern, als sie sich Bildung kaufen können oder als Klasse weite Bereiche des Bildungsgutes – die sogenannte „höhere“ Bildung – monopolisieren (Bildungsmonopol der Besitzenden). Andererseits ist auch die Bil­dung der herrschenden Klasse weit entfernt vom Bildungsideal der bürgerlichen Klassik.

Bildung – ein Vorrecht der Ausbeuterklasse

Entsprechend der sich im Kapitalismus vertiefenden Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit ist die Bildung der Besitzenden und Herrschenden ein­seitig eine intellektuell-ästhetische, besonders eine sprachlich-literarische Bildung (Verengung des humanistischen Bildungsideals). Die Abhängigkeit der Bildung vom Besitz und das Vorrecht des Reichtums, von der Arbeit – besonders der körperlichen Arbeit – befreit zu sein, führen darüber hinaus zu einer Verflachung des Bildungs­begriffs.

„Bildung“ und die Umgangsformen der soganannten „Elite“

Äußere Merkmale und angelernte Fertigkeiten des reichen Müßiggängers werden – jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch – mehr und mehr als Zeichen von „Bildung“ gewertet: Hände frei von Spuren einer Arbeit in der Sphäre der materiellen Produktion, richtige Kleidung in bezug auf die jeweilige Gelegenheit, auch mit einem angemessenen Einschlag der Mode, äußere Umgangsformen ein­schließlich konventioneller Höflichkeitsfloskeln, ein Halbwissen von allen Dingen, von denen in „Gesellschaft“ die Rede ist.

Die Klassentrennung im Kapitalismus

Auch die pädagogische Theorie folgt diesem Wandlungsprozeß. Ihre Vertreter werden zu Apologeten der Bildungsverhältnisse im Kapitalismus. An die Stelle der Überzeugung, daß auch im Ärmsten alle Anlagen und Kräfte entwickelt werden können, tritt der Versuch, den Armen die Fähigkeit zum Erwerb einer umfassenden Bildung abzusprechen (spätbürgerliche Begabungstheorie). Die Kritik bloßer Ab­richtung wird abgelöst durch das Bemühen, Folgeerscheinungen fehlender Bildungs­möglichkeiten als „Natur“ der Volksmassen auszugeben, an der die dem Volk zu vermittelnde Bildung zu messen sei (Theorie der „volkstümlichen“ Bildung).

Die Beschränktheit der bürgerlichen Bildung

Die For­derung nach Kräftebildung wird verzerrt zur These, man könne mit einem „Mini­mum von Wissensstoff ein Maximum von … Fähigkeiten“ entwickeln (Verabsolu­tierung der sogenannten „formalen“ Bildung). So erweist sich das zur Herrschaft gelangte Bürgertum als unfähig, seine eigenen Bildungsforderungen zu realisieren. Mehr noch: Im Interesse seiner Herrschaft ist es sogar außerstande, sie weiterhin zu vertreten,

Das Bildungsideal der Arbeiterklasse

Es ist die Arbeiterklasse, die als progressivste Kraft der Gesellschaft das pädago­gische Erbe des aufstrebenden Bürgertums übernimmt und es gemäß ihren weiter­reichenden Zielen und auf Grund ihrer wissenschaftlichen Theorie von der Entwick­lung der Gesellschaft und der Persönlichkeit vervollkommnet. Das humanistische Bildungsideal wird vom Proletariat wieder in seiner ursprüng­lichen Allseitigkeit gefaßt, aber entsprechend der fortgeschrittenen gesellschaftlichen und technischen Entwicklung und des neuen sozialistischen Menschenbildes. So ver­steht die sozialistische Pädagogik unter humanistischer Bildung neben dem Wissen und Können auf den Gebieten der Sprache, der Literatur und der Kunst vor allem auch eine umfangreiche naturwissenschaftlich-technische und ökonomische Bildung.

Was verstehen die Marxisten unter Bildung?

Wenn alle Fähigkeiten des Menschen entwickelt werden sollen, dann muß dabei die den Menschen charakterisierende Fähigkeit zu arbeiten, die Natur seinen Zwecken dienstbar zu machen und damit die Voraussetzung für alle Kultur zu schaffen, an erster Stelle berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich die besondere Bedeutung der polytechnischen Bildung und auch der körperlichen Ausbildung. Vergleiche den Aus­spruch von Karl Marx:

„Unter Bildung verstehen wir drei Dinge: Erstens: Geistige Bildung. Zweitens: Körperliche Ausbildung, solche, wie sie in den gymnastischen Schulen und durch militärische Übungen gegeben wird. Drittens: Polytechnische Er­ziehung, welche die allgemeinen wissenschaftlichen Grundsätze aller Produktions­prozesse mitteilt, und die gleichzeitig das Kind und die junge Person einweiht in den praktischen Gebrauch und in die Handhabung der elementaren Instrumente aller Geschäfte“ (s. Marx und Engels über Erziehung und Bildung).

Die Verwirklichung einer humanistischen Bildung

Daraus folgt auch, daß zur humanistischen Bildung sowohl eine umfas­sende Allgemeinbildung als auch eine solide berufliche Bildung gehören. Dabei ist es ein Hauptanliegen der Arbeiterklasse, da jeder Mensch einer solch hohen All­gemein- und Berufsbildung teilhaftig werden kann. Das Proletariat beseitigt die Widersprüche und Grenzen, die dem bürgerlich-demokratischen Bildungsideal an­haften. Jeder Mensch soll das gleiche Recht auf Bildung im Sinne der Entwicklung all seiner Anlagen und Kräfte haben. Bildung soll uneingeschränkt zum Gemeingut aller werden.

Bedeutung der Bildung für das praktische Leben

Ein wesentliches Kennzeichen des Bildungsbegriffs der Arbeiterklasse ist das Her­vorheben der Nützlichkeit und Brauchbarkeit der Bildung für das praktische Leben. Das ist nicht im Sinne eines platten Utilitarismus zu verstehen und bedeutet nicht Unterschätzung des theoretischen Wissens. Es richtet sich gegen die bloße Buch­gelehrsamkeit, gegen „die tiefe Kluft zwischen Buch und praktischem Leben“ (Lenin). Bildung muß zum besseren Erkennen und Bewältigen der gesellschaftlichen Auf­gaben, zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in allen seinen Sphären befähigen. Daraus ergeben sich Folgerungen für die Art und Weise des Bildungs­erwerbs, die ein tieferes Erfassen des Bildungsvorgangs als eines aktiven Prozesses bedeuten (Einheit von Theorie und Praxis bei der Ausbildung der Jugend, Verbin­dung von Schule und Leben, von Unterricht und produktiver Arbeit).

Vergleiche dazu: „Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben, das wird die rechte Mischung geben“ (Goethe) (s. Einheit von Theorie und Praxis; Verbindung des Unterrichts mit produktiver Arbeit).

Die Bildung in der sozialistischen Gesellschaft

Die Arbeiterklasse übernimmt nicht nur die progressiven Bildungsforderungen des aufstrebenden Bürgertums und vervollkommnet sie zu einer Bildung neuer Quali­tät, sie ist vor allem auch die einzige Kraft, diese zu realisieren. Mit der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft, in der Ausbeutung und Unterdrückung beseitigt sind, ist gesellschaftlich die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer allseitigen Bildung gegeben. Der wachsende Lebensstandard aller Menschen erlaubt in zuneh­mendem Maße ihre allseitige Entfaltung, die Entwicklung der Produktivkräfte macht sie in zunehmendem Maße erforderlich. Indem wir den Aufbau des Sozialismus voll­enden, können wir uns,

„gestützt auf den steigenden Wohlstand der Bevölkerung und ein immer besser und mannigfaltiger ausgebautes Bildungswesen, die hohe Aufgabe stellen, unser ganzes Volk zur gebildeten Nation zu entwickeln“ (Ulbricht).


Die Einheit von Bildung und Erziehung

Der von der bürgerlichen Klassik geschaffene pädagogische Begriff „Bildung“ ver­mochte nicht, den älteren Begriff „Erziehung“ zu verdrängen. Im heutigen Sprach­gebrauch stehen beide Begriffe nebeneinander und werden in der Umgangssprache nicht streng unterschieden (s. Erziehung). Die sozialistische Pädagogik ist um eine exakte Terminologie bemüht. Zu diesem Zweck versucht sie auch, den beiden Grundbegriffen im Bereich des Päd­agogischen eine spezifische Bedeutung zu geben. Die Gesichtspunkte der Unter­scheidung ergeben sich aus der Analyse des pädagogischen Tuns.

Sozialistische Pädagogik in der Schule

Das pädagogische Tun umfaßt folgendes: Zunächst werden einzelne Fakten und Tatsachen vermittelt. So lehrt man Namen und Lage der größeren Orte eines Landes, die Oberflächenformen einer Landschaft. Man vermittelt historische Daten, erzählt von historischen Persönlichkeiten. Es werden Naturerscheinungen beobachtet und besprochen, etwa die Lichtbrechung und die Aggregatzustände der Stoffe. Das Ver­mitteln und Erarbeiten solcher Tatsachen führt zu Kenntnissen der Schüler.

Das dialektische Denken

Außer­dem werden sie befähigt, gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen zwei oder mehre­ren Tatsachen zu erkennen.

  • So lehrt man nicht nur, daß es einen größeren Ort dieses oder jenes Namens gibt und wo er liegt, sondern auch, warum er sich gerade an die­ser Stelle des Flußlaufes entwickelte.
  • Man lehrt, warum eine Landschaft gerade diese Oberflächenform hat und eine andere jene.
  • Nicht nur einzelne Ereignisse der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution werden behandelt, sondern es wird auch über den sozialen Anlaß der Revolution gesprochen. Lehrer und Schüler werden erarbei­ten, warum die Revolution zum Siege des Proletariats führen konnte.
  • Über eine historische Persönlichkeit wird nicht nur berichtet, sondern es werden auch die ge­sellschaftlichen Wurzeln ihrer Handlungen und Leistungen dargelegt.
  • Die einzelnen Naturerscheinungen werden nicht nur beobachtet, sondern man dringt auch zu den ihnen zugrunde liegenden Naturgesetzen vor.

Durch dieses Vordringen zu Zusam­menhängen und Gesetzmäßigkeiten, zum Wesen eines Dinges, eines Vorgangs oder einer Erscheinung werden die Kenntnisse zu Erkenntnissen. Sie sind die Bausteine der wissenschaftlichen Weltanschauung.

Das Wissen und das Können

Kenntnisse und Erkenntnisse faßt man unter dem Begriff des Wissens zusammen. Mit der Vermittlung von Wissen sind bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zu üben, ist das Können zu entwickeln.

  • So sind Dispositionen zu allgemeinen intellek­tuellen und körperlichen Leistungen und viele spezielle Fähigkeiten auszubilden: sauberes und deutliches Schreiben, richtiger und zutreffender Ausdruck (mündlich und schriftlich),
  • Erkennen eines mathematischen Lösungsweges, Singen einfacher Melodien vom Blatt, elementare Fähigkeiten im künstlerischen Gestalten usw.
  • Es ist auch notwendig, einige spezielle Fähigkeiten so zu vervollkommnen, daß sie automati­siert ablaufen können.
  • So ist zu erreichen, daß die Schüler schnell schreiben können oder das kleine Einmaleins und die Grundrechenarten sicher beherrschen. Solche automatischen Komponenten von Fähigkeiten heißen Fertigkeiten. Fähigkeiten und Fertigkeiten faßt man unter dem Begriff des Könnens zusammen.

Was sind die Hauptaufgaben der sozialistischen Pädagogik?

Die Hauptaufgaben des pädagogischen Tuns, die stets in einem einheitlichen Prozeß verwirklicht werden – Wissen und Können zu vermitteln und wertvolle sittliche Verhaltensweisen zu entwickeln –, liefen es als zweckmäßig erscheinen, bestimmte Bereiche dieses Prozesses mit den, pädagogischen Grundbegriffen Bildung oder Er­ziehung zu bezeichnen, um in der theoretischen Durchdringung das Wesen des Pro­zesses besser zu erfassen. Die Vermittlung oder den Erwerb von Wissen und Können bezeichnet man als Bildung, und zwar im Sinne des Bildungsvorgangs und des Bildungsergebnisses. Zielgerichtetes und bewußtes Einwirken auf das sittliche Ver­halten bezeichnet man als Erziehung, und zwar ebenfalls im Sinne des Erziehungs­vorgangs und des Erziehungsergebnisses (s. Erziehung).

„Non scholae sed vitae discimus“ *

Man kann den Unterschied zwischen den Fachtermini Bildung und Erziehung grob auch so fassen: Bei der Heranbildung der jungen Generation handelt es sich stets um zweierlei, um das Fähigmachen und um das Bereitmachen. Man muß die heran­wachsende Generation befähigen, das Werk der Erwachsenen fortzusetzen. Man muß aber auch ihre Bereitschaft wecken, sich das gesellschaftlich notwendige Wissen und Können anzueignen, die erforderlichen Eigenschaften zu erwerben und im Ver­halten zum Ausdruck zu bringen.(*abgewandelter Spruch: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“)

DDR: Bildung und Erziehung reifer, sozialistischer Persönlichkeiten

Jeder Pädagoge und pädagogisch Tätige in unserer Republik hat die Aufgabe, die jungen Menschen zu befähigen, beim Aufbau des Sozialismus tatkräftig mitzuarbeiten. Dazu müssen sie hohes Wissen und Können erlangen. Zum anderen müssen Lehrer und Erzieher die Bereitschaft der Schüler wecken, ihre ganze Kraft für den Sieg des Sozialismus einzusetzen, unsere Errungen­schaften zu mehren und gegen feindliche Anschläge zu schützen. Dazu sind die jun­gen Menschen zu sozialistischen Verhaltensweisen zu führen. Das Fähigmachen bezeichnet also den Bereich der Bildung, das Bereitmachen der Erziehung.
Bilden und Erziehen ist ein einheitlicher Prozeß. Die terminologische Unterschei­dung beruht auf gedanklicher Analyse, um die komplexe pädagogische Praxis besser zu fassen und zu überschauen.

GOTTHOLD KRAPP

Quelle: Heinz Frankiewicz et al. „Pädagogische Enzyklopädie“ (2 Bde.). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin, 1963, Bd. 1, S. 122-126.

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