… und sie schworen sich „Einer für alle, alle für einen“.

musketererBei Alexandre Duma gibt es eine hübsche Geschichte, die von einer Freundschaft berichtet: die Freundschaft der vier Musketiere. Als sie nämlich die Größe der Intrige erkannt hatten, schworen sie, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Nun ist echte Freundschaft in unserer kapitalistischen Gesellschaft nicht gerade eine Massenerscheinung. Zurückzuführen ist das auf die Spaltung der Gesellschaft in antagonistische Klassen und die Konkurrenz untereinander mit den naturgemäß gegensätzlichen Interessen. Der ausgeprägten Individualisierung, wo jeder nur sich selbst der nächste ist, folgt nach dem Verlust des Arbeitsplatzes unweigerlich der Rückzug ins Private. Gesellschaftliche Kontakte werden weniger, gehen verloren. Und am Ende steht der Mensch alleine da. Im Sozialismus dagegen ist das alles ganz anders. Hier entstehen Freundschaften, wächst Kollektivität. Gegenseitige Hilfe und kameradschaftliche Zusammenarbeit sind ein wesentlicher Grundzug der neuen sozialistischen Moral. Wie es dazu kommt, darüber schreiben die sowjetischen Autoren B.Jessipow und N.Gontscharow …

Dem Kollektivgeist liegt das Gefühl der Kameradschaft und Freundschaft zugrunde. „Kameradschaftliche Verbundenheit muß es geben“, sagte M.I. Kalinin, „die UdSSR wird noch stärker werden, wenn den Sowjetmenschen von Kindheit an kameradschaftliche Verbundenheit anerzogen wird, eine wirkliche, feste kameradschaftliche Verbundenheit vom Schulalter an.“ [*]

Wie entstehen Kameradschaft und Freundschaft?
Wie sind Kameradschaft und Freundschaft schon von frühester Jugend an anzuerziehen? Stellen wir zunächst fest, welcher Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen besteht. Sowohl für die Kameradschaft als auch für die Freundschaft sind Vertrautheit der Kinder miteinander, Wohlwollen und die Gemeinsamkeit der MenschlichkeitInteressen und der Arbeit charakteristisch. Alle Schüler in der Klasse müssen Kameraden sein. Freundschaft ist die höchste Stufe der Kameradschaft, bei der die Vertrautheit des einen mit dem anderen immer stärker und intimer wird. Freunde fühlen sich zueinander hingezogen. Sie wollen zusammen sein, ihre Gedanken und Gefühle teilen, über ihre Arbeit, ihre Spiele, ihre Interessen miteinander sprechen, gemeinsam handeln usw.

Die Erziehung zur Freundschaft
Wie kann der Pädagoge auf die Freundschaft der Kinder einwirken? Vor allem muß er das bei einzelnen Kindern erwachende Freundschaftsgefühl bemerken und dafür sorgen, daß sich dieses Gefühl auf einer gesunden Grundlage entwickelt und einen günstigen Einfluß auf die Freunde hat. Es gibt äußere Motive zur Freundschaft, wenn die Kinder zum Beispiel einfach deswegen Freundschaft schließen, weil sie nebeneinandersitzen, einen gemeinsamen Schulweg haben oder Nachbarn sind. Besser sind natürlich tiefere Motive: gemeinsame Arbeit und Interessen, Spiel und Sport. Es ist gut, wenn solche Eigenschaften des Freundes anziehen, wie besonderes Wissen (знание), Können (уменье), Kühnheit, Beharrlichkeit, Lebensfreude usw. Die Aufgabe des Lehrers und Erziehers besteht darin, die Motive der Freundschaft unter den Kindern auf eine höhere Stufe zu heben.

Wie kann man Freundschaften stiften?
Ist eine Freundschaft zwischen Kindern auf Empfehlung des Pädagogen möglich? Sie ist unmöglich, wenn sie plötzlich und künstlich entsteht, ohne eine feste Grundlage zu haben. Aber der Lehrer kann, wenn er in der Klasse eine fruchtbare Freundschaft zwischen bestimmten Kindern schaffen will, die Bedingungen dafür vorbereiten: Er kann zum Beispiel die Kinder nebeneinander setzen, ihnen ein Buch zum gemeinsamen Lesen oder einen gemeinsamen Auftrag geben usw. Auf dieser Grundlage kann zwischen den Kindern die erwünschte Freundschaft entstehen.

Falsche Freundschaften
Manchmal entwickelt sieh Freundschaft zwischen Kindern auf dem Boden negativer Dinge, auf Grund übler gemeinsamer „Unternehmungen“. Bemerkt der Erzieher solche Fälle, so muß er entweder Maßnahmen treffen, um eine solche Freundschaft zu lösen, indem er dem Freund den Nimbus des „Anführers“ nimmt, oder er muß sich bemühen, die Freundschaft auf eine andere Grundlage zu stellen, die Freunde von ihren üblen Taten abzulenken und sie auf nützliche Dinge zu bringen.

Wahre Freundschaft und deren Vorbilder
Zur Erziehung des Freundschaftsgefühls bei den Kindern muß man sie auch mit leuchtenden Beispielen von Freundschaft sowohl zwischen Kindern als auch zwischen Erwachsenen an Hand des Stoffes aus der schönen Literatur oder aus dem Leben hervorragender Menschen bekannt machen. Freundschaften unter Kindern im Kollektiv dürfen nicht auf Kosten der allgemeinen Kameradschaft zwischen allen Mitgliedern des Kollektivs gehen. Alle Schüler einer Klasse sind Kameraden und sollen Kameraden sein.

Kollektivität und Zusammengehörigkeitsgefühl
Kameradschaft ist dann vorhanden, wenn ein echtes Kollektiv besteht. Sie entsteht und entwickelt sich auf der Grundlage kollektiven Lebens und kollektiver Arbeit der Kinder. Kameradschaft findet ihren Ausdruck in dem einmütigen gemeinsamen Bemühen, für alle Mitglieder des Kollektivs Erfolg in der Arbeit zu erzielen, in der gegenseitigen Fürsorge, in der gegenseitigen Hilfe und im aufmerksamen Verhalten zueinander.

Kameradschaftliche Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen
In einem richtig organisierten Kollektiv werden günstige Bedingungen zur Schaffung kameradschaftlicher Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen geschaffen. Man muß die Kinder von den ersten Tagen des Unterrichts an dazu erziehen, daß sie die gemeinsame Teilnahme am Spiel und an der gesellschaftlichen Arbeit als völlig selbstverständlich betrachten. Bei der Erteilung verschiedener gesellschaftlicher Aufträge muß der Lehrer sie auf Jungen und Mädchen verteilen, damit die Kinder auf beiden Seiten die gleiche Aktivität merken. Das ist leicht zu erreichen, wenn man von Anfang an beim gemeinsamen Unterricht eine feste Linie einhält. …

Gleichberechtigung – ein sozialistisches Grundprinzip
Die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen müssen so gestaltet werden, daß sie vollkommen dem Grundsatz der Gleichheit zwischen Männern und Frauen, wie er in unserem Land herrscht, entsprechen. Gegenseitige Achtung, Hilfsbereitschaft, gegenseitiges Beschützen, gegenseitige Ergänzung im Kollektiv entsprechend den Fähigkeiten (способность) und Begabungen müssen diese Beziehungen charakterisieren. Das wird erreicht, wenn die Erwachsenen, das heißt Pädagogen und Eltern, in der Praxis solche Beziehungen schaffen und unterstützen und eine entsprechende Auffassung bei den Kindern selbst entwickeln.

4063Unehrlichkeit und falsche Kameraden
Aber es gibt unter den Kindern noch viele Fälle falscher Kameradschaft. So zum Beispiel besteht unter Kindern manchmal die Gewohnheit, zu verheimlichen, wer von den Kameraden mit Absicht, aus Rowdytum oder Unfug Schuleigentum beschädigt hat; in manchen Kinderkollektiven wird der Schüler, dem es gelingt, ohne Kenntnisse (знание), ohne Vorbereitung auf die Unterrichtsstunde eine gute Note in einem Fach zu erhalten, beinahe als „Held“ angesehen. Bei manchen Schülern besteht noch die Tradition, einander beim Verbergen von Wissenslücken (знание) und von Mängeln im Verhalten zu helfen, vorzusagen oder abschreiben zu lassen. Das geschieht aus „Kameradschaftlichkeit“. Aber das ist eine falsche Kameradschaft.

Falsche Kameradschaft ist unmoralisch
Eine solche „Kameradschaft“ schädigt sowohl die Mitglieder des Kinderkollektivs als auch unsere sozialistische Gesellschaft als Ganzes, da sie im Kollektiv die Erziehung zu Nichtskönnern, die Erziehung zu äußerst ungesunden Gewohnheiten (навык) im Benehmen begünstigt. Diese Gewohnheiten (привычка) fördern die sich entwickelnde Neigung zum Parasitentum. Solche Erscheinungen sind in keinem Kollektiv der sozialistischen Gesellschaft zu dulden. Ebenso unzulässig sind in unserem kollektiven Leben und im Leben des Kinderkollektivs Neid, Hochmut gegenüber Kameraden, Eigendünkel, Prahlerei, Betrug an Kameraden usw. Man muß unter Kindern ein gesundes, neues Kollektivleben schaffen, das den kommunistischen Idealen entspricht.

Die Kinder schätzen die kameradschaftliche Geschlossenheit, die Solidarität, sehr hoch ein und sind sogar bereit, auf persönliche Interessen zugunsten der Kameraden zu verzichten. Aber es muß den Kindern auch erklärt werden, in welchen Fällen das, was sie als echte Äußerung der Kameradschaft betrachten, in Wirklichkeit den Mitgliedern ihres Kollektivs Schaden bringt.

Pädagogik Seite276

Quelle:
B.P. Jessipow/N.K. Gontscharow: Pädagogik. Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1953, S.279-281. Textausschnit: S.276. (Zwischenüberschriften, N.G.)

Zitat:
[*] Kalinin: Ober die Aufgaben der Sowjetintelligenz, 1939, S. 38 (russ.)

pdfimage Ein sozialistisches Kollektiv

Hier ein gutes Beispiel aus Havanna:
Wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei!

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7 Antworten zu … und sie schworen sich „Einer für alle, alle für einen“.

  1. Hat dies auf Muss MANN wissen rebloggt und kommentierte:

    „Despite Dumas‘ aristocratic background and personal success, the writer had to deal with discrimination related to his mixed-race ancestry. In 1843 he wrote a short novel, Georges, that addressed some of the issues of race and the effects of colonialism. His response to a man who insulted him about his African ancestry has become famous. Dumas said:

    My father was a mulatto, my grandfather was a Negro, and my great-grandfather a monkey. You see, Sir, my family starts where yours ends.“[14][15] Wikipedia

    „Im Sozialismus dagegen ist das alles ganz anders. Hier entstehen Freundschaften, wächst Kollektivität. Gegenseitige Hilfe und kameradschaftliche Zusammenarbeit sind ein wesentlicher Grundzug der neuen sozialistischen Moral.“

    Tja, wenn ich da auf das Ende von Honecker schaue, kann es mit dem Sozialismus in der DDR noch nicht gerade weit gekommen sein.

    • Harry56 schreibt:

      Ja, der endgültige Abstieg, schließliche Verrat/Verkauf der DDR begann im Grunde endgültig 1971. Walter Ulbricht und mit ihm wichtige Teile der Politik der DDR wurden beiseite geschoben, Honecker und der „Entspannungspolitik“ des alten Willy „Weinbrand“ (so einst mal KLED), auf den DM- gefütterten Leim gegangen, der 8.Parteitag der SED…
      Von da an wurde der Bonner Staat“ zu „gutnachbarlichen“ Beziehungen eingeladen, die Spaltung Deutschlands durch die 1945 geschlagenen deutschen Imperialisten zu einer Art neuen „Norm“ erhoben.
      Schaut man sich diese Jahre zwischen 1971 und 1989 genau an, so ist es fast schon lächerlich zu fragen, warum 1989 fast niemand mehr die DDR verteidigen wollte,

      • sascha313 schreibt:

        Danke, Harry! (auch wenn das jetzt nicht unmittelbar zum o.g. Thema paßt) Man kann die Kette der Ereignisse aber auch noch weiter zurückverfolgen. Wenn man berücksichtigt, daß Chruschtschow und Timoschenko nach dem gemeinsam begangenen Verrat von Charkow im März 1942 absichtlich den Obersten Befehlshaber falsch informierten, und sich im Nachhinein herausstellte, daß auch die Biografie Chruschtschows gefälscht war, so schließt sich der Kreis mit dem Staatsbesuch Chruschtschows in den USA, wo selbiger sich wie ein Popstar feiern ließ und von „seinen amerikanischen Freunden“ offenbar dort auch die „Priesterweihe“ empfing, die ihn ermutigte, unverzüglich nach seiner Rückkehr mit der Sabotage und systematischen Zerstörung der Sowjetwirtschaft zu beginnen. Allerdings muß man sagen, daß die sowjetischen Geheimdienste zur damaligen Zeit wohl nicht imstande waren, die Verbindungen der CIA zu ihrem hochrangigen Agenten in der UdSSR aufzuklären. Und auch die Absetzung Chrutschows im Jahre Oktober 1964 brachte den fortschrittlichen Kräfte in der Führung der KPdSU nicht den gewünschten Erfolg. Da die Warnungen Stalins auch in der DDR in den Wind geschlagen worden waren, was nicht unbedingt die Schuld Honeckers war, sondern vielmehr der Revisionisten in der SED, summierten sich die Fehlentwicklungen auf fatale Weise …erst recht nach der Ankunft dieses Falschspielers „Gorbi“ auf der politischen Bühne.

  2. Pingback: Gesinnungen, Charaktereigenschaften und Wertmaßstäbe. Der Unsinn von der „westlichen Wertegemeinschaft“ | Sascha's Welt

  3. Janet schreibt:

    Hallo Sascha, ich hätte da mal eine Frage zum Beitrag vom „… und sie schworen sich „Einer für alle, alle für einen“. Erstellt am 21. Juni 2015 von sascha313 Ich würde auch gern das Bild von den 4 Muskeltieren verwenden und nutzen. Vielleicht magst du mir dabei helfen, wen ich dazu fragen darf/kann.
    Gruß Janet

  4. marie schreibt:

    Ich möchte etwas zu den beiden ersten Kommentaren in ihrer zusammengefassten Wirkung auf mich mitteilen.

    Den Machtwechsel zwischen Walter Ulbricht und Erich Honecker erlebte ich als Jugendliche und war damals, zeitlich wohl bis hin zur Konterrevolution, nicht in der Lage, die politische Brisanz zu erkennen. Es war erfolgreich gelungen, mir Vertrauen in ‚die Politik der Partei der Arbeiterklasse als führende Kraft beim Aufbau des Sozialismus‘, anzuerziehen. Dass sie diese Führungsrolle innehat ist unbestritten – nur das mit dem Vertrauen habe ich inzwischen korrigiert.

    Erst während meiner Berufstätigkeit in volkseigenen Betrieben in den 80er Jahren, dem Erleben realer Abläufe, die oft im Gegensatz zu Erlerntem aus dem Studienfach ‚Politische Ökonomie des Sozialismus‘ standen, dem Scheitern meines persönlichen Engagements, meinem Rückzug ins Private, letztlich erst im letzten Jahrzehnt, begreife ich, was Harry56 hier sehr logisch zusammenfasst.

    ‚Das Ende von Walter Ulbricht‘ erlebte ich als Delegierte zu den im Sommer 1973 in Berlin, der Hauptstadt der DDR, ausgetragenen X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten. Ich saß am Rande des ‚Brunnens der Nationen‘ auf dem Alex, als die Nachricht vom Ableben Walter Ulbrichts über Lautsprecher mitgeteilt wurde. Und ich weinte. Weinte, wie bei dem Verlust eines Freundes.

    Ich glaube, ‚man‘ muss es erlebt haben, vielleicht auch sein persönliches Leben der Idee des Kommunismus untergeordnet haben, um verstehen zu können, dass ‚wir‘ das, was im Eingangstext beschrieben ist, mit dem Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik begonnen hatten.

    Es s i n d einige Jahrzehnte, die der Sozialismus in Europa Zeit hatte, sich zu zeigen. Es g i b t Menschen, die diese Wirtschaftsweise erleben konnten, in der die Interessen des Volkes durchgesetzt worden sind.

    Und ja, es gibt, momentan etabliert, die sich seit Jahrhunderten entwickelnde kapitalistische Produktionsweise, die sich mit der Macht des Geldes am Leben erhaltende ‚Ausbeutung des Menschen durch den Menschen‘.

    Die sich aus diesen beiden Produktionsweisen entwickelnden völlig verschiedenen Wertesysteme und letztlich Lebensweisen, sind so vergleichbar wie eine historisch überlebte Gesellschaftsordnung mit der ihr gesetzmäßig nachfolgenden – und davon gab es in der Menschheitsgeschichte bereits einige. ‚Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden‘, fällt mir abschließend ein – und: ‚Den Mutigen gehört die Welt‘.

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