Den Marxismus-Leninismus muß man sich schöpferisch aneignen…

56b06180b36b4Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sich mit der Umwelt auseinandersetzen kann, wie man versuchen kann zu verstehen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe). Und es gibt ebensoviele Irrwege. Bekanntlich ist der Marxismus-Leninismus die einzige wissenschaftliche Weltanschauung. Er ist, wie Marx und Engels immer wieder sagten: „kein Dogma, sondern eine Anleitung zu Handeln“ [1]. In einer Studienanleitung für die Teilnehmer und Zirkellehrer der staatspolitischen Schulung aus dem Jahre 1953 findet sich eine interessante Anleitung zum Studium des Marxismus-Leninsmus. Und das gilt im wesentlichen noch heute, auch wenn die Fragen heute andere sind…

Ein gründliches Studium

Das Studium des Marxismus-Leninismus ist eine sehr schöne Aufgabe. Schön deshalb, weil diese Wissenschaft uns den hellen Weg in die lichte Zukunft weist, jener Zukunft, von der Maxim Gorki das Wort prägte: „Es ist eine herrliche Aufgabe, auf Erden ein Mensch zu sein.“ Es kommt darauf an, sich ständig vor Augen zu führen, worauf es bei dem jeweiligen Thema, bei dem jeweiligen Studienabschnitt ankommt, was das Wesentliche ist. Dabei spielt die Gründlichkeit in der Arbeit eine entscheidende Rolle. Man muß sich zu dem angeeigneten Wissen kritisch und selbstkritisch verhalten.

Lernen, verstehen, anwenden…

Man soll sich mit dem Erreichten nie zufrieden geben, soll schwierige Stellen nicht einfach überlesen, soll sie, wenn notwendig, öfters wiederholen. Die Theorie meistern bedeutet eine ernste, konsequente und oft auch entsagungsvolle Arbeit leisten. Eine Arbeit, deren Erfolge man nicht sofort sieht, die aber um so sicherer und größer sind, je mehr man in die Theorie eindringt. Das ständige bessere Verständnis weckt auch die Freude am Studium.
Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, daß man um die schöpferische Aneignung kämpfen muß, genau wie z.B. unsere Genossenschaftsbauern einen energischen Kampf um die ständige Erhöhung der Hektarerträge führen.

Das kommunistische Manifest ist nicht die Bibel!

Es gibt nicht wenige Menschen, die glauben, daß die Meisterung des Marxismus-Leninismus darin besteht, daß man recht viel Zitate und Leitsätze sorgfältig auswendig lernt. Sie behaupten von sich selbst, daß sie doch schon in der Schule ein gutes Gedächtnis hatten, daß sie eine leichte Auffassungsgabe haben, daß sie sich z.B. Geschichtszahlen gut merken konnten, viel Gedichte auswendig können und damit doch schon die Voraussetzungen gegeben seien, auch ohne größere Mühe sich den Marxismus-Leninismus aneignen zu können. Andere wieder lassen sich verwirren von vielen neuen Begriffen, werden entmutigt durch Fremdwörter, die sie im Augenblick nicht verstehen, und ziehen daraus die völlig falsche Schlußfolgerung, daß es für sie unmöglich sei, sich den Marxismus-Leninismus anzueignen!

Welchen Rat gibt uns Stalin?

Den Vertretern beider „Richtungen“ wollen wir sagen, daß die Hauptsache beim Studium des Marxismus-Leninismus darin besteht, sich das Wesen, den revolutionären Inhalt und nicht die Buchstaben anzueignen. J.W. Stalin verspottete diese Buchstabengelehrten und sagte über sie in diesem Zusammenhang:

„Die Buchstabengelehrten und Talmudisten betrachten den Marxismus, die einzelnen Schlußfolgerungen und Formeln des Marxismus, als eine Sammlung von Dogmen, die sich trotz der Veränderungen der Entwicklungsbedingungen der Gesellschaft ’niemals‘ verändern. Sie glauben, wenn sie diese Schlußfolgerungen und Formeln auswendig lernen und sie hin und her zitieren,. daß sie imstande seien, beliebige Fragen zu lösen, da sie damit rechnen, daß die auswendig gelernten Schlußfolgerungen und Formeln ihnen für alle Zeiten und Länder, für alle Fälle des Lebens zustatten kommen werden. Aber so können nur solche Leute denken, die den Buchstaben des Marxismus, nicht aber sein Wesen sehen, die den Wortlaut der Schlußfolgerungen und Formeln des Marxismus auswendig lernen, ihren Inhalt aber nicht begreifen.“ [2]

Die Praxis ist das Kriterium der Theorie!

Das Wesen, den revolutionären Inhalt erfassen, genügt allein aber noch nicht. Wir müssen lernen, die Theorie in der Praxis unserer täglichen Arbeit anzuwenden, um unsere Arbeit zu verbessern, sie zu erleichtern. Doch das ist gerade die Schwierigkeit. Wir studieren doch den Marxismus-Leninismus nicht, um in unseren Köpfen Leitsätze anzusammeln, feststehende, ein für allemal gültige Formeln uns einzuprägen. Wir brauchen den Marxismus, um unsere praktischen Aufgaben zu lösen.

Ein lebendiges Studium

Wollen wir deshalb einige Ratschläge, die uns einer der besten Propagandisten des Marxismus-Leninismus, der große sowjetische Staatsmann M.I.Kalinin, gab, beherzigen. Kalinin sagte:

„Den Marxismus-Leninismus auswendig lernen kann mehr oder weniger jeder, aber in sein Wesen einzudringen und seine Anwendung zu lernen, das ist weit schwieriger … Das Studium des Marxismus-Leninismus soll man nicht studienhalber, nicht pro forma betreiben. Wir studieren den Marxismus-Leninismus nicht, damit wir ihn formal kennen, wie früher der Katechismus auswendig gelernt wurde. Wir studieren den Marxismus-Leninismus als eine Methode, als ein Mittel, das uns befähigt, unser politisches, gesellschaftliches und persönliches Verhalten richtig zu bestimmen.“ [3]

Was wir von den Klassikern lernen können

Es ergibt sich nun für uns die Frage, wie muß man in der Praxis den Marxismus-Leninismus erlernen, wie muß man ihn anwenden. Zunächst wollen wir feststellen, daß wir uns beim Studium stets die Frage vorlegen müssen: Warum haben Marx und Engels, Lenin und Stalin so und nicht anders zu dierer oder jener Frage Stellung genommen, so und nicht anders gehandelt? Warum stellten sie in der jeweiligen Situation diese Forderungen oder Leitsätze auf und keine anderen? Welches waren die Ursachen und wovon gingen sie dabei aus? Eine solche Fragestellung und ihre Beantwortung wird nur helfen, zu erkennen, was das Wesen der Sache ist. Daraus werden wir lernen, in der Praxis an die Entscheidung auch der kompliziertesten Fragen richtig heranzugehen.

♦ 1. Beispiel: Die Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus

Greifen wir aus der Vielzahl des formalen Herangehans an das Studium ein Beispiel heraus: In einer vor kurzem geführten Aussprache berichtete ein Kollege, daß er sich seit einiger Zeit mit dem Problem der Gleichberechtigung der Frau beschäftigt habe. Nach dem Studium der entsprechenden Literatur „begrüßte“ er den Gedanken der Gleichberechtigung, betonte jedoch gleichzeitig, daß sie in der Praxis nicht immer zu verwirklichen sei. Interessant ist dabei, welche Gründe er anführte. Er sagte sinngemäß:

„Wenn die Frau gleichberechtigt Ist, dann hat Sie auch die gleichen Pflichten wie der Mann. Da aber eine Frau z. B. nicht am Schmiedefeuer arbeiten kann, als Schmied mit dem Handhammer oder als Zuschläger mit dem Vorhammer, kann sie also auch insgesamt nicht gleichberechtigt sein. Weiter betonte er, daß sie z.B. nicht Beifahrer sein könne, da sie ja nicht Säcke bis zu 2 Zentnern tragen kann…“

Er könnte noch mehr „Beispiele“ anführen, so meinte er abschließend. Das war seine „Argumentation“ dafür, daß unsere Frauen nicht gleichberechtigt sein könnten. Kann man behaupten, daß dieser Kollege das Wesen der Sache, den Inhalt der Gleichberechtigung verstanden hat? Das kann man leider nicht sagen.


Bei der Begründung des Gesetzes „Über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ sagte unser Ministerpräsident Otto Grotewohl:

„Ohne die gleichberechtigte Einbeziehung der Frau in das Wirtschaftsleben gibt es keine gesellschaftliche Gleichberechtigung. Sie gibt Millionen Frauen die Möglichkeit, ihr Leben nach eigenem Wunsch und Willen zu gestalten, und sich eine eigene Stellung in der Gesellschaft zu erarbeiten … Die Vorurteile, die gegen den Einsatz der Frauen in vielen Fällen noch bestehen, sind energisch zu bekämpfen.“


So die Frage stellen, heißt in das Wesen der Sache eindringen, den Inhalt erfassen. Nehmen wir noch ein anderes Beispiel:

2. Beispiel: Was ist Klassenkampf im Sozialismus?

Viele Staatsfunktionäre führen täglich das Wort, im Munde, daß der Klassenkampf bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik sich ständig außerordentlich verschärft. Zweifellos ist das richtig. Können wir aber sagen, daß die verantwortlichen Kollegen im Kreis Seelow vom Wesen unserer Theorie etwas verstanden haben, wenn sie die tätlichen Angriffe einer Bande von Verbrechern und Feinden unserer Ordnung gegen Mitglieder der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften als eine „alltägliche“ Schlägerei bezeichneten und dementsprechend auch vom dortigen Gericht milde Urteile gefällt wurden?

Diese Beispiele zeigen uns, daß es darauf ankommt, nicht nur zu wissen und theoretisch begründen zu können, daß die Frau gleichberechtigt ist, oder daß sich der Klassenkampf bei uns verschärft hat, sondern danach zu handeln, d.h. die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Es gibt keine Schablone und kein Rezept, wie man sich in den verschiedensten Situationen verhalten muß. Die Kenntnis des Marxismus-Leninismus allein heißt noch nicht, die fertige Lösung selbst haben. Aber sie ist der Schlüssel zur Lösung.

Wem dient mein Studium und mein Handeln?

Eines aber zu beachten ist unerläßlich, und zwar, daß man an jede Frage von dem Standpunkt aus herangehen muß: dient diese meine Arbeit der Sache der Arbeiterklasse, dient sie der werktätigen Bauernschaft und den übrigen werktätigen Schichten, trägt sie zur Festigung unserer demokratischen Staatsmacht bei? Wenn man diese Frage mit ruhigem Gewissen mit Ja beantworten kann, soll man optimistisch an die Lösung der Aufgabe herangehen.

Quelle: Gerhard Feige/Alfred Ulrich: Wie studiere ich mit Erfolg? Berlin 1953, S.5-8. (Auszüge, Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)

[1] Siehe: Friedrich Engels an Friedrich Adolph Sorge, in: Marx/Engels Werke, Bd.36, Dietz Verlag, Berlin 1967, S.578.
[2] J. W. Stalin: „Der Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft“, Broschüre im
Dietz Verlag, Seite 64/65. .
[3] M.I. Kalinin: „Über kommunistische Erziehung“. Dietz Verlag 1951, Seite 42/43.

pdfimage  Gerhard Feige: Marxismus aneignen

Siehe:
Kurzgefaßt: Was ist Marxismus-Leninismus?

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4 Antworten zu Den Marxismus-Leninismus muß man sich schöpferisch aneignen…

  1. Thomas Weger schreibt:

    Eine echte wissenschaftliche Lehranstalt wird vemisst – heute mehr denn je!

    Als es die DDR noch gab, konnte der interessierte Mensch den Marxismus-Leninismus wissenschaftlich studieren und hatte auch gleich die praktische Anwendung zur Hand. Im Westen des geteilten Landes wurden an den Universitäten – Dank der 68er-Bewegung, ebenfalls Kurse des wissenschaftlichen Marxismus angeboten. Ansonsten begnügte man sich – wie eben leider auch heute wieder – mit den alten Philosophen, die schon Marx und Engels auf den Kopf gestellt hatten oder man blieb bis heute bei der Soziologie und anderen Vernebelungsstudien. Abgesehen davon – wie eben auch die Frankfurter Schule unter Marcuse, Adorno, Habermas bis Lukács etc. (jetzt noch der medial gelobte Precht) bleiben viele Interpreten gerne in ihrem Elfenbeinturm und sind losgelöst von der Arbeiterklasse. Man kann auch Erich Mühsam zitieren, der schon damals die Sozialdemokraten und andere Opportunisten erkannt hatte: Der Revoluzzer wird zum Lampenputzer und wartet erst einmal ab, bis die Revolution an ihm vorübergezogen ist, um dann nur gute Sprüche zu klopfen. Nun ja – der ewige Besserwisser, der den wichtigen Augenblick verstreichen lässt, den auch tausend Jahre nicht mehr zurückbringen werden. (siehe1989!). Auch das Marxistische Institut in Berlin bietet zurzeit keine Schulungskurse an. So bleibt eben leider nur die eigene quälende Arbeit zu Hause und die Bibliothek. Die Frage ist nur: Wie und wo kann heute noch Marxismus-Leninismus studiert werden (abgesehen vom verleugneten Stalin!) für die junge Generation und ältere Semester zur Auffrischung? Schön, dass es da Deine Seite gibt und interessante Leute wie Gossweiler oder Ulrich Huar zu Worte kommen, lieber Sascha.

    • sascha313 schreibt:

      Danke, Thomas. Mit einigen Abstrichen (was Stalin betrifft) kann man Literatur aus der DDR zu Rate ziehen. Besonders Bücher aus der Zeit vor 1956. Empfehlenswert: „Geschichte der KPdSU (B)“ von 1952, J.Stalin „Fragen des Leninismus“ von 1951, „Politische Ökonomie, Lehrbuch“ von 1955 und z.B. Teplow „Psychologie“ von 1953. Dann Marx, Engels, Lenin, Stalin sowieso (auch als pdf verfügbar).

  2. Atomino schreibt:

    Nunja, es ist nicht gleich ein Institut, aber wenn es auch eine Ecke kleiner geht : Die Karl Liebknecht-Schule in Leverkusen bietet regelmäßig Seminare an.
    http://www.dkp-frankfurt.de/main/programm_kls.html

    rote Grüße,

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