Zieh dir die Mütze über die Ohren, Dummkopf, arbeite weiter!

deutscher-michelEs war einmal … Mit diesen Worten beginnen die meisten Märchen. Sie sind über die ganze Welt verbreitet und so alt wie die Sehnsucht der Menschen nach Gleichheit und Gerechtigkeit. – Die Menschen, die diese Märchen erdachten, wußten noch nicht, wie sie gegen ihre Unterdrücker und gegen die zerstörenden Kräfte der Natur ankämpfen sollten, deshalb erträumten sie sich mutige Helden, und hilfreiche Geister. So wurde, was im Leben undenkbar war, im Märchen Wirklichkeit: Der arme Schneider wurde König, der mittellose Bauer fand einen Topf mit Gold, die Bauerntochter erweist sich klüger als der König. usw. usw. [1] Nun gibt es aber auch Geschichten, die sind ganz und gar nicht verträumt, sondern sie widerspiegeln die bittere Realität. Und so beginnt auch unsere Geschichte…

Die Satire.

Über sie schrieb Karl Marx: Satire will „diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! Man muß das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen. Man erfüllt damit ein unabweisbares Bedürfnis des deutschen Volks, und die Bedürfnisse der Völker sind in eigner Person die letzten Gründe ihrer Befriedigung.“  [2] Die folgende satirische Geschichte schickte uns ein Leser aus G.

Es war einmal . . . ein Land im Herzen von Europa. Die Menschen, die dort lebten. waren überwiegend damit beschäftigt zu arbeiten und Steuern zu zahlen. Sie trugen Zipfelmützen, die man über Augen und Ohren ziehen konnte, damit man nichts mehr sah und nur wenig hörte. Das wußten auch die Politiker von Michelland. Also gab es einen Erlaß, demzufolge alle Michel ihre Mützen immer zu tragen hatten. So arbeiteten sie fleißig und die Politiker machten Versprechungen.

Da wurde versprochen, die Rentenkassen seien voll, es gäbe blühende Landschaften und die Politiker gaben den Micheln ihr Ehrenwort, alles zu deren Wohlergehen zu richten. Doch eines Tages wollten die Michel die Früchte ihrer Arbeit sehen und schoben die Zipfelmützen hoch. Sehr zu ihrem Erschrecken waren die Rentenkassen gar nicht voll, es gab sie gar nicht mehr. Dafür saßen die Michel jetzt auf einem Riesenberg Schulden.

Erste Stimmen des Protestes erhoben sich. Das wollten die Politiker nicht zulassen. Sie holten viele Nichtmichel in das Land. So viele, daß die Michel nicht mehr wußten, ob das noch ihr Land war. Die Nichtmichel wollten auch so leben wie die Michel. Also wurden die Michel wieder zur Kasse gebeten.

Als der Unmut unter den Micheln wuchs, beschlossen die Politiker zum nächsten Schlag auszuholen. Sie zerstörten das soziale System der Michel, für das sie Jahrzehnte gearbeitet hatten Wurde ein Michel arbeitslos, fiel er in kürzester Zeit der Armut anheim. Obwohl die meisten betroffenen Michel -zig Jahre kleine Vermögen in die Sozialkassen eingezahlt hatten, bekamen sie nur noch ein Jahr Arbeitslosengeld. Danach mußten sie alles veräußern was sie hatten, um leben zu können, anschließend wurden die Familienangehörigen vom Staat belangt und wenn auch die ausgeplündert waren, gab es ein paar Teuro zum Überleben.

Sie glauben, werter Leser, das sei nur eine Geschichte, Michelland existiere gar nicht? Sie brauchen nur Ihre Zipfelmütze hochzuschieben …. Gute Nacht, Michelland!

[1] Von Anton bis Zylinder – Lexikon für Kinder, Der Kinderbuchverlag Berlin (DDR), 1981, S.244.
[2] Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.In: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke. Dietz Verlag, Berlin. 1976, S.381.

Tatsächlich sind einige ja so dumm zu glauben, es beträfe sie nicht und man könne ohnehin nichts ändern. Nebenan in Frankreich bei den „Gelbwesten“, wo wirklich das Volk revoltiert, sagt man – da stecken ja nur die Geheimdienste dahinter, oder die Nationalisten, oder die Randalierer, oder sonstwer… Andere aus der rechten Ecke wiederum werden auf andere Weise „aktiv“. Sie beschmieren das Grabmal von Karl Marx in London mit roter Farbe … und genüßlich breiten rechte und faschistoide Zeitungen aus, was dort geschmiert wurde… Nun denn – dann wird alles so bleiben, wie es war. Gute Nacht, Dummkopf, schlaf –  oder arbeite weiter! Und träum‘ von mutigen Helden und hilfreichen Geistern…

pdfimage Der deutsche Michel

Siehe auch:
Was ist deine Arbeit wert, Kollege?

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8 Antworten zu Zieh dir die Mütze über die Ohren, Dummkopf, arbeite weiter!

  1. Atomino schreibt:

    Halte die „Satire“ mit den Micheln für nicht besonders gelungen. Das ist AfD-Argumentation, die „Nichtmichel“ würden unser Sozialsystem *hust* sprengen. Hartz IV gabs auch schon vor der großen „Nichtmichelkrise“ 2015. Solche Texte eignen sich dazu, auch noch die letzten Reste von Solidarität zu sprengen, zu denen der Michel sowieso nur bedingt fähig ist.

    • sascha313 schreibt:

      Ich weiß nicht, was die AfD so macht, Atomino, aber hast Du schon mal erlebt, daß die eigene Ideen hatten, oder hast Du schon mal irgendwo gelesen, daß von der Bourgeoisie (CDU, SPD, Linke usw.) Vorschläge gekommen wären, die auf dem eignen Mist gewachsen sind? Ich nicht! Entweder war es erfunden, geklaut oder gefälscht und zusammen-gelogen. Daß der werte Autor dieses Textes keine Lösung liefert – ist das erstaunlich? Und Solidarität? Woher soll die denn kommen, als vom Klassenkampf? Wo jeder seinen privaten Kleinkram macht, in Konkurrenz zu seinesgleichen steht, wächst auch kein Zusammen-gehörigkeitsgefühl. – eher Neid. Und das wäre den Machthabern gerade recht! Und trotzdem gibt es Solidarität!

  2. Eleonore Kraus schreibt:

    Auf den Punkt gebracht. Richtige Argumentation, auch die Ängste der Betroffenen anzusprechen muss Satire widerspiegeln. Tucholsky meint dazu: „Satire darf alles.“ Eine unangenehme Wahrheit, weil keiner in irgendeine dreckige AFD Ecke gedrängt werden will, wenn er die Dinge beim Namen nennt. Irgendwie geschieht das hier des öfteren……. Auch mir ist das schon passiert, was ich ich mir in jeder Weise verbitte.

    In meinem Freundes- Bekanntenkreis, sowie in der Altenarbeit spricht man über die eigenen Nöte und Ängste. Keiner der Genannten hat mit Fremdenfeindlichkeit irgendetwas am Hut, jedoch erkennen sie, dass der Druck, auf dem Arbeitsmarkt, im täglichen Leben einfach noch größer geworden ist, als bevor die vom Kapitalismus verursachte Krise, die Menschen aus ihren zerstörten, zerbombten Ländern, auch nach Deutschland gespült hat. Viele meiner Freunde, wo es wirklich kaum zum Überleben reicht haben geteilt, auch mit einem Kloß im Hals und da ist mir um die Solidarität nicht bange.

    Um also hier keinen falschen Zungenschlag aufkommen zu lassen halte ich es auch weiterhin mit Rosa Luxemburg: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“ Und man weiß doch, dass das Kapital, die 6% „Reservearmee“ braucht, um den ständigen Lohndruck u.a. aufrecht zu erhalten und was kommt ihnen besser zupass, als Menschen, die am Boden liegen und denen man erzählen kann, dass im Himmel Jahrmarkt ist ?

    • sascha313 schreibt:

      …eine namenlose und zahllose Reservearmee (einschließlich der Billiglöhner und der für ein Spottgeld eingekauften Ausländer) von über 15 Millionen Menschen in der BRD.

  3. Hanna Fleiss schreibt:

    Ich halte diese „Satire“ nun auch nicht gerade für das Gelbe vons Ei. Wut spricht heraus, nur zu verständlich, aber wo bleibt die Satire? Wir Armen, uns spielen sie schwer mit, die da oben – das ist die einzige Aussage. Sagen, was ist? Nun, wir kennen es bereits zur Genüge, der Autor zumindest beruft sich nicht auf Rosa Luxemburg. Eben nichts Neues, lediglich ein allgemeines Jammern über die Schlechtigkeit des Kapitalismus. Dass da kein Ausweg aufgezeigt wird, ist ja verständlich, es sind ja nicht alle Leute gelernte Marxisten-Leninisten. Der kleine Mann mit Wut im Bauch spricht sich aus in Anbetracht eines wegen Geldmangels fehlenden Stammtisches.

    Auf Phoenix läuft gerade eine Doku über das beschwerliche Dasein der Milliardäre. Da wird abgewiegelt, verharmlost, „Verständnis“ gezeigt – sogar die Banken weigern sich, für die besonders Reichen ein Konto zu führen! Sehr bedauerlich, jetzt müssen die Geldsäcke auf ihren Geldsäcken sogar schlafen, mir kommen die Tränen. Eins aber wird unterschwellig klar: Sie begreifen langsam, dass sie zu weit gegangen sind, und jetzt haben sie Angst vor dem Volk. Die Franzosen könnten ja auch für uns ein Beispiel werden. Aber vielleicht muss es uns noch ein wenig schlechter gehen, ehe wir geborenen Strammsteher vor der gottgesalbten Herrschaft aufwachen.

  4. Atomino schreibt:

    Hallo Eleonore. Du darfst mich jetzt nicht falsch verstehen. Ich mag gute Satire, bei der einem ganz kurz vorher noch das Lachen volles Karacho im Halse stecken bleibt. Aber da gehört eben auch ein bissl Reflektion dazu. An jedem Stammtisch werden die Dinge beim Namen genannt. Unter anderem die „Tatsache“, dass die Flüchtlinge Schuld an unserem Elend sind. Aber selbst, wenn alle zustimmen und schimpfen, macht es das nicht wahrer. Mehr wollte ich eigentlich nicht sagen.

    • Eleonore Kraus schreibt:

      Keiner hat von einer Schuldzuweisung an die Geflüchteten gesprochen. So lese ich das und darauf habe ich geschrieben. Übrigens, kein Problem, ich verstehe es nicht falsch, zumindest geb ich mir Mühe.

  5. sascha313 schreibt:

    Ich weiß nicht, vielleicht sehe ich das auch falsch: Hat einer von denen, die das hier kritisieren, schon mal ’ne gelbe Weste angehabt? Übrigens: Bahnsteigkarten (zu 40 Cent) für die nächste Revolution sind erhältlich: hier
    Und schön, daß wir jetzt wissen, was Phoenix alles so bringt… das wär doch mal was für den Michel! Schluß! Ende der Debatte. Ich habe dieses überschlaue kritische Gequatsche „nicht gelungen“ „nicht das Gelbe vons Ei“ langsam satt!

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