Wie in der BRD antikommunistische Hetze produziert wird… Werner Steinberg und das Schicksal seines Romans

Werner_Steinberg

Werner Steinberg (1913-1992)

Es war an einem Donnerstag, da erhielt der Schriftsteller Werner Steinberg von einem befreundeten Kollegen aus Düsseldorf einen ominösen Brief. Darin schrieb der Kollege, der etliche Briefe seines 1956 nach Leipzig übersiedelten Kollegen unbeantwortet gelassen hatte: „Gestorben bin ich freilich nicht. Ich nehme aber an, daß Du tot bist. Geistig. Oder irrsininig! Jedenfalls ist der nicht mein Freund, der den Roman ,Als die Uhren stehenblieben‘ geschrieben hat.“ – Was war geschehen? Steinberg war zutiefst erschüttert, und er verstand die Welt nicht mehr. Hatten doch beide viele Jahre lang gemeinsam in Westdeutschland gegen den wiederaufkommenden Faschismus und die Remilitarisierung der BRD gekämpft, waren vom Verfassungsschutz deswegen beobachtet und verfolgt worden…

Viel später erst klärte sich die Sache auf. Als Steinberg seinen Roman „Als die Uhren stehenblieben“ Ende 1952 fertig geschrieben hatte,  zeigten westdeutsche Verleger ihm die kalte Schulter. F.A. Herbig fand das Manuskript „langweilig“, der Verleger Desch verlangte eine Umformung auf den „harten Stil“, im Verlag Deutsche Volksbücher hatte man ganze Absätze und Seiten gestrichen usw. – und dabei ging es doch um nichts Geringeres als um einen Blick in das Getriebe des westdeutschen Staates, in dem der Faschismus im Begriff war, seine grausige Wiederauferstehung zu feiern. Eines Tages, Ende Juli 1957 rief also ein Journalist aus Berlin an: „Hier ist Wolfgang Carlé. Sie kennen mich nicht. Ich bin Journalist. Ich möchte Sie in einer dringenden Sache in Leipzig sprechen.“ …. Und weiter schreibt Werner Steinberg in seinem 1960 in der DDR erschienenen Buch

Der Prozeß um Jutta Münch

Schicksal eines Romans

Immerhin verschaffte mir der Heine-Roman einen guten Start in der DDR; das Buch wurde gern gelesen, es erreichte bis jetzt eine Auflage von 52.000 Exemplaren.

Selbst einem Schriftsteller in Westdeutschland bleibt verbor­gen, was für ihn selbst so entscheidend sein könnte: Wie in der Deutschen Demokratischen Republik Tausende und Zehn­tausende von Bibliothekaren, Volks- und privaten Buch­händlern aufopferungsvoll bemüht sind, die Literatur in die Fabriken, auf die Dörfer, in die Hausgemeinschaften zu brin­gen, wie sie dabei einfallsreich neue Methoden entwickeln und wie glücklich sie sich fühlen, wenn ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt sind; er sieht nicht, wie die Schriftsteller der DDR unablässig bestrebt sind, nicht nur mit ihren Büchern, sondern direkt mit der Bevölkerung zu sprechen, und wie sehr das unterstützt wird durch großzügigste Hilfe des Staa­tes – eines Staates, der, wie sie glauben, die Literatur an die „Kandare drohender Verbote“ gezwungen habe, wobei sie wiederum nicht zu erkennen vermögen, daß das Nichterschei­nen verderblicher Schund- und Kriegsliteratur, wie sie sich in Westdeutschlands Illustrierten breitmacht, ein Vakuum schafft, in das die gute Literatur, gezogen durch den starken Sog des Bedürfnisses des Volkes, hineinströmt.

Ein Grund, die BRD zu verlassen…

Eigentlich wurde aus dem Erwägen, in die DDR zu gehen, erst dann ein fester Entschluß, als ich auf den Gedanken kam, dem Mitteldeutschen Verlag Halle den Roman „Als die Uhren stehen blieben“ anzubieten, und mich bald darauf der Chef­lektor des Mitteldeutschen Verlages – in Düsseldorf – anrief, um mir zu sagen, man habe sich entschieden, das Buch so bald wie möglich zu publizieren. Vielleicht kann nur eine Mutter, deren schon totgeglaubtes Kind dem Leben wiedergegeben wird, empfinden, welches überwältigende Gefühl des Glücks ich dabei spürte; denn wie im Leben, so ist auch die Geburt eines Werkes zwiefach: Empfängnis und Geburt, Niederschrift und Publikation, und daß Jutta Münch nicht in Hamburg, Düsseldorf oder Stutt­gart das Licht der Öffentlichkeit erblickte, sondern in Halle, erscheint mir noch heute von symbolhafter Bedeutung. Als ich Dezember 1956 von Düsseldorf nach Leipzig ging, war es tatsächlich für mich nicht nur eine Umsiedlung, sondern eine Demonstration: Eine Entscheidung gegen das antidemokrati­sche Klima in Westdeutschland.

Das Buch erschien in der DDR…

1957 erschien im Mitteldeutschen Vedag, Halle, „Als die Uhren stehen blieben“. Zur Leipziger Frühjahrsmesse war es angezeigt. Etwa zur gleichen Zeit interessierte sich der Neuer Tessloff Verlag, Hamburg, dafür und übernahm die Lizenz­rechte für Westdeutschland. Die wörtlich werkgetreue Buch­ausgabe erschien dort im Spätherbst. Noch zuvor lenkte der Verleger Tessloff die Aufmerksamkeit der „Neuen Illustrierren“, die in Köln mit 800.000 Auflage erscheint, auf das Manuskript, und die „Neue Illustrierte“ entschied sich, die Arbeit als Fortsetzungsroman zu veröffent­lichen. Ich kannte die Zeitschrift nicht. Tessloff: „Es ist die seriöseste der großen westdeutschen Illustrierten.“

Wie wird in der BRD die öffentliche Meinung gemacht?

Es war mir völlig klar, daß die westdeutsche Buchpublika­tion keine große Wirkung haben könnte. Nur in seltenen Glücksfällen kommt ein Romancier in Westdeutschland zu einer Auflage, die schon rein zahlenmäßig einen gewissen Einfluß auf die Hirne und Herzen verbürgen könnte – in der Regel liegen die Auflagen zwischen 3.000 und 5.000 Exem­plaren; das gilt auch für die großen Verlage wie Rowohlt, S. Fischer, Desch –, und meistens werden auch diese geringen Auflagen nicht ausverkauft. Dagegen steht – um nur eine Ziffer zu nennen – die Wochenauflage der Illustrierten mit 22 Millionen, die der Bild-Zeitung mit täglich 4,5 Millionen. Es kann gar keine Frage sein, wer da die öffentliche Meinung macht!

…eine „seriöse“ westdeutsche Illustrierte?

Es schien mir besonders wertvoll, über die „Neue Illu­strierte“ auf eine so große Zahl von Menschen einwirken zu können und ihnen das Bild der schrecklichen Tage des Zu­sammenbruchs des Faschismus als Warnung lebendig zu machen. Ich stimmte zu. Die Verträge wurden zwischen den Vertrags­partnern, also Tessloff und dem Neuen Verlag GmbH, Köln, in dem die „Neue Illustrierte“ erscheint, geschlossen …

Ein Anruf aus Berlin

Ende Juli 1957. Anruf aus Berlin: „Hier Wolfgang Carle, Sie kennen mich nicht. Ich bin Journalist. Ich möchte Sie in einer dringenden Sache in Leipzig sprechen.“
„Worum handelt es sich?“
„Das möchte ich Ihnen gern persönlich vortragen …“ – Hin und Her. „Ich sei überlastet.“ Er wieder: „Es genüge eine halbe Stunde.“ – „Gut: Am kommenden Montag“, ant­wortete ich…

Nach dem Austausch freundlicher Begrüßungsworte fragt er: „Kennen Sie übrigens die ,Neue Illustrierte‘ mit dem Fort­setzungsabdruck Ihres Romans?“
„Ich weiß zwar, daß der Roman dort erscheint, gesehen habe ich das Blatt nie, – es erscheint in Köln, ich lebe in Leipzig. Ich kenne ja meinen Roman!“
„Wirklich?“ – Er macht einen Erstaunten. Ich sehe ihn dumm an.
Er kramt in der Aktentasche, zieht einige Zeitschriften her­aus, fragt (und beobachtet mich scharf): „Wollen Sie einmal diese Stelle lesen?“

Die „Neue Illustrierte“ druckte ab…

Ich nehme die Zeitschrift, lese groß aufgemacht: WERNER STEINBERG, ALS DIE UHREN STEHEN BLIEBEN. Tatsachenroman vom Untergang der deutschen Stadt Bres­lau. Und klein und beinahe unleserlich:

Für die „Neue Illustrierte“ bearbeitet von Will Berthold.

Eine Stelle ist angestrichen. Ich lese:

„In der Nacht waren hier die Russen eingedrungen. Eine Vorhut, die sich nach zwei Stunden wieder zurückgezogen hatte. Aber diese zwei Stunden hatten genügt, um alles Leben im Dorf zu vernichten. Der von Jutta begleitete Sol­datentrupp stieß auf Rinder, die mit dem Seitengewehr erstochen waren. Auf Schafe, die erhängt an Zäunen bau­melten. Auf Hunde, die man mit der Maschinenpistole durchsiebt hatte. Und noch grausamer als die Tiere hatten die Russen die Menschen zu Tode gequält. Im ersten Haus sahen die Soldaten zwei kleine Mädchen, die mit dem Sei­tengewehr auf einen Stuhl genagelt waren. Eines der Kin­der bewegte sich noch. Im Nebenzimmer lag die Groß­mutter, eine vielleicht siebzigjährige Frau. Die Kleider waren ihr heruntergerissen worden. Die Greisin mußte sich mit der Kraft der Verzweiflung gewehrt haben. In der ver­krampften Hand hielt die Tote noch ein Büschel Haare. In der Scheune fanden die Soldaten den Vater der Kinder. Sie fanden nur den Rumpf. Der Kopf lag auf dem Hof, an einer Mistgabel aufgespießt. Jutta sah Menschen ohne Augen, ohne Hände, ohne Beine. Vor dem Pfarrhaus lag der Priester. Die uniformierte Mörderbande hatte ihm den Schädel zertrümmert. Die Kirche brannte. Die meisten Häuser brannten, Nur ein einziges Gebäude war nach außen hin unversehrt. Aber gerade da stand den Soldaten das Schlimmste bevor. Ein Siebzehnjähriger war von den Rus­sen mit der Zunge an einen Türpfosten genagelt und 21u Tode geprügelt worden. An der Decke hing der Vater, mit dem blutüberströmten Kopf nach unten.“

Ich glaube, ich muß in diesem Augenblick blaß geworden sein. jedenfalls ließ ich das Blatt sinken, wußte nichts zu sagen und starrte Carle an.

Eine perverse, widerliche Schmiererei

Dies also hatte die „Neue Illustrierte“ unter meinem Namen veröffentlicht! Diese dreckige, blutrünstige, geifernde, per­vcrse Schmiererei, diese stinkenden, dreckigen Unterstellungen, diesen heimtückischen Angriff auf die Rote Armee, diese Sturzflut von Verleumdungen der sowjetischen Soldaten im Zusammenhang mit meinem Roman, der dem Frieden und der Völkerverständigung dient, mußte natürlich beim Leser durch diese Fälschungen die gegenteilige Reaktion hervor­rufen: Mit einem Volk, dessen Armee solche Schändlichkeiten begangen hat, verhandelt man nicht; da rüstet man, da schießt man!

Üble Volksverhetzung in der westdeutschen Illustrierten

Für einen Autor läßt sich kaum eine entsetzlichere Situation vorstellen als die, in die ich mich gestellt sah: Ausgeliefert Halunken, die meinen Namen mißbraucht hatten und – wie zu vermuten war – weiter mißbrauchten, um ihre üble Völker­hetze und Kriegspropaganda zu betreiben. In diesem Augen­blick erst begriff ich, warum ich jenen Brief meines Düssel­dorfer Freundes Joachim erhalten hatte!

Auch der Cheflektor des DDR-Verlages ist entsetzt

Daß etwas geschehen mußte, war mir sofort klar. Ich rief den Cheflektor des Mitteldeutschen Verlages an. Ich sagte: „Hören Sie zu!“ Ich las ihm, ohne Kommentar, diese Stelle vor. Ich wartete; es entstand eine Pause. Ich hörte ihn gerade­zu angestrengt nachdenken; er fand die Lösung des Rätsels nicht – rund wie hätte er sie finden können, da ja nicht eine Silbe, nicht eine Andeutung dieser Szene in meinem Roman zu finden war, der längst schloß, bevor die Rote Armee über­haupt in Breslau eingerückt war! Damit war der Anstoß gegeben zu dem „Prozeß um Jutta Münch“, der – wie wir nicht voraussehen konnten – länger als siebzehn Monate dauern sollte und zur Zeit, da dieser Bericht geschrieben wird, noch nicht zu Ende ist.

Wie wurde die Fälschung entdeckt?

Übrigens stellte sich im Verlauf des weiteren Gesprächs her­aus, wie Carlé auf die Fälschung gestoßen war: Bei einem Besuch in Hamburg hatte ihm ein Freund die „Neue Illustrierte“ gezeigt und ihn aufgefordert, den Roman zu lesen, mit den Worten: „Eine so massierte Anti-Sowjet­hetze erleben wir selbst in der Bundesrepublik selten!“ – wo­mit übrigens in einem Satz die politische Tendenz und der Umfang der Fälschung umrissen waren.

Ein endloser Prozeß gegen westdeutsche Verbrecher…

Carlé erinnerte sich jedenfalls in diesem Augenblick, den Roman im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ in Leipzig angezeigt gesehen zu haben, und sagte: „Da stimmt doch was nicht!“ (Vielleicht fürchtete er, da gebe es einen Schriftsteller, der für die Bundesrepublik mit der rechten, für die Deutsche Demokratische Republik mit der linken Hand schriebe…) Seiner Aufmerksamkeit ist es zu danken, wenn die Fälschung entdeckt wurde und die Fälscher angegriffen und angeprangert werden konnten.
Der Angriff begann mit dem Antrag auf Erlaß einer einst­weiligen Verfügung, gestellt beim Landgericht Hamburg, wo­durch der „Neuen Illustrierten“ untersagt werden sollte, den Roman weiter fortzusetzen und über die Lesezirkel weiter zu verbreiten….

Quelle: Werner Steinberg „Der Prozeß um Jutta Münch“ – Schicksal eines Romans. Kongreß Verlag Berlin 1960, S.18-22. (Zwischenüberschriften eingefügt, N.G,)


P.S. Wer aber glaubt, dies sei ein Einzelfall, der irrt. Genauso werden auch heute noch Geschichte über die DDR gefälscht. Das ist das Ziel des Antikommunismus in der BRD, erst gegen die Sowjetunion, und nun gegen die DDR…


(Danke an J.W. für das wertvolle Dokument!)

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3 Antworten zu Wie in der BRD antikommunistische Hetze produziert wird… Werner Steinberg und das Schicksal seines Romans

  1. Johann Weber schreibt:

    Hier noch zwei Artikel zu der menschenverachtenden Antikommunismus-Hetze, die vom Tag der Befreiung (8.Mai 1945) bis heute die Menschen in der Sowjetunion, jetzt Russland und die Menschen in der sowjetischen besetzten Zone und in der DDR ausgesetzt waren und noch weiter sind.
    Im „Neuen Deutschland“ stand am 21. Juli 1948:

    Wie man Antisowjethetze fabriziert
     Köln, 20. Juli (ND). Die sozialdemokratische Zeitung „Aachener Nachrichten“ brachte vor einigen Tagen einen Hetzartikel mit der „Leidensgeschichte“ der angeblich aus russischer Gefangenschaft geflohenen ehemaligen Schwesternhelferinnen des DRK, Anneliese Mager und Elisabeth Otto, 22 und 23 Jahre alt. Sie kommen angeblich direkt aus der Sowjetunion und verbrachten vier Jahre „als Zwangsarbeiterinnen in einem Bergwerk in Nikolajew unter grauenhaften Lebensbedingungen“.

    „Anneliese hat nur noch ein Auge, schildert die Zeitung, „das andere wurde ihr mit dem Gewehrkolben ausgeschlagen. Elisabeths rechte Wange ist in der Nähe des Mundes mit langen Narben bedeckt. Es sind die Messerstiche eines sowjetischen Offiziers, erklärte sie. Beide wollten sich nicht von den Russen mißbrauchen lassen. Es half ihnen nichts. Zu Beginn dieses Jahres gelang ihnen die Flucht. Anneliese spricht fließend russisch. Elisabeth spielte die Taubstumme. Russische Militärfahrzeuge (!) waren in der Hauptsache ihre Transportmittel. In der Ostzone hingen bereits ihre Bilder auf dem zuständigen Bürgermeisteramt (?). Nun irren sie durch Aachen. Sie suchen ein Unterkommen und eine Arbeitsmöglichkeit. Niemand hilft ihnen. Die Frage: „Wie wurden Sie in der Sowjetunion behandelt?‘ erübrigt sich beim Anblick ihrer Gesichter. Dieses ist die andere Seite. Das zwiefache und unverständliche Antlitz Rußlands sieht uns an. Wen werden wir anklagen die Russen oder das System?“

    Jedoch bereits wenige Tage später konnte die Kölner „Volksstimme“ diese plumpe Schwindelgeschichte als wüste Hetze entlarven. Die polizeilichen Untersuchungen der Angelegenheit ergaben nämlich, daß es sich bei den beiden von den „Aachener Nachrichten“ zitierten jungen Mädchen um Landstreicherinnen handelt, wie sie auf den Straßen der Westzonen leider nicht selten sind. Während die eine wegen einer syphilitischen Erkrankung in ein Krankenhaus übergeführt werden mußte, wurde die andere vor den Schnellrichter gestellt. Ihre in den „Aachener Nachrichten“ wiedergegebenen Schauermärchen haben sie nur aufgetischt, um Mitleid zu erwecken und um ihre Identität zu verschleiern. Das „ausgeschlagene“ Auge der Anneliese entpuppte sich als Folge einer Granatverwundung, die sie sich als Flakhelferin zugezogen hatte. Elisabeth ist Rheinländerin, die sich von ihrem Manne entfernt hat und bei irgendeiner dunklen Angelegenheit am Munde verletzt wurde. Beide sahen nie ein russisches Bergwerk. Sie lernten sich in Worms kennen und vagabundierten seitdem gemeinsam umher. Spekulierend auf die Einfältigkeit und Empfänglichkeit gewisser Westzonenbewohner für Antisowjethetze wandten sie ihren Schwindel gewinnbringend an.“

    Auch die Menschen in der SBZ und in der DDR waren massivster Hetze aus der Alt-BRD ausgesetzt. Im „Sozialdemokratischen Pressedienst“ der SPD vom 15. September 1961 verfasste der Leiter der Terrorgruppe „SPD-Ostbüro“ folgenden unerträglichen Hasskommentar:

    „Ulbrichts „Volkszählung der 99%“
    Von Stephan G. Thomas, Leiter des Ostbüros der SPD

    […] Trotz Stimmungsmache und Drohungen der SED, weigerten sich Arbeiter, Bauern und Jungwähler nicht nur die gewünschte Vorentscheidung zur „Einsichtnahme“ zu treffen, sondern sie erklärten in Betriebsversammlung und anderswo, sie würden die Wahl am 17. September boykottieren. Dieser offene Widerstand hat Ulbricht zu ebenso offenen Terror gezwungen. Tag für Tag schüchtern die Provinzzeitungen die Bevölkerung dadurch ein, dass sie plastisch schildern, wie Menschen wegen ihrer Haltung entweder verhaftet oder in Zwangsarbeitslager gesteckt werden, oder wie die SED ihre Lynchjustiz gegen sie los lies. Tatsächlich hat die SED Rollkommandos zusammengestellt, die in Betriebsversammlungen und auf offener Straße Widersprechende zusammenschlagen und misshandeln. Die „Heldendaten“ solcher Banditen werden in der SED-Presse gelobt, die den Sadismus weiter anstachelt.

    Dieser Massenterror hat jedoch den Plan Ulbrichts mit seiner Volkswahl eine Demonstration gegen die Bundestagswahl durchzuführen, illusorisch werden lassen. Er wird es gewiss schaffen, mit Drohung und Gewalt die Massen an die Urnen zu bringen, aber was übrig bleibt ist eins – wie man in der Zone sagt – „Volkszählung von 99% der Wahlberechtigten“. Die vor Monaten versprochenen Möglichkeiten für Beobachter der westlichen Presse, sich von dem „demokratischen Charakter der DDR“ zu überzeugen, sind längst außer Diskussion. Unter den Bedingungen des Massenterrors ist Pankow gezwungen, die „Volkswahlen“ als KZ-Wahlen hinter der Schandmauer um Berlin unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Der Widerstand hat die Demonstration Ulbrichts in ihr Gegenteil verkehrt: sie zeugen eindeutig und ohne Einschränkung gegen das Regime des Terrors.“

    • sascha313 schreibt:

      …es ist entsetzlich. Wir waren in der DDR ja glücklicherweise stets von alledem verschont. Doch wie haben da nur die Westdeutschen reagiert? Mit Achselzucken? Mit Wut? Mit Verbitterung?

      Peter Edel schreibt in seinem tiefbeeindruckenden, autobiographischen Roman „Die Bilder des Zeugen Schattmann“: „Ja, Frank, wir haben das Unheil kommen sehen…!“ (Das Buch wurde übrigens nach 1990 aus ostdeutschen Bibliotheken ausgesondert!)
      Danke für Deinen Kommentar!

  2. Johann Weber schreibt:

    An dieser Hass-Propaganda, am Terror und sonstige Störaktionen beteiligten sich viele westdeutsche Gruppierungen.
    Hier ein Beispiel des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): Entnommen aus der „Die Protest-Chronik 1949-1959 von Wolfgang Kraushaar, Roger&Bernhard bei Zweitausendeins, 1996

    15. Oktober 1950
    Unter dem Motto »Die Arbeiter der freien Welt grüßen Berlin« veranstaltet der DGB im Olympiastadion in West-Berlin eine internationale Gewerkschaftskundgebung. An der Großveranstaltung, die sich gegen die am gleichen Tag in Ost-Berlin und der DDR abgehaltenen 1. Volkskammerwahlen wendet, nehmen 50.000 Berliner teil. Nach einer Gedenkminute für die Bevölkerung im anderen Teil Deutschlands greift Oberbürgermeister Ernst Reuter die Wahlen als politische Farce an. Die Menschen seien dort gezwungen, an einer »Wahlkomödie« teilzunehmen, die ihnen in Wirklichkeit zuwider sei. Wie sehr sie sich mit den Westbürgern verbunden fühlten, das hätten sie erst kürzlich in der Volksbefragungsaktion ausgedrückt. Der Tag rücke näher, an dem man wieder mit ihnen vereint sein werde. Berlin müsse zum »Schaufenster der Freiheit, des Wohlstandes und des Aufblühens« werden.“

    Beachte: Die Gewerkschaftskundgebung findet am gleichen Tag statt, wie die erste Volkskammerwahl in der DDR. Eine gezielte Störaktion. Weiter: Es wird eine „Gedenkminute“ für die Bevölkerung der DDR abgehalten. Geht es nicht noch abscheulicher?

    Dass die ersten Volkskammerwahlen am 15. Oktober 1950 von den westdeutschen Störtrupps massivst behindert werden sollten, hier folgender Bericht: Entnommen aus dem Band 1 „Geschichte der Deutschen Volkspolizei“, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1979

    „Die Volkswahlen bedurften deshalb eines besonderen Schutzes durch die Volkspolizei. Mit der Friedenswacht leisteten die VP-Angehörigen ihren spezifischen Beitrag zum Wahlerfolg der demokratischen Kräfte. So kannten die Angehörigen der Schutzpolizei während des Zeitraums der Vorbereitung der Volkswahlen 79 Spione und 379 Provokateure festnehmen. Zwei jungen Volkspolizisten, die einen gefährlichen Agenten gefaßt hatten, wurde für hervorragende Wachsamkeit vom Chef der DVP das Ehrenzeichen der Deutschen Volkspolizei verliehen.“

    Wem sind solche Vorgänge bekannt? Fast niemanden, dafür sorgen schon die mit Milliarden Euros an Steuergeldern geförderten Aufarbeitungsakteure, in Verbindung mit allen im Bundestag vertretenen Parteien und den Systemmedien.

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