Der Pope Gapon und der blutige Sonntag im Januar 1905

BlutsonnntagEine lehrreiche Episode aus dem Klassenkampf liefert uns die Geschichte. Wohl kaum jemand erinnert sich heute noch daran, daß die erste russische Revolution zu Beginn des vorigen Jahrhunderts im Blute von dreitausend Toten und Verwundeten ertränkt wurde. Welche Rolle dabei der Pope Gapon spielt, beschreibt N.Krupskaja in ihren Erinnerungen. Ähnlich wie die verräterische Rolle des Popen Georgi Gapon, war wenige Jahre später die des deutschen Sozialdemokraten Noske, auf dessen Geheiß Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet wurden. Desgleichen verräterisch ist die Rolle der „Linken“ im Bundestag und der heutiger Petitionisten und „Manifestschreiberlinge“, die sich der Bourgeoisie andienen, indem sie als Bittsteller die Volksmassen darüber täuschen, daß die herrschende Klasse doch ein „Einsehen“ haben müsse mit dem bitteren Schicksal des einfachen Volkes… es ist eine Gaponiade!

Die Mißerfolge des liberalen Bürgertums im Krieg

Das liberale Bürgertum, durch die Mißerfolge im Krieg und die wachsende revolutionäre Bewegung in Schrecken versetzt, trat immer mehr in Opposition zur Regie­rung und verlangte Konzessionen. Die Zarenregie­rung suchte nunmehr einen anderen Kurs einzu­schlagen und begann mit den liberalen anzubändeln; sie gestattete die Abhaltung von Semstwokongressen und berief Konferenzen ein, auf denen eine Erwei­terung der Kompetenzen der Semstwobehörden und der städtischen Organe, eine Lockerung der Zensur usw. beschlossen wurde.

Die verräterischen bürgerlichen Parteien

Diese Versprechungen der Regierung wurden von den bürgerlichen und klein­bürgerlichen Parteien mit Zustimmung aufgenom­men. Die Menschewiki verlangten die Teilnahme der Arbeiter an der Semstwokampagne und ihr Zusam­mengehen mit den Liberalen. Statt eine konsequent revolutionäre Stellung zum Kriege einzunehmen, vertraten die Menschewiki den Standpunkt der Ver­teidigung des bürgerlichen „Vaterlandes“ und gingen in der Frage des Krieges mit der gesamten russischen und ausländischen Bourgeoisie zusammen. Aber alle Bemühungen der bürgerlichen Parteien, eine gemeinsame Sprache mit der Regierung zu finden und die Revolution gleich in ihrem Anfangs­stadium zu unterdrücken, führten zu keinem Ergeb­nis.

Stalin organisiert einen großartigen Streik in Baku

Der großartige Streik, den die Arbeiter von Baku im Dezember 1904 unter Stalins Leitung durch­führten, zeigte, wie die Arbeiterklasse zur Regierung und zu ihren bürgerlichen Bundesgenossen in Wirk­lichkeit stand. Trotz der Niederschießung von Demonstranten siegten die Arbeiter von Baku und zwangen die Arbeitgeber, ihre Forderungen anzunehmen. Die streikenden Arbeiter von Baku stellten damals nicht nur rein wirtschaftliche, sondern auch politische Forderungen. Die Regierung verlor bereits die Kontrolle über die wachsende Arbeiterbewegung.

Ablenkung von den wahren Interessen der Arbeiter

Gleichzeitig ergriff die Zarenregierung Maß­nahmen, um die Arbeiterklasse von ihrem revolutio­nären Kampf abzulenken, die Arbeiter von sich aus zu organisieren und so deren Kontrolle in ihre Hand zu bekommen. Der Chef der Moskauer Geheimen Staatspolizei, Subatow, hatte sich schon mehrere Jahre mit der Gründung von unpolitischen angeb­lichen Arbeiterorganisationen befaßt, die nach seinem Plan die Führer der Revolution ihrer Armee be­rauben sollten. In Petersburg war z.B. der Priester des Verschickungsgefängnisses, Georgi Gapon, ein solcher Agent Subatows.

Die kleinen Alltagsbedürfnisse werden befriedigt…

Im Februar 1904 kam es in Petersburg zur Gründung einer Gaponschen Organisation, des ,,Vereins russischer Fabrikarbeiter Petersburgs“. Gapon und seine Mitarbeiter rich­teten Lesehallen ein und veranstalteten Vorträge über patriotische und revolutionäre Themen, Konzerte, Familienabende usw.. Ein ganzes Netz von Teehäusern, Läden, Kassen usw., für das die Polizei die Mittel gab, sollte die Interessen der Arbeiter auf die Befriedigung ihrer kleinen Alltags­bedürfnisse hinlenken und den Geist der Unzufrie­denheit aus ihrem Bewußtsein verbannen.

Eine Bittschrift an den Zaren

Je mehr sich indessen die wirtschaftliche Lage der Arbeiterklasse verschlechterte, um so mehr wurde auch der Teil der Arbeiterschaft, der Gapon Gefolgschaft leistete, von der revolutionären Stimmung erfaßt. Bereits die ersten Versuche der größten Gaponschen Organisation in Petersburg, derjenigen in den Puti­low-Werken (den heutigen Kirow-Werken), von der Verwaltung Zugeständnisse zu erlangen, endeten mit einem Zusammenstoß, der Anfang Januar 1905 einen Massenstreik in den Putilow- und in anderen Wer­ken zur Folge hatte. Gegen den 7. Januar waren 150.000 Arbeiter in den Ausstand getreten. Auf den provokatorischen Vorschlag Gapons verfaßten die Arbeiter eine Bittschrift an den Zaren, die ihre Forderungen enthielt, und beschlossen, am Sonntag, dem 9. Januar, vor das Palais des Zaren zu ziehen, um ihm die Bittschrift persönlich zu überreichen. Die Polizei unterstützte vorsätzlich diese Provoka­tion Gapons, da sie ein blutiges Strafgericht an den Arbeitern vollziehen wollte.


Der Beginn der Revolution.

Am Morgen des 9. Ja­nuar 1905 strömten trotz aller Warnungen der Bolschewiki nach Tausenden zählende Arbeitermassen zum Winterpalais und gingen dort in die von Militär und Polizei gestellte Falle. Es begann nun ein Ge­metzel in der unbewaffneten Menge, die über drei­tausend Tote und Verwundete hatte. Dieser Tag ist als der ,Blutige Sonntag‘ in die Geschichte ein­gegangen. Die blutigen Januarereignisse des Jahres 1905 waren von einer gewaltigen revolutionieren­den Bedeutung. In seinem Artikel über den „Beginn der Revolution in Rußland“ schrieb Lenin:

„Die Arbeiterklasse hat eine große Lehre des Bürgerkrieges erhalten; die revolutionäre Er­ziehung des Proletariats hat an dem einen Tag einen so großen Schritt vorwärts gemacht, wie sie ihn in Monaten und Jahren des grauen, verschüch­terten Alltagslebens nicht hätte machen können“ (Lenin, Werke, Bd. VII, S. 79; deutsch: ebenda, Wien-Berlin 1929, S. 111f oder Lenin: Werke, Dietz Verlag Berlin, ).

Ausbruch einer revolutionären Krise

Der 9. Januar gab den Anstoß zum Ausbruch der revolutionären Krise, die seit langem akut war. Eine Welle von Streiks und Demonstrationen ging über das ganze Land. Am 10. Januar begann der Generalstreik in Petersburg und Moskau. Die Regierung machte Truppen mobil, es kam zu be­waffneten Zusanunenstößen, und auch die Arbeiter griffen eilends zu den Waffen. In Saratow, Kiew, Brjansk, Charkow, Jekaterinoslaw, Tiflis, Batumi und anderen Städten Rußlands gingen die Arbeiter unter Führung der Bolschewiki mit ihren politischen Forderungen auf die Straße. In Polen und im Balti­kum begann ein heftiger Kampf.

Streiks, Proteste und Straßenkämpfe

Die Arbeiter in Warschau, Łódź, Riga, Reval und anderen Städten streikten und veranstalteten Meetings und Protest­demonstrationen. Die Polizei stieß bei ihren An­griffen auf bewaffneten Widerstand. Massenhaft wurden Barrikaden errichtet, und auch an den Straßenkämpfen beteiligten sich jetzt größere Mas­sen von Arbeitern. Der Beginn der Revolution in Rußland fand in der ganzen Welt gewaltigen Widerhall. In allen Ländern nahm die organisierte Arbeiterklasse die Nachricht von der russischen Revolution mit Be­geisterung auf.

Quelle: Große Sowjet-Enzyklopädie (2 Bde.), Verlag Kultur und Fortschritt, 1952, Bd. I, S.613f.

Und hier eine weitere Darstellung der gescheiterten Revolution von 1905:

Der revolutionäre Sturm begann mit den Ereignissen vom 9. Ja­nuar (22. Januar neuen Stils) 1905 in Petersburg. Am 5. (16.) Januar 1905 begann ein Streik in dem größten Peters­burger Betrieb, den Putilow-Werken (jetzt Kirow-Werke). Dieser Streik begann wegen der Entlassung von vier Arbeitern aus dem Betrieb. Der Streik in den Putilow-Werken griff schnell um sich; ihm schlossen sich andere Werke und Fabriken Petersburgs an. Der Streik wurde zum Generalstreik. Die Bewegung wuchs drohend an. Die zaristische Re­gierung entschloß sich, die Bewegung in ihren Anfängen zu ersticken.

Ein provokatorischer Plan

Schon im Jahre 1904, vor dem Streik in den Putilow-Werken, hatte die Polizei mit Hilfe eines Provokateurs, des Popen Gapon, ihre Or­ganisation unter den Arbeitern, den „Verein russischer Fabrik- und Betriebsarbeiter“, geschaffen. Diese Organisation hatte ihre Abteilun­gen in allen Bezirken Petersburgs. Als der Streik begann, schlug der Pope Gapon in den Versammlungen seines Vereins einen provokatori­schen Plan vor: am 9. Januar mögen sich alle Arbeiter versammeln und in friedlichem Zuge mit Kirchenfahnen und Zarenbildern zum Winterpalast ziehen und dem Zaren eine Petition (Bittschrift) über ihre Nöte überreichen. Der Zar werde gewiß zum Volke heraus­kommen, es anhören und seine Forderungen erfüllen. Gapon über­nahm es, der zaristischen Ochrana zu helfen, ein Blutbad unter den Arbeitern zu provozieren und die Arbeiterbewegung in Blut zu er­tränken. Der Plan der Polizei kehrte sich jedoch gegen die zaristische Regierung.

Die Vorschläge der Arbeiter

Die Petition wurde in Arbeiterversammlungen erörtert, es wurden Verbesserungen und Abänderungen an ihr vorgenommen. In diesen Versammlungen traten auch Bolschewiki auf, ohne sich offen als Bolschewiki zu bezeichnen. Unter ihrem Einfluß wurden in die Petition Forderungen aufgenommen, wie Presse- und Redefreiheit, Freiheit der Arbeiterverbände, Einberufung einer Konstituierenden Versamm­lung zur Abänderung der Staatsordnung Rußlands, Gleichheit aller vor dem Gesetz, Trennung der Kirche vom Staat, Beendigung des Krieges, Einführung des achtstündigen Arbeitstages, Übergabe des Hodens an die Bauern.

Die Bolschewiki hatten gewarnt

Die in diesen Versammlungen auftretenden Bolschewiki bewiesen den Arbeitern, daß man die Freiheit nicht mit Bittschriften an den Zaren erreicht, sondern mit der Waffe in der Hand erkämpft. Die Bolschewiki sagten warnend voraus, daß man auf die Arbeiter schie­ßen werde. Sie konnten jedoch den Zug zum Winterpalast nicht ver­hindern. Ein bedeutender Teil der Arbeiter glaubte noch, daß der Zar ihnen helfen werde. Die Bewegung hatte die Massen mit unge­heurer Kraft erfaßt. In der Petition der Petersburger Arbeiter hieß es:

„Wir, die Arbeiter der Stadt Petersburg, unsere Frauen, Kin­der und hilflosen greisen Eltern sind zu Dir, Herrscher, gekom­men, um Wahrheit und Schutz zu suchen. Wir sind verelendet, wir werden unterdrückt, mit unsagbar schwerer Arbeit belastet, man höhnt uns, sieht in uns keine Menschen … Wir haben ge­duldig alles ertragen, aber wir werden immer tiefer in den Ab­grund des Elends, der Rechtlosigkeit und Unwissenheit gestoßen; uns würgen Despotismus und Willkür … Die Geduld hat ihre Grenze erreicht. Für uns ist jener furchtbare Augenblick einge­treten, wo der Tod besser ist als die Fortdauer der unerträglichen Leiden…“

140.000 Menschen mit Kirchenfahnen und religiösem Gesang…

Am frühen Morgen des 9. Januar 1905 zogen die Arbeiter zum Winterpalast, wo sich damals der Zar aufhielt. Die Arbeiter zogen zum Zaren mit ihren Familien, mit Frauen, Kindern und Greisen, trugen Zarenbilder und Kirchenfahnen, sangen Kirchenlieder, mar­schierten ohne Waffen. Insgesamt versammelten sich in den Straßen mehr als 140.000 Menschen.

Nikolaus II. empfing sie feindselig. Er gab den Befehl, auf die unbewaffneten Arbeiter zu schießen. Mehr als 1.000 Arbeiter wurden an diesem Tage von den zaristischen Truppen getötet, mehr als 2.000 ver­wundet. Die Straßen Petersburgs waren rot vom Blute der Arbeiter.

Die Bolschewiki marschierten zusammen mit den Arbeitern. Viele von ihnen wurden getötet oder verhaftet. Gleich an Ort und Stelle, auf den von Arbeiterblut ·überströmten Straßen, erklärten die Bol­schewiki den Arbeitern, wer der Schuldige an dieser gräßlichen Misse­tat sei und wie man gegen ihn kämpfen müsse.

Der 9. Januar wurde von nun an der „Blutige Sonntag“ genannt.

Am 9.Januar erhielten die Arbeiter eine blutige Lehre. An diesem Tage wurde der Glaube der Arbeiter an den Zaren zerschossen. Sie begriffen, daß sie nur durch Kampf ihre Rechte erringen können. Schon am Abend des 9. Januar begann man in den Arbeiterbezirken Barrikaden zu bauen. Die Arbeiter sagten: „Der Zar hat uns gedro­schen, nun gut – auch wir werden ihn dreschen!“

Nieder mit der Selbstherrschaft des Zaren!

Die furchtbare Kunde von der blutigen Missetat des Zaren ver­breitete sich überall. Empörung und Entrüstung erfaßte die gesamte Arbeiterklasse, das ganze Land. Es gab keine Stadt, wo die Arbeiter zum Zeichen des Protestes gegen das Verbrechen des Zaren nicht ge­streikt und politische Forderungen aufgestellt hätten. Die Arbeiter gingen jetzt mit der Losung „Nieder mit der Selbstherrschaft“ auf die Straße. Die Zahl der Streikenden erreichte im Januar das riesige Aus­maß von 440.000. In einem Monat streikten mehr Arbeiter als in dem ganzen vorhergehenden Jahrzehnt. Die Arbeiterbewegung erhob sich zu gewaltiger Höhe.

In Rußland begann die Revolution…

Quelle: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), Kurzer Lehrgang. Dietz Verlag Berlin, 1952, S. 72-74.

Und übrigens – die folgenden Worte zitierte Kurt Gossweiler des öfteren:

„Lenin sagte geradeheraus: „Bevor man sich vereinigt und um sich zu vereinigen, muß man sich zuerst entschieden und bestimmt voneinander abgrenzen.“

Lenin: Was tun?, Dietz Verlag, Berlin 1946, 3. Aufl., S. 53. (Quelle: ebd. S.42)

Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus den Memoiren von Nadeshda Krupskaja, der Ehefrau Lenins, die die kurze Periode der Tätigkeit des „revolutionären Popen“ in der Schweiz sowie seinen Umgang mit den Bolschewiki und Wladimir Iljitsch persönlich beobachtet hat. Stellenweise erscheint Gapon als „ungeschickter“ und unbeholfener Revolutionär, manchmal aber auch als zufälliger Mensch im politischen Wirbelwind, der ihn gepackt hatte und mit sich riß. In jedem Fall tragen diese Details dazu bei, das inzwischen etablierte Klischee von Gapon als „Provokateur“ zu entkräften. Dieses Fragment ist Teil von Krupskajas dreibändigen Memoiren „Erinnerungen an Lenin“ die in den 1930er Jahren veröffentlicht wurden.

Erinnerungen

Genf 1904Gapon kam bald darauf in Genf an. Er wurde zunächst von den Sozialrevolutionären aufgenommen, die versuchten, den Eindruck zu erwecken, daß Gapon „ihr“ Mann sei und daß die gesamte Arbeiterbewegung in St. Petersburg auch ihr Werk sei. Sie bewarben Gapon furchtbar und lobten ihn. Zu dieser Zeit stand Gapon im Zentrum der Aufmerksamkeit, und die englische „Times“ zahlte ihm für jede Zeile, die er schrieb, eine Menge Geld.

Genf im Jahre 1904

Einige Zeit nach Gapons Ankunft in Genf kam abends eine sozialrevolutionäre Dame zu uns und teilte Wladimir Iljitsch mit, daß Gapon ihn sprechen wolle. Wir vereinbarten ein Treffen an einem neutralen Ort, in einem Café. Der Abend kam. Iljitsch zündete in seinem Zimmer kein Feuer an und schritt von einer Ecke zur anderen.

Gapon war ein lebendiges Stück der sich entwickelnden Revolution in Rußland, ein Mann, der eng mit den arbeitenden Massen verbunden war, die von ganzem Herzen an ihn glaubten, und Iljitsch war von dieser Begegnung begeistert.

Ein Genosse hatte sich kürzlich darüber geärgert: Wie konnte Wladimir Iljitsch sich mit Gapon abgeben!

GaponNatürlich hätte man an Gapon einfach vorbeigehen können, weil man im Voraus wußte, daß aus dem Pfaffen nichts Gutes herauskommen würde. Das tat zum Beispiel Plechanow, der Gapon äußerst kühl empfing. Aber es war die Stärke von Iljitsch, daß für ihn die Revolution lebendig war, daß er ihr ins Gesicht schauen konnte, sie in ihrer ganzen Vielfalt erfassen konnte, daß er wußte und verstand, was die Massen wollten. Und das Wissen über die Massen kommt nur durch den Kontakt mit ihnen zustande. Iljitsch interessierte sich dafür, was Gapon tun konnte, um die Massen zu beeinflussen.

In der Mitte – Gapon und der Petersburger Bürgermeister Ivan Fullon bei der Eröffnung der Kolomna-Sektion der Gewerkschaft der Fabrikarbeiter. November 1904. Gapon erwähnt Fullon in seinen Memoiren.

Wladimir Iljitsch, der von einem Treffen mit Gapon kam, erzählte von seinen Eindrücken. Gapon war damals noch vom Atem der Revolution angehaucht. Wenn er von den Petersburger Arbeitern sprach, war er Feuer und Flamme, und er kochte vor Empörung und Entrüstung gegen den Zaren und seine Schergen. In dieser Empörung steckte viel Naivität, aber sie war umso unmittelbarer. Diese Empörung stand im Einklang mit der Empörung der arbeitenden Massen.

„Er muß nur noch lernen“, sagte Wladimir Iljitsch. – „Ich sagte es ihm: ,Hören Sie nicht auf Schmeicheleien, Väterchen. Sie sollten lernen, sonst landen Sie dort, wo Sie sind, zeigte ich ihm unter dem Tisch‘.

LeninAm 8. Februar schrieb Wladimir Iljitsch in Nr. 7 der Zeitung „Vorwärts“: „Wir wünschen uns, daß Gapon, der den Übergang von den Anschauungen der politisch Unbewußten zu den revolutionären Anschauungen so tief erlebt und empfunden hat, sich zu der für eine politische Persönlichkeit notwendigen Klarheit einer revolutionären Weltanschauung emporarbeiten kann.

Lenin in der Bibliothek.

Gapon hat sich nie zu dieser Klarheit durchgerungen. Er war der Sohn eines wohlhabenden ukrainischen Bauern und blieb bis zuletzt mit seiner Familie und seinem Dorf verbunden. Er kannte die Bedürfnisse der Bauern sehr gut, seine Sprache war einfach und nah an den grauen Arbeitermassen; darin, in dieser Verbindung mit dem Dorf, mag eines der Geheimnisse seines Erfolges liegen; aber es war schwierig, einen Mann zu treffen, der so sehr von der pfäffischen Psychologie durchdrungen war wie Gapon. Er hatte noch nie ein revolutionäres Umfeld kennengelernt, und von Natur aus war er kein Revolutionär, sondern ein schlauer Pope, der nach Belieben Kompromisse eingehen konnte. Er sagte einmal:

„Irgendwann überkamen mich Zweifel, mein Glaube war erschüttert. Ich wurde krank und ging auf die Krim. Damals gab es dort einen alten Mann, von dem man sagte, er führe ein heiliges Leben. Ich ging zu ihm, um meinen Glauben zu stärken. Als ich zu dem alten Mann kam, versammelten sich das Volk am Bach, und hörte den Gebeten des alten Mannes zu. Da ist ein Loch im Bach, als ob das Pferd von Georg dem Siegreichen hierher getreten wäre. Nun, das ist natürlich dumm. Aber ich denke, darum geht es nicht – der alte Mann hat einen tiefen Glauben. Ich komme nach dem Gebet zu dem Alten, um mich segnen zu lassen. Und er zieht sein Gewand aus und sagt: ,Wir haben hier einen Kerzenladen eingerichtet, wir haben viel Geld verdient“. So ist also der Glaube! Ich habe es kaum lebend nach Hause geschafft. Ich hatte damals einen Freund, einen Maler namens Wereschtschagin, der sagte: ,Gib das Priesteramt auf!‘ Nun, ich dachte: jetzt werde ich im Dorf der Eltern geachtet. Der Vater wird als Ältester geachtet, und dann werden alle sagen: Der Sohn ist ein Abweichler! Ich habe das Amt nicht niedergelegt.“

In dieser Geschichte steckt der ganze Gapon. Er konnte nicht lernen. Er verbrachte viel Zeit damit, schießen und reiten zu lernen, aber Bücher waren nicht seine Sache. Zwar hatte er auf Anraten von Iljitsch begonnen, die Werke von Plechanow zu lesen, aber es war, als wäre er dazu gezwungen worden. Gapon konnte nicht aus Büchern lernen. Er konnte auch nicht aus dem Leben lernen. Die pfäffische Psychologie machte ihn blind. Zurück in Rußland, stürzte er in den Abgrund der Provokation.

Quelle: N.Krupskaja „Erinnerungen an Lenin“, Politisdat, 1933, S. 88-89. (Übersetzung: Florian Geißler – Kommunisten-Online)

Bemerkung: Dieses „Manifest für Frieden“ von Wagenknecht/Schwarzer ist eine Gaponiade! Siehe dazu auch: https://sascha313.wordpress.com/2023/02/20/rainer-rupp-friedensmanifeste-und-die-kriegspropaganda-des-westens/#comment-43803

Siehe auch: https://sascha313.wordpress.com/2015/12/21/w-i-lenin-wir-duerfen-uns-von-der-kirchhofruhe-in-europa-nicht-taeuschen-lassen-2/

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Eine Antwort zu Der Pope Gapon und der blutige Sonntag im Januar 1905

  1. dersaisonkoch schreibt:

    Hat dies auf Der Saisonkoch rebloggt und kommentierte:
    Sascha gibt Ihnen heute den Einblick in russische /europäische Geschichte. Warum ich europäisch sage, liegt an der Möglichkeit des Vergleiches mit heute und hier. Sie sind umgeben von extra geformten Verräterclubs der übelsten Sorte. Und genau diese Verräter sind die, welche die ungeheuren Opfer in der Arbeiterbewegung angerichtet haben. In Ihren Engelsliedern ist ist der Verrat bereits verbaut. Sie müssen die nur verstehen lernen.

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