Will man die „Geheimrede“ des Intriganten Chruschtschow auf dem XX.Parteitag der KPdSU und ihre Wirkung auf die Delegierten richtig verstehen, so muß man auch die Umstände beachten. In seinem Buch „Die Taubenfuß-Chronik oder Die Chruschtschowiade“ beschreibt Kurt Gossweiler sehr eindringlich, mit welchen Eindrücken er damals (1956) diese Rede aufnahm, und wie sich seine Zweifel daran, ob es sich bei diesem Chruschtschow überhaupt um einen Kommunisten handeln konnte, verfestigten, und wie er schließlich zu der Überzeugung kam, daß mit Chruschtschow „ein Antikommunist an die Spitze der Partei Lenins gelangt war“. Er schreibt, nachdem er den Inhalt der Rede zur Kenntnis genommen hatte:
Sie hatte nichts, aber auch gar nichts zu tun mit einem seriösen Bericht, zu dem ja auf jeden Fall nicht nur die Information, sondern auch eine marxistische Analyse gehört. Chruschtschows „Abrechnung mit Stalin“ trug jedoch eindeutig den Charakter eines der kommunistischen Bewegung bis dato fremden „Enthüllungs“-Berichtes im Stile der bürgerlichen antikommunistischen Sensationspresse, der, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, auch nicht vor dick aufgetragenen Lügen und Erfindungen zurückschreckte – so etwa, wenn Chruschtschow davon faselte, Stalin habe Hitler „vertraut“, oder wenn er, um Stalin als Dummkopf hinzustellen, zusammenlog, dieser habe militärische Operationen am Globus vorbereitet.
Als ich diesen primitiven, zugleich aber auch bösartigen, voraussehbar nicht Festigung, sondern Erschütterung des Vertrauens zur Partei bewirkenden Bericht gelesen hatte, war ich überzeugt davon, daß dieser Auftritt Chruschtschows niemals die Billigung des Politbüros der KPdSU erhalten hätte, sondern daß Chruschtschow den dort vereinbarten Text einfach beiseitegelegt und statt dessen dieses Machwerk vorgetragen hatte, in der Gewißheit, daß niemand den Skandal wagen würde, und ihn mitten in seiner Rede vom Podium zu holen. [1]
Damit erklärte sich für mich auch – und erklärt sich bis heute –, daß das Politbüro der KPdSU, solange wirkliche Kommunisten in ihm noch etwas zu sagen hatten, diesen Bericht als seinen Bericht niemals anerkannt hat.
Da ich auch mit meiner Skepsis gegenüber der Seriosität dieses Berichtes ziemlich alleine stand, war es mir eine tiefe Freude und Genugtuung, als ich die – im Grunde vernichtende – Kritik Palmiro Togliattis an diesem Bericht zu lesen bekam. [2]
Fußnoten:
[1] vgl. Erinnerungen Lasar Kaganowitschs, eines Teilnehmers am XX.Parteitag der KPdSU (siehe weiter unter)
[2] Bayrisches Volksecho v. 30.6.1956. – Chronik S.61
Quelle:
„Die Taubenfuß-Chronik oder Die Chruschtschowiade“, Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung e.V. (Hg.), München 2002, Bd.1, S.17-19
Siehe auch:
Der Bruch in der kommunistischen Bewegung
Kaganowitsch erinnert sich an Stalin
Kurt Gossweiler – ein unbestechlicher Chronist des Jahrhunderts
Ljubow Pribytkowa: Die Demontage der KPdSU und der Sowjetunion
Ein Gespräch im Hause Chruschtschow nach der erfolgreichen Beseitigung des Genossen Stalin
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