Im Vorwort zu der 1946 in der Sowjetunion erschienen Gesamtausgabe der Werke von J.W. Stalin heißt es: „Die verbreitetste Sammlung von Werken des Genossen Stalin ist bisher das Buch „Вопросы Ленинизма“ („Fragen des Leninismus“), das in elf Auflagen erschienen ist. Die Zusammenstellung dieses Buches hat sich mit jeder neuen Ausgabe bedeutend geändert: fast jede Ausgabe wurde duch neue Schriften ergänzt; gleichzeitig schloß der Autor zwecks Beibehaltung des früheren Umfangs des Buches jeweils einige Schriften aus ihm aus. … Es gibt jedoch eine große Anzahl von Werken J.W. Stalins, vor oder nach der Oktoberrevolution geschrieben, die nach ihrer Veröffentlichung in Zeitungen oder Zeitschriften nirgends wieder abgedruckt wurden… Die vorliegende Ausgabe ist ein erster Versuch, fast alle Werke Stalins zusammenzufassen.“[1] Doch dann gab es auch Fälschungen…
Die ursprüngliche erste Ausgabe
Im Jahre 1950 erschien dann auch in der DDR der erste Band der gesammelten Werke Stalins. Angekündigt waren ursprünglich 16 Bände, doch der 13. und letzte Band, der 1955 im Dietz Verlag Berlin, also zwei Jahre nach der Ermordung Stalins erschien, endet mit dem Jahre 1934. Alle weiteren, d.h. die ursprünlich vom Verlag vorgesehenen Bände verschwanden in der Versenkung. Doch weiter heißt es im Vorwort zum ersten Band:
Was war nun der Grund dafür, daß die Herausgabe der fehlenden Bände nicht fortgeführt wurde? Zum einen war zu diesem Zeitpunkt die wahre Todesursache Stalins nicht bekannt, zum anderen gab es darüberhinaus weitere Verunsicherungen über die Rolle Stalins und die weitere Zukunft der UdSSR, was nach dem berüchtigten XX.Parteitag 1956 in der verleumderischen Geheimrede Chruschtschows dann über Umwege auch öffentlich bekannt wurde.
Kurt Gossweiler, der als Dreißigjähriger 1947 gerade erst aus der Sowjetunion zurückgekehrt und Mitarbeiter des Parteikabinetts der Berliner Bezirksleitung der SED geworden war, hat die Ereignisse in der KPdSU schon damals genau verfolgt. Er schrieb:
„Dabei konnte ich nicht übersehen, daß sich dort, beim großen Bruder (gemeint ist die Sowjetunion, N.G.), in rascher Folge seit Stalins Tod Dinge ereigneten und in die DDR hineinwirkten, die nicht nur überraschend und unerwartet kamen, sondern fremdartig anmuteten und kaum mit den bewährten Prinzipien unserer Weltanschauung in Übereinstimmung gebracht werden konnten.“ [2]
Zitate:
[1] J.W. Stalin, Werke, Dietz Verlag, Berlin 1950, Bd.1, S.VIIIf.
[2] Kurt Gossweiler: Die Taubenfuß-Chronik oder die Chruschtschowiade 1953 bis 1964″, Bd.1, S.12.
Anmerkung: Die 1976 und 1979 in Dortmund erschienen Bände 14 und 15 beruhen auf bereits in der DDR erschienenen Einzelausgaben.
Fälschungen des Professors Kossolapow
In Rußland erschien 1997 eine von Prof. Richard Kossolapow um die Bände 14 bis 18 „ergänzte“ und „erweiterte“ Gesamtausgabe der Werke Stalins. Dazu schrieb Shelmenko:
Ich meine, daß es allen Lesern der 18-bändigen „Vollständigen Gesamtausgabe“ der Werke Stalins, die von Richard Kossolapow und verlegt und seit 1997 massenhaft verbreitet wurde, gut anstehen würde, zweimal und dreimal sein Vorwort zum 14. Band zu lesen. (http://flibusta.net/b/193306/read) – russisch.
Wer hat da die Feder geführt?
Daraus kann man einige bemerkenswerte Angaben darüber entnehmen, daß die Bände 14, 15 und 16 von McNeill* „zusammengetragen“ und von Kossolapow selbst „erweitert und ergänzt“ wurden. Später wurden von ihm die Bände 17 und 18 seiner „Vollständigen Gesamtausgabe“ „zusammengetragen“. Faktisch wurden unter dem Vorwand des Kampfes gegen das Verschweigen, Texte ans Licht gebracht, von denen unverständlich ist, was sie bedeuten, unbekannt ist, worauf sie sich stützen und folglich auch nicht nachvollziehbar, wem die Texte überhaupt zuzuordnen sind. Das ist eine ähnliche Herangehensweise, als wenn an die geprüften und akademischen Texte der 13 Bände „auf den Knieen gemachte“ (sic! – Bemerkung von Kossolapow) „Eigenschöpfungen“ angehängt würden, was Vorwürfe und Verdächtigungen einer Fälschung hervorrief, die der Autor jedoch sogleich energisch zurückwies. (http://www.razumei.ru/lastlib/otherbooks/800)
Eine seltsame Kopie aus einer amerikanischen Zeitung
Die Qualität dieser „Neuschöpfungen“ kann man schon beim ersten 14. Band ersehen: das erste Dokument darin ist auf das Jahr 1934, das zweite auf 1936, das dritte auf 1940 und das vierte wieder 1934 datiert. Es ist gut, wenn Dokumente noch auf Ausgaben der „Prawda“ verweisen, die im allgemein zugänglich sind, die veröffentlicht wurden, und die man überprüfen kann. Schlechter ist es, wenn z.B. das Dokument №6 auf die Zeitung „Kansas City Star“ vom 10.12.1943 verweist, wovon „eine Xerokopie der Veröffentlichung dem Verfasser R.F. Iwanow übergeben (Red.)“ worden sei. Kann eine solche Ausgabe als glaubwürdig gelten, wenn für deren Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Vollständige Gesamtausgabe“ der Werke Stalins Material ausreichend ist, das in Form einer Xerokopie übergeben wurde? Das ist m.E eine rhetorische Frage.
Ein angebliches, aber unglaubwürdiges Telegramm
Doch es kommt noch schlimmer. Der Band 15 dieser Sammlung beginnt schon damit, sich nicht auf historische Dokumente und Beweise zu verweisen, oder auf „Xerokopien“, sondern auf Bücher wie „Stalin im Kreise der Familie“ oder „Stalin: Wahrheit und Lüge“ von Schuchraj u.a.m.
Was soll man z.B. zur Veröffentlichung solcher Texte sagen:
TELEGRAMM AN K.K. ROKOSSOWSKI
23. November 1942
„…Die 3. Mot.-Schützen-Division und die 16. Panzerdivision der Deutschen hat sich vollständig oder teilweise von Ihrer Front zurückgezogen, und sie kämpft jetzt gegen die Front der 21. Armee. Dieser Umstand schafft günstige Voraussetzungen, daß alle Armeen Ihrer Front zu aktiven Handlungen übergehen. Galanin handelt schwach, weisen Sie ihn an, daß er spätestens am 24. November Wertjatschi genommen war. Weisen Sie auch Schadow an, daß er zu aktiven Handlungen übergeht und Kräfte des Gegners bindet. Schicken Sie dann auch Batow vor, was nach jetziger Lage wirksamer sein könnte.“(Nach dem Buch von W. Schuchraj „Stalin: Wahrheit und Lüge.“ S. 144 – russ.)
(Die Auslassungen sind nicht von mir, sondern vom Verfasser.)
Aufgrund des genannten Abschnitts kann man die elementare Schlußfolgerung ziehen, dem Autor der Sammlung habe es ausgereicht, was man ihm gegeben hat, für den Text interessierte er sich nicht, auch hat er ihn nicht überprüft.
…aus den Fingern gesogene Texte!
Wenn aber nun der Autor eines Buches (Schuchraj), auf den die „Vollständige Gesamtausgabe“ verweist, sich den Text aus den Fingern gesogen hätte, was hätte dann einen Verfasser (Kossolapow) dazu bewogen, diesen Quark in den Text einer vollständigen Gesamtausgabe aufzunehmen? Nichts hätte ihn dazu bewogen. Wer kann also bei einem solchem Herangehen dafür bürgen, daß die Texte authentisch sind? Niemand. Im Gegenteil, man kann mit voller Überzeugung davon ausgehen, daß noch weiterer solcher Unsinn in der Neuausgabe (von Kosolapow) enthalten ist!
Das gefälschte Gespräch Stalins mit A. Kollontaj
Im Band 18 der „Vollständigen Gesamtausgabe“ Kossolapows taucht ein gewisses Gespräch Stalins mit Kollontaj auf, in dem Stalin sich angeblich über den Kampf gegen den weltweiten Zionismus ausspricht. (http://flibusta.net/b/142804/read – russisch.) Siehe auch hier: Gefälschte Zitate
Ein ausführliche Überprüfung dieses Hirngespinstes, das in diesem Gespräch ausgebreitet wird, und wer der Erfinder dieser Lüge und Fälscher ist, findet man hier: (http://labas.livejournal.com/846407.html – russisch.)
Was denken Sie, wieviele solcher Fälschungen und Lügen sind noch in dieser „Vollständigen Gesamtausgabe“ der Werke Stalins enthalten?
Dokumente sind scharfe ideologische Waffen
Historische Dokumente waren stets brauchbare und schärfste ideologische Waffen, und die Nachfrage nach den verschieden Fälschungen wird allmählich versiegen. Solche Machwerke, wie die „Katyner Dokumente“ oder eine Neuausgabe der „Werke“ Stalins ist nicht zu verhindern. Es gab sie und es wird sie geben. Doch die Persönlichkeit von JWS – eine hervorragende Persönlichkeit – ist unzertrennlich verbunden mit dem Entstehen der UdSSR, mit der Industrialisierung, mit dem Sieg im Kampf um die Existenz (dem Großen Vaterländischen Krieg), mit der Verwandlung in eine Weltmacht, auch wenn solche Spekulanten, solche politischen Pygmäen, es schmeichelhaft finden, auf der Brandstätte der Macht, auf der Autorität einer so mächtigen Persönlichkeit wie Stalin aufzusatteln und sie zu benutzen.
Was haben sie nicht alles schon versucht…
So haben sie immer wieder versucht, den
– Marxisten,
– Anhänger und Schülers Lenins,
– Kommunisten,
– Internationalisten
Josef Wissarionowitsch Stalin zu einem
– Klerikalen,
– Schwarzhunderter,
– russischen Nationalisten,
– Konservativen, „Machthaber“ und „Diktator“
zu machen.
Seien Sie wachsam!
In diesem Zusammenhang kann ich nur eines empfehlen: Seien Sie auf der Hut! Es ist nicht ausgeschlossen, daß gleich nach der politischen Konjunktur unter der Redaktion Kossolapows oder irgendwelcher Kossorukows, sowohl der 19., als auch der 20. Band der Sammlung „unbekannter Werke“ erscheinen werden, die wir daran erkennen, daß Stalin ein Marsbewohner und Anhänger der Galaktischen Föderation war. Noch einmal will ich Sie daran erinnern:
Nur die ersten 13 Bände der Werke Stalins sind authentisch.
Quelle: https://shelmenko.livejournal.com/93696.html (Übersetzung: Florian Geißler)
oder: https://kpss-ru.livejournal.com/124906.html
oder: https://zabolshevizm.wordpress.com/2013/04/30/post224/
Sogenannte neue Stalinbände (russ.)
*Genannt wird hier ein gewisser Dr. Robert McNeill (Hoover Institut). Zur Erinnerung: So wie Kossolapow sich auf zweifelhafte US-amerikanische Quellen und Märchenbücher beruft – auch die Geheimrede Chruschtschows wurde, nachdem sie in den Westmedien (Agentur Reuters) erschienen war, von Chruschtschow zuerst verleugnet. Augenscheinlich sind noch weitere Erfindungen in den USA entstanden: Über Katyn, über den Holodomor, über die Gulags (Solzhenizyn) usw.
Siehe auch:
Das Kuckucks-Ei
Gefälschter Dimitroff-Brief
Geschichte: Was ist wahr und was wurde gefälscht?
Fälscher im russischen Staatsarchiv
…und noch so ein gefälschtes Stalinzitat
Weiß jemand wo man die Stalin-Werke im Internet herunterladen kann?
Hier: http://ciml.250x.com/archive/stalin/german.html
oder hier: https://kommunistische-geschichte.de/stalin-werke/
oder hier: http://www.stalinsociety.org/reading/collected-works-of-stalin/ (in Englisch)
(Zum Suchen in der pdf-Datei einfach ctrl-f drücken!)
Fantastisch diese information.Danke und ein schones wochende alle besuchers hier.
Das seh ich genauso und auch dir ein schönes Wochenende.
Lieber Sascha, ganz oben ist Dir ein Schreibfehler unterlaufen: „Вопроцы…
lieben gruß, petra
Danke, hab’s korrigiert!
und dabei habe doch glattweg auch ich einen Schreibfehler drin… lach
Was ist mit den Bänden 14 und 15 welche im Verlag „Roter Morgen“ der KPD M/L erschienen waren?
Ich weiß es noch nicht… man müßte Seite für Seite vergleichen. Oft stimmt ja ein Teil, ein anderer ist falsch… Es ist anzunehmen, daß darin Texte enthalten sind, die in der SBZ schon gedruckt worden waren.
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